Protokoll der Sitzung vom 26.10.2001

Meine Damen und Herren, es wird auch immer auf zivilrechtliche Regelungen verwiesen, mit denen man den Schaden über die Schadenersatzklage wieder gutmachen kann. Aber wir wissen auch, dass zivilrechtliche Regelungen der von mir eben genannten Funktion des Strafrechtes nicht entsprechen können - abgesehen davon, dass insbesondere Schadenersatzforderungen gegenüber Jugendlichen wenig bringen, weil diese oft vermögenslos sind.

(Minister Prof. Pfeiffer betritt den Plenarsaal)

- Lieber Herr Minister, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie jetzt da sind.

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Wir dürfen nichts unversucht lassen, um dem Beschmieren von Hauswänden, Eisenbahn- und Straßenbahnwaggons, von Autobahnbrücken usw. endlich Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, unser Antrag kann dazu einen Beitrag leisten. Von daher spricht nichts dagegen, diesen Antrag zunächst im Rechtsausschuss zu beraten, worauf ich mich sehr freue, und ihn anschließend so zu verabschieden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Bockmann, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frisch, frech, bunt - wir leisten unseren Beitrag. Das sind Etikettentexte von Spraydosen, die missverstanden werden wollen, und zwar von

Sprayern, die in der Bundesrepublik im Jahr Schäden in dreistelliger Millionenhöhe anrichten. Die Zahlen steigen deutlich: Sprayen auf Bussen, Autobahntafeln, Denkmälern ist kein Kavaliersdelikt. Das muss der Gesetzgeber deutlich machen.

(Beifall bei der SPD)

Sprayen ist aber auch eine so genannte modische Straftat, die in aller Regel zu einer strafrechtsrelevanten Substanzverletzung führt - allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler. Der Beweis dieser Substanzverletzung ist oftmals nur mit teuren Sachverständigengutachten möglich.

(Widerspruch von Schröder [GRÜ- NE])

Dieser Aufwand ist zu hoch. Zur Diskussion steht deshalb, ob die Sachbeschädigung dem Zeitgeist der Farbschmierereien angepasst werden soll. Hierzu gibt es aus niedersächsischer Sicht ein eindeutiges Ja. Das Land hat diese Haltung in den zuständigen Bundesgremien bereits deutlich gemacht. Es ist keine Frage, dass wir in der Intention, uns auf eine klare strafrechtliche Sanktion gegen Farbschmierereien zu verständigen, völlig übereinstimmen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, die Frage ist, ob die von Ihnen vorgeschlagene Wortwahl für den neuen Sachbeschädigungsparagrafen mit der Aufnahme des Wortes „verunstalten“ diesen von uns allen gewünschten Effekt erzielt.

(Plaue [SPD]: Jetzt sind wir schon bei der Bauordnung! - Schröder [GRÜ- NE]: Das steht da aber gar nicht drin! Falscher Text, Frau Kollegin!)

- Okay. Das ist der Berliner Text, dem Sie auf Bundesebene zugestimmt haben. - Wir bezweifeln - auch aufgrund des uns hier vorliegenden Wortlautes - die Klarheit dieses Begriffes. Wir meinen, dass das konkreter gefasst werden muss. Schon im Jahre 1999 zeigte sich bei der Diskussion im Bundestag, wie missverständlich diese Formulierung ist und wie sehr sie ins Uferlose führen kann. Die Union z. B. meinte, dass das bloße Beschmutzen nicht als Straftat behandelt werden dürfe, die FDP meinte genau das Gegenteil. Diese Formulierung kann auch zu übertriebenen Gesetzessanktionen führen. Schon ein mit Tesafilm angeklebtes Plakat kann verunstalten oder der anderen Formulierung entsprechen und bei Auslegung des § 303 missverstanden werden.

(Frau Vockert [CDU]: Wir haben doch die Formulierung gar nicht drin! Worauf berufen Sie sich denn jetzt?)

Aufgrund der möglichen Interpretationsfähigkeit könnten sich Missverständnisse ergeben. Deshalb sind wir uns zwar in der Intention einig

(Stratmann [CDU]: Sie reden jetzt zu einem ganz anderen Antrag, Frau Kollegin!)

- Herr Kollege Stratmann, lassen Sie mich doch einfach ausreden; ich habe Ihnen doch auch zugehört -, wir sind uns also zwar in der Intention einig - das ist doch schon mal etwas, Herr Kollege Stratmann -, wir möchten aber einen anderen Begriff, eine andere Formulierung einführen, und zwar folgende: „Wer eine fremde Sache zerstört oder beschädigt oder ihr Erscheinungsbild so verändert, dass es nicht ohne den Einsatz von Werkzeugen oder Reinigungsmitteln in den ursprünglichen Zustand versetzt werden kann....“

(Lachen bei der CDU)

Dann wäre klar, dass Kreidemalereien auf der Straße etc. nicht von dieser Formulierung erfasst werden. Der gesuchte Kick von Sprayern beim Wettlauf mit der Polizei hätte hier klar und deutlich handfeste Folgen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt ist Herr Kollege Schröder dran.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bockmann, die CDU-Fraktion hat leider eine Formulierung vorgeschlagen, die juristisch noch unklarer und nebulöser als das zumindest auslegungsfähige Wort „verunstalten“ ist, das Grundlage des Entwurfs der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewesen ist.

Das Verändern des Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers, Herr Kollege, umfasst nicht nur die schon genannten Fälle der Kreidemalerei, die unbeabsichtigte Verschmutzung oder auch den Umstand, dass jemand an meinem Gartenzaun gegen meinen Willen ein CDU

Wahlplakat befestigt. Auch das wäre nach dem Wortlaut Ihrer Fassung künftig unter Strafe gestellt. Ich glaube, das ist nicht notwendig.

Die Fassung, die von der Kollegin Bockmann vorgeschlagen ist, umfasst genau die Fälle, in denen 99,5 % der Gerichte sagen: Das ist eine Substanzverletzung, die als Sachbeschädigung schon heute strafbar ist.

Meine Damen und Herren, es ist lange her, dass ich ein Graffiti gesehen habe.

(Widerspruch)

Das ist schade; denn wirkliche Graffiti sind Kunstwerke. Denken Sie an den Sprayer von Zürich! Denken Sie an die Anfänge von Keith Harring oder an die Eastside-Gallery der Berliner Mauer.

Was ich aber sehe, meine Damen und Herren, sind tausende, wirklich abertausende so genannter Tags, mehr oder weniger kunstvoll gestaltete Namenssymbole, und die sind - da hat die CDU wirklich völlig Recht - ein wirkliches Ärgernis. Sie verunstalten unsere Städte, unsere Bahnen und Busse. Sie sind zunächst einmal in den USA als Gebietsmarkierungen miteinander rivalisierender Jugendgangs entstanden und sind als Teil einer spezifischen Jugendkultur zu uns gekommen.

Deswegen, meine Damen und Herren, macht es keinen Sinn - auch wenn es vielleicht gut gemeint ist -, diesen Jugendlichen legale Flächen zum Sprayen anzubieten. Denn gerade das Verbotene, das Riskante macht den Reiz der Tätigkeit aus, zu sprühen, ohne sich erwischen zu lassen, nachts durch die Stadt zu laufen, vielleicht noch Zäune, Mauern, Vordächer zu überwinden und dann loszulegen.

Deswegen ist es notwendig, diese Farbschmierereien konsequent mit den Mitteln des Jugendstrafrechts zu verfolgen, und zwar möglichst frühzeitig und nachhaltig, nicht nur im Interesse der betroffenen Eigentümer, sondern vor allem gerade auch im Interesse der betroffenen Jugendlichen selbst. Denn sie laufen Gefahr, zu Beginn ihres Berufslebens Schadensersatzforderungen in Höhe von tausenden oder vielen zehntausenden DM begleichen zu müssen; und die sind in der Regel 30 Jahre vollstreckbar, wie Sie wissen.

Ich bin mir also, meine Damen und Herren, mit der CDU in dem Punkt einig, dass es hier wirklich null

Toleranz geben darf, dass Prävention wichtig ist, dass die Information in den Schulen wichtig ist und dass auch der Täter/Opfer-Ausgleich eine wichtige Maßnahme ist, beispielsweise eine solche Farbschmiererei selbst entfernen zu müssen.

(Zuruf von Möllring [CDU])

- Was die CDU heute zu diesem Thema sagt, Herr Kollege Möllring, ist der erneute Versuch der bewussten Irreführung der Öffentlichkeit und des Parlaments. Ich kann wirklich jeden nur warnen, den Erzählungen meines Kollegen Stratmann Glauben zu schenken und zu meinen, dass es in diesem Bereich größere Strafbarkeitslücken gibt.

Herr Kollege Stratmann, ich habe mich mit Kollegen unterhalten, die in vielen Fällen verteidigt haben. Die haben mir gesagt: In keinem einzigen Fall ist die Verurteilung an der geltenden Rechtslage gescheitert. Es gibt überhaupt keine Vielzahl von Gutachten, wovon hier die Rede war. Das wird in der Regel vom Tatrichter beurteilt. Die Anforderungen an die Substanzverletzung sind denkbar gering. Was hier im SPD-Vorschlag genannt worden ist, dass man ein Werkzeug braucht, dass im Nachhinein durch die Beseitigung Lack oder Anstrich beschädigt wird, reicht nach der geltenden Rechtslage schon völlig aus, eine Bestrafung wegen Strafbarkeit vorzunehmen.

Den Kollegen, die mir da nicht glauben, rate ich: Herr Kollege Stratmann, probieren Sie es aus. Nehmen Sie sich eine Sprühdose, suchen Sie sich eine Hauswand, legen Sie los; und dann werden wir ja sehen. Ich habe keinen Zweifel, wie das Amtsgericht in Oldenburg entscheiden wird. Es wird Ihnen nicht einmal einen entschuldbaren Verbotsirrtum zubilligen, weil alle Welt, ausgenommen die CDU-Landtagsfraktion, weiß, dass das Bemalen fremder Wände verboten und strafbar ist. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Herr Kollege Stratmann, bitte schön!

Dass ich noch einmal erleben darf, dass ein Grünen-Redner mit uns gemeinsam null Toleranz fordert, finde ich bemerkenswert.

Ich stelle fest, meine Damen und Herren, dass das Ziel unseres Antrages zumindest von der SPD auch so geteilt wird. Da wir momentan beobachten, wie die Diskussion im Bereich innere Sicherheit und Strafrecht abläuft, habe ich mir schon gedacht, dass das so kommen würde, und habe mir dann die Frage gestellt: Wie kommt die SPD aus der Problematik heraus, einem CDU-Antrag zustimmen zu müssen?

Da blieben nicht viele Möglichkeiten. Eine Möglichkeit war, dass man sagen würde, dass der Begriff, um den die einschlägigen Paragrafen erweitert werden sollen, zu unbestimmt sei und man darüber streiten müsse. Weil wir das vorhergesehen haben, haben wir den Begriff gar nicht verwendet, der im Deutschen Bundestag immer eine Rolle gespielt hat.

Nun ist ausgerechnet die Kollegin Bockmann - es tut mir wirklich sehr Leid - in diese Falle getappt, hat die Protokolle des Bundestages nachgelesen und gar nicht gemerkt, dass wir von vornherein in unserem Antrag eine andere Begrifflichkeit ins Feld geführt haben.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU: Das ist peinlich!)

Mir beginnt diese Nachmittagssitzung noch richtig Spaß zu machen.

Ich nehme also zur Kenntnis: Wir sind uns einig in dem Ziel. Wir sind auch an diesem Punkt sehr kompromissbereit, weil es uns um die Sache geht. Ich gehe davon aus, dass wir im Hinblick auf den Begriff einen Kompromiss im Rechtsausschuss finden können und dass wir dann diesen geänderten Antrag in der nächsten Plenarsitzung verabschieden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Bockmann, Sie sind die nächste Rednerin.