Protokoll der Sitzung vom 26.10.2001

Meine Damen und Herren, es gibt bei der Umsetzung dieser Richtlinien einen weiteren Punkt, der Kritik verdient. Wir kritisieren in diesem Zusammenhang die mangelnde Entscheidungsfreudigkeit der Landesregierung. Mit der Umsetzung in nationales Recht sollte die Zuständigkeit der Bearbeitung von Bauanträgen von der Landkreisebene auf die Bezirksregierungsebene verlagert werden. Die Landesregierung hat richtig erkannt, dass diese Regelung wenig praktikabel ist. Sie sah sich aber nicht in der Lage, schnell eine entsprechende Verordnung zu erlassen, damit die Landkreisebene dann auch die Zuständigkeit hat. In der Folge ergab sich, dass sich die Anträge bei den Landkrei

sen getürmt haben, sie diese Bauanträge nicht bearbeiten durften und die Bezirksregierungen sie nicht bearbeiten wollten. Dies ist im Kern ein Skandal für die Landwirtschaft,

(Beifall bei der CDU)

weil notwendige Investitionen in diesem Zeitraum nicht stattfinden können bzw. weit hinausgezögert werden und weil die Bauwirtschaft

(Klein [GRÜNE]: Wieso sollen die denn noch investieren, wenn es ihnen so schlecht geht?)

die nach Aufträgen lechzt, in dieser Phase keine Bauaufträge aus der Landwirtschaft bekommen hat.

(Ehlen [CDU]: Ein Vierteljahr!)

Mittlerweile - zum 1. Oktober - ist die Entscheidung getroffen worden, dass die Anträge jetzt bearbeitet werden können. Aber zwei Monate sind ins Land gezogen, in denen nichts geschehen ist, weder bei den Verwaltungen noch in den landwirtschaftlichen Betrieben noch in der Bauwirtschaft.

Daher ist unsere Forderung an die Landesregierung, dass umgehend geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit dieser Antragsstau bei den Landkreisen abgebaut wird. Welche Maßnahmen dies sein können, werden Sie sicherlich wissen. Es gibt da vielfältige Möglichkeiten.

(Zuruf von Klein [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wenn wir der Landwirtschaft wieder eine Perspektive geben wollen, ist es nach unserer Ansicht erforderlich, dass es eine radikale Kursänderung gibt, damit sie wieder eine Perspektive hat, damit sie wieder Luft zum Atmen hat, damit das Leben auf den Höfen, im ländlichen Raum aufrecht erhalten bleiben kann. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Minister Jüttner möchte zu diesem Antrag Stellung nehmen. Bitte schön, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem stimme ich Herrn Kethorn zu: Der ländliche Raum braucht eine Perspektive für sich. Aber das, was Herr Kethorn hier vorgeschlagen hat, liegt wirklich auf einem anderen Stern. Die Kritik, die er geübt hat, hat mit der Realität in Niedersachsen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Die Vorwürfe, die Sie im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinien erheben, sind falsch. Sie zeigen darüber hinaus, dass wir in der Tat unterschiedliche politische Vorstellungen über das haben, was wir die Neuausrichtung der Agrarpolitik nennen.

Intensivtierhaltung kann nicht unabhängig von ihren Auswirkungen auf die Umwelt betrieben werden, sondern muss auf ihre Verträglichkeit hin untersucht und entsprechend angepasst werden. Das ist ein zentrales Anliegen dieser EURichtlinien. Der Bundestag hat dieses Anliegen nun in Gesetzesform gegossen.

Sie sprechen von einem Schnellverfahren bei der Umsetzung dieser Richtlinien. Diese Richtlinien sind 1996, 1997 in Kraft getreten. Als ich im Mai 1998 das erste Mal auf einer Umweltministerkonferenz war, lernte ich dort Frau Merkel kennen, die gerade ein bundespolitisch wichtiges Amt ausübte.

(Zurufe von der CDU: Wo ist sie?)

- Wo ist die? Fragen Sie sich, wo die gerade ist. Im Keller, habe ich den Eindruck!

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Sie bemühte sich damals schon seit Jahren darum, diese europäischen Richtlinien endlich in deutsches Recht umzusetzen. Sie hatte alle Vorlagen in der Schublade. Sie war nicht in der Lage, dies im Bundeskabinett durchzusetzen.

Die Tatsache, dass wir jetzt mit dem Beschluss kommen, hat nichts mit Hektik zu tun, sondern damit, dass die Umsetzung in nationales Recht von Ihnen jahrelang unterlaufen worden ist. Das ist die Situation, mit der wir es leider zu tun haben. Vor diesem Hintergrund nimmt es auch nicht Wunder, dass die EU-Kommission inzwischen Klage beim Europäischen Gerichtshof erhoben und beantragt hat, von der Bundesrepublik ein extrem hohes

Zwangsgeld einzufordern, bis die UVP-Richtlinie vollständig umgesetzt ist. Das ist die Realität, mit der wir es zu tun haben.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: So ist das!)

Und Sie erdreisten sich, in Ihren Antrag zu schreiben, wir hätten überstürzt eine nationale Gesetzgebung vorgenommen! Meine Damen und Herren, ein bisschen Sorgfalt bei der Vorbereitung ihrer Anträge kann man von der Opposition wirklich verlangen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Das finde ich auch!)

Vor diesem Hintergrund war es dringend notwendig, zu einer zügigen Umsetzung zu kommen. Ich will überhaupt nicht verkennen, dass das eine sehr komplexe Veranstaltung ist. Das hat sich beispielsweise daran gezeigt, dass im Bundesrat in der ersten Lesung über 400 Änderungsanträge vorgelegen haben. Es ist schon kompliziert. Aber es ist nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus inhaltlichen Gründen eine notwendige Umsetzung gewesen.

Niedersachsen hält es ausdrücklich für richtig, dass ab einer bestimmten Anzahl von Tieren der Neubau eines Stalles nicht nur baurechtlich geprüft, sondern auch die Frage nach den Emissionen betrachtet wird, und zwar nicht, wie Sie, Herr Kethorn, sagen, so ähnlich wie bei einem Atomkraftwerk – dieser Vergleich war sehr daneben -, sondern in einem vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahren.

Lediglich dann, wenn erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt nicht auszuschließen sind, beispielsweise wegen der Nähe von Wohnbebauung oder empfindlichen, ökologisch wertvollen Gebieten, oder wenn wegen der bereits vorhandenen Anlagendichte die Gefahr erheblicher Umweltauswirkungen besteht, sollen eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein förmliches Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz durchgeführt werden.

Niedersachsen hält es auch für richtig, dass beim Bau von Tierhaltungsanlagen die Frage gestellt wird, auf welchen Flächen die anfallende Gülle untergebracht werden soll. Passen Tierzahl und vorhandene Fläche nicht zusammen, so muss künftig zwingend ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.

Das ist kein Grund, sich zu beklagen, meine Damen und Herren, sondern diesen Fortschritt im Sinne einer umweltverträglichen Landwirtschaft sollten wir alle hier miteinander begrüßen. Denn wenn wir eine Umorientierung wollen, dürfen wir Tierhaltung nicht isoliert von ihren Auswirkungen auf Boden, Wasser und Luft betrachten. Dazu dient diese Regelung.

Wir sind bei der Umsetzung dieser Richtlinie nicht die einzigen. Auch die anderen EU-Staaten setzen konform um. In einigen Fragen gehen auch andere Länder über das hinaus, was Minimumbeschreibung in der europäischen Richtlinie ist.

Damit sich der Aufwand für die Landwirte nicht erheblich vergrößert, sollen alle diese Fragen von den Landkreisen bearbeitet werden. Landkreise, kreisfreie Städte und große selbstständige Städte sind bisher schon für die Bauanträge beim Stallbau zuständig. Ihre neue Zuständigkeit nach dem Bundes- Immissionsschutzrecht wurde im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden geregelt. Sie wurde rasch geklärt, und zwar in einem vor allem für die betroffenen Landwirte praktischen Sinn.

Wenn es bei den Landkreisen, insbesondere denen in Gebieten mit intensiver Tierhaltung, eine große Zahl von Anträgen gibt, die zu bearbeiten sind, dann hat dies andere Gründe. Zum einen haben viele Landwirte vorsorglich Bauanträge gestellt, um etwaigen neuen Anforderungen zu entgehen, zum andern laufen in großem Umfang so genannte baurechtliche Nachbewilligungen von Ställen, die bisher überhaupt nicht genehmigt waren. Dies alles aber hat mit der tatsächlichen Umsetzung der UVP- und der IVU-Richtlinie wenig zu tun. Die Landkreise werden Aktivitäten entwickeln, um mit der Vielzahl der zu bearbeitenden Anträge umzugehen.

Auch die Behauptung der CDU, Anträge nach dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm könnten nicht bearbeitet werden, ist falsch.

Herr Minister Jüttner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehlen?

Nein, Frau Präsidentin! - Für Neubewilligungen standen bzw. stehen im Jahr 2001 im AFP rund 80 Millionen DM zur Verfügung. Dieser Betrag

liegt erheblich über dem langjährigen Durchschnitt. Die eingereichten Förderanträge werden kontinuierlich von den Landwirtschaftskammern bewilligt. Derzeit sind bereits mehr als 80 % des verfügbaren Mittelvolumens durch Bewilligungsbescheide gebunden.

Im Gegensatz zur Annahme der CDU-Fraktion kann ein Förderantrag nach dem AFP auch ohne Vorliegen einer Baugenehmigung bei den Bewilligungsstellen eingereicht werden.

(Zurufe von der CDU: Das ist falsch!)

- Das ist nicht falsch, das ist so. Wenn Sie Beispiele haben, die angeblich anderes belegen, können wir gern darüber reden. - Lediglich die Bewilligung selbst ist an die Vorlage der Baugenehmigung gebunden.

(Zurufe von der CDU)

Daher scheitert die Vergabe der für 2001 verfügbaren Fördermittel keineswegs an einer fehlenden Genehmigung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat wieder einmal auf dem falschen Bein „Hurra“ geschrien. Die Sache ist in Ordnung. Ich hoffe, Sie haben diese Nachhilfestunde für sich gut genutzt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist der Kollege Grote.

(Zurufe von der CDU: Sie schicken einen Minister, der keine Ahnung da- von hat! - Gegenruf von Plaue [SPD] - Weitere Zurufe - Glocke der Präsi- dentin)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inhaltlich habe ich der Stellungnahme des Ministers nichts hinzuzufügen.

(Fischer [CDU]: Gut! Setzen!)

Ich möchte nur auf die sehr moderate Stellungnahme des Landvolkverbandes hinweisen und kurz daraus zitieren: