Protokoll der Sitzung vom 25.10.2001

Zu 2: Das Verbraucherinformationsgesetz sollte sich hinsichtlich des Geltungsbereichs und der Regelungsinhalte an dem in der Praxis bereits bewährten Umweltinformationsgesetz orientieren. Es muss den zuständigen Behörden die Möglichkeit einräumen, die Öffentlichkeit über die Fälle zu unterrichten, in denen bestimmte Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände den rechtlichen Bestimmungen nicht entsprechen oder in denen sie bereits Gegenstand einer öffentlichen Diskussion sind.

Darüber hinaus sollte es den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Zugang zu den Informationen ermöglichen, die bei den Behörden vorhanden sind. Natürlich darf dies nicht dazu führen, dass der Öffentlichkeit auch ein Zugang zu solchen Informationen ermöglicht wird, die einen mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbarenden Eingriff in die Rechte der Hersteller oder Händler zur Folge hätten. Betriebsgeheimnisse und wettbewerbsrelevante Informationen, die keine Betriebsgeheimnisse im eigentlichen Sinne sind, in ihrer Bedeutung für das Unternehmen diesen aber gleichzustellen wären, könnten deshalb nicht weitergegeben werden.

Daneben muss den Behörden die Möglichkeit eingeräumt werden, in laufenden Straf-, Ordnungswidrigkeiten-, Disziplinarund Verwaltungsverfahren die Erteilung näherer Auskünfte unter Hinweis auf das Verfahren zu verweigern. Wichtig ist auch, dass von den Behörden Informationen immer vollständig und unter Hinweis auf deren fachliche und rechtliche Bewertung weitergegeben werden. Nur so kann der Gefahr wirksam begegnet werden, dass unvollständige oder unkommentierte Informationen einen falschen Eindruck von der Wirklichkeit vermitteln.

Über diesen auch im Umweltinformationsgesetz geregelten Rahmen hinaus sollte den Verbraucherinnen und Verbrauchern in bestimmten Fällen auch ein direkter Zugang zu den in der Lebensmittelwirtschaft vorhandenen Informationen ermöglicht werden. So sollten Hersteller und Händler verpflichtet sein, Auskünfte zur Beschaffenheit der von ihnen angebotenen Erzeugnisse, wie z. B. die Art und regionale Herkunft der Zutaten, die eingesetzten Herstellungsverfahren und die Gründe für die von ihnen verwendeten Werbebehauptungen, zu geben.

(Möllring [CDU]: Ist das jetzt eine Antwort oder ist das eine Regierungs- erklärung?)

Auch Fragen zur Art und Funktionsweise der betrieblichen Eigenkontrolle sollten nach den Vorstellungen der Landesregierung beantwortet werden.

Zu 3: Soweit Lebensmittel und Gegenstände, die bestimmungsgemäß mit Lebensmitteln in Berührung kommen, betroffen sind, steht das Gemeinschaftsrecht der EU einem nach den hier vorgestellten Eckpunkten konzipierten Verbraucherinformationsgesetz nicht entgegen. Auch die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts zur Einrichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit sieht vor, dass es neben dem Gemeinschaftsrecht auch nationale Bestimmungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Lebensmittelsicherheit gibt. In anderen Mitgliedstaaten, z. B. in Dänemark, werden Verbraucherinnen und Verbraucher bereits jetzt gezielt über die Fälle informiert, in denen Lebensmittel den rechtlichen Bestimmungen nicht entsprechen. Ungeachtet dieser Einschätzung muss

ein deutsches Verbraucherinformationsgesetz der Europäischen Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Zusatzfrage hat jetzt der Herr Kollege Brauns das Wort.

Herr Minister, hält es die Landesregierung für ausreichend, den Geltungsbereich eines Verbraucherinformationsgesetzes auf Erzeugnisse, die unter das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz fallen, zu begrenzen?

Welchen Beitrag kann ein Verbraucherinformationsgesetz leisten, um die Situation der Menschen zu verbessern, die an Lebensmittelallergien oder an Lebensmittelunverträglichkeiten leiden?

Herr Kollege Brauns, wir hatten uns darauf verständigt, dass wir keine Anfragen verlesen wollen.

(Brauns [SPD]: Nächstes Mal, Herr Präsident! - Heiterkeit)

Herr Minister Bartels, bitte!

Herr Abgeordneter, die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich aufgrund des Informationszugangs, den wir ihnen gewähren wollen, über alle Fragen und Zusammenhänge informieren, die mit ihren persönlichen Befindlichkeiten oder Problemen zusammenhängen. Vielfach können Allergiker oder an sonstigen Krankheiten leidende Menschen nicht unbedingt aus den Kennzeichnungen der Artikel die Informationen ablesen, die sie benötigen, um feststellen zu können, ob sie ein bestimmtes Lebensmittel konsumieren oder einen bestimmten Bedarfsgegenstand nutzen dürfen. Deshalb wollen wir ihnen über die Möglichkeit der Nachfrage bei den Herstellern den Zugang zu den benötigten Informationen eröffnen. Auf diese Weise erhalten die Verbraucher präzise Antworten auf Fragen zum Herstellungsprozess, zu Inhaltsstoffen, Zutaten usw. und können auf dieser Grundlage einschätzen, ob es sich um ein Produkt

handelt, das sie gefahrlos nutzen können oder ob sie lieber die Hände davon lassen sollten.

Es ist richtig, dass wir diese Bestimmung auf Lebensmittel und Bedarfsgegenstände begrenzen. Im europäischen Recht sind die Vorschriften für Informationen und Zugang zu Informationen produktspezifisch geregelt. Lediglich bei Warnungen handelt es sich um eine produktübergreifende rechtliche Regelung.

Es wäre sicherlich wünschenswert, dass über den Bereich der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände hinaus in Zukunft auch Informationen über andere Gegenstände gegeben werden könnten, mit denen der Verbraucher in Berührung kommt. Das ist unser Ziel. Aber dafür müssten wir zunächst den Rechtsrahmen auf europäischer Ebene schaffen. Das, was wir vorgeschlagen haben, entspricht der Systematik des europäischen Rechts. Das Fernziel müsste in der Tat darin bestehen, die entsprechenden Vorschriften insgesamt zu öffnen. Ich glaube jedoch, dass ein solches Verbraucherinformationsgesetz schon eine Eigendynamik in die Wirtschaft hineinträgt, die dazu führt, dass sich die Unternehmen für solche Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher öffnen.

Herr Schwarzenholz! Danach Herr Ehlen.

Herr Minister, die SPD-Landtagsfraktion beklagt zu Recht, dass ein solches Verbraucherinformationsgesetz fehlt. Worauf ist das denn zurückzuführen? Was sind die Ursachen dafür, dass die SPDgeführte Bundesregierung mit diesem Thema so verschleppend umgeht?

Herr Minister Bartels!

Herr Abgeordneter, diese Frage müssten Sie im Deutschen Bundestag stellen. Ich kann sie Ihnen nicht beantworten. Ich habe entsprechend der Fragestellung der SPD-Fraktion nur deutlich gemacht, was die Niedersächsische Landesregierung in der Vergangenheit unternommen hat, um ein solches Verbraucherinformationsgesetz, das wir

für notwendig erachten, zu bekommen. Ich habe Ihnen von 1997 an die unterschiedlichsten Vorstöße in dieser Frage deutlich gemacht. Im Ergebnis sind wir in diesem Bereich jedoch noch nicht vorangekommen. Das ist der Hintergrund für diese Aktivitäten auf der Gesundheits- und Verbraucherschutzministerkonferenz sowie auf der Agrarministerkonferenz.

Herr Ehlen, bitte schön!

Herr Minister, Sie haben eben in Ihren Ausführungen dargelegt, dass Sie die Produktionsschienen dokumentiert haben wollen. Inwieweit sollen diese Dokumentationen eventuell auf Etiketten, Beipackzetteln usw. weitergegeben werden? Ich habe diesbezüglich Bedenken und frage deshalb nach: Ist - ähnlich wie bei manchen Medikamenten daran gedacht, dass der Beipackzettel schwerer sein soll als der Inhalt?

(Heiterkeit)

Das waren zwei Fragen.

Herr Abgeordneter Ehlen, meine sehr verehrten Damen und Herren, genau das wollen wir nicht, weil auch wir das Problem der Nichtlesbarkeit der langen Beipackzettel kennen und wissen, dass der Verbraucher schon heute angesichts der Fülle von Informationen, die er über einzelne Produkte bekommen kann, weitestgehend überfordert ist. Um es ganz deutlich zu sagen: Die Verbraucher haben in der großen Mehrheit einen Mangel an Verbraucherkompetenz. Deshalb wollen wir ihnen die Möglichkeit eröffnen, das, was sie wissen wollen und unbedingt wissen müssen - ob aus religiösen oder ethischen Beweggründen oder aus gesundheitlichen Motiven -, direkt im Unternehmen nachfragen zu können, wenn die Information auf dem entsprechenden Etikett nicht abgedruckt ist, weil sie z. B. für die Allgemeinheit nicht von hoher Bedeutung ist. Das Unternehmen ist dann verpflichtet, dem Verbraucher Antwort auf die entsprechende Frage zu geben.

Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Groneberg.

Herr Minister, wie gerade mehrfach betont worden ist, ist es Sinn und Zweck eines Verbraucherinformationsgesetzes, den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen besseren Zugang zu Informationen über die ihnen angebotenen Produkte zu verschaffen. Ich frage Sie, Herr Minister, mit welchen Auswirkungen auf die Wirtschaft beim Erlass eines solchen Gesetzes zu rechnen ist.

Herr Minister!

Wenn ein Unternehmen gegen das Lebensmittelrecht, gegen das Bedarfsgegenständerecht oder gegen andere Rechtsvorschriften verstoßen hat, wird es sicherlich geoutet und mit Namen benannt. Das hat unmittelbare Auswirkungen für ein Unternehmen. Das bedeutet, dass die Sanktionen auch auf den Umsatz eines solchen Unternehmens durchschlagen. Ich denke aber, das ist durchaus gewollt.

Auf der anderen Seite muss man wissen, dass das Verbraucherinformationsgesetz mit den darin enthaltenen Regelungen die Unternehmen auch schützt. Bei einigen Skandalen im Bereich der Lebensmittelwirtschaft haben wir erlebt, dass gesamte Branchen urplötzlich durch einen Zwischenfall in Misskredit geraten sind und darunter gelitten haben, dass die Produkte nicht mehr gekauft wurden. Aufgrund des Verbraucherschutzgesetzes können wir Ross und Reiter nennen, sodass sich das Verbrauchermisstrauen und das Verbraucherverhalten ganz gezielt gegen das Unternehmen richten, das Schindluder mit dem Recht getrieben hat.

Herr Hagenah! Danach Frau Steiner.

Herr Minister, wir haben jetzt gelernt, dass Sie sich schon seit Jahren beim Verbraucherschutz beson

ders engagieren. Derart ausführliche und kompetente Antworten würden wir uns gerne auch einmal auf unsere Anfragen wünschen. Ihre Ausführungen waren wirklich sehr informativ.

Ich frage mich nur, wie diese Haltung der Landesregierung dazu passt, dass sie plant, im Haushalt 2002/2003 die Mittel für die Verbraucherzentralen zu kürzen.

(Groth [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Kollege Hagenah, Sie haben sich gefragt. Diese Frage muss die Landesregierung nicht beantworten.

Ich habe gefragt, wie es dazu passt.

Sie haben gesagt: „Ich frage mich".

Entschuldigung.

(Heiterkeit)

Dann frage ich Sie eben auch.

Herr Minister, bitte!

Herr Abgeordneter Hagenah, zunächst einmal hat das, worüber wir geredet haben, nichts mit der Frage zu tun, inwieweit die Verbraucherorganisationen finanziell gefördert werden.

Aber zu Ihrer Beruhigung - damit Sie sich nicht aufregen - kann ich Ihnen sagen, dass uns die Fraktion signalisiert hat, dass sie im Zusammenhang mit den Beratungen zum Haushalt eine Aufstockung der Mittel für die Verbraucherberatung vorsieht.

Jetzt hat Frau Steiner das Wort. Danach Herr Kethorn.

Herr Minister, genau danach wollte ich auch fragen. Ist diese Erkenntnis oder das, was Sie gerade dargestellt haben, auch schon beim Wirtschaftsministerium angekommen, nämlich dass der nicht behördliche Verbraucherschutz in Niedersachsen in dieser Weise entsprechend weiter gefördert wird?

Herr Bartels!