Deswegen sollte eben nicht der Eindruck erweckt werden, wie wären ein ausländerfeindliches Land. Wir sind es nicht, sondern wir sind ausgesprochen ausländerfreundlich. Das weisen allein die Zahlen aus.
Wir haben im Übrigen auch keinen Mangel an Zuwanderung, überhaupt nicht. Aber wir haben einen erkennbaren Mangel an Integration. Die damit verbundenen Probleme können an vielen Orten und in zahlreichen Statistiken besichtigt werden. Deswegen ist nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr Integration die Herausforderung an die Politik.
Da will ich sehr deutlich sagen: Wer mehr Integration fordert, der muss auch mehr Integration fördern!
Es ist zwar gut, dass der Gesetzentwurf - wir wollen ja fair mit ihm umgehen - dieses Problem endlich aufgreift.
Aber er bleibt auf halber Strecke stehen. Zwar soll die Teilnahme an einem Integrationskurs grundsätzlich verpflichtend sein. Das ist gut. Aber wirksame Sanktionen wie z. B. beim holländischen Modell, das wir hier einmal vorgestellt haben, sind in diesem Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Und wenn es keinen Ansporn gibt, an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen, dann wird dieses Gesetz an diesem Anspruch scheitern.
Ein letzter Punkt: das Nachzugsalter. Das ist ja sehr kontrovers diskutiert worden. Heute können Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres einreisen. Genauer gesagt, sie können bis 16 Jahre wieder nach Deutschland zurückkommen. In diesem Alter sind jedoch die Integrationschancen dieser Kinder oft gravierend schlechter, als wenn ihre Erziehung und ihre Schulausbildung in Deutschland stattgefunden hätten. Das ist das eigentliche Problem bei der Frage, welches Zuzugsalter man am Ende bestimmt.
Richtig ist auch: Wenn man Zuzug von Kindern will, dann ist es insbesondere für sie viel vernünftiger, wenn man sagt, sie kommen mit sechs Jahren oder bis höchstens zehn Jahre, als wenn man es zulässt, dass sie erst mit 18 Jahren kommen, ohne deutsche Sprachkenntnisse, und man dann von ihnen verlangt, diese Sprachkenntnisse zu erwerben. Unter solchen Bedingungen ist die Erfolgschance insbesondere für die Betroffenen außerordentlich gering. Ich finde, darüber sollten wir unabhängig von der zahlenmäßigen Begrenzung sehr deutlich reden. Denn das ist ein Problem nicht nur für die deutsche Gesellschaft, sondern für die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst, und das sollte uns nicht egal sein.
Abschließend möchte ich sagen: So wie er vorliegt, wird dieser Gesetzentwurf keine Probleme lösen, sondern neue schaffen. Für eine derartige Politik können Sie weder mit der Unterstützung eines breiten Teils der Bevölkerung noch mit der Zu
stimmung der Union rechnen. Wenn Sie diese Zustimmung wollen, dann müssen wir ausführlich über diese und andere Punkte reden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Biallas, ich habe Ihnen bei vielen Dingen, die Sie hier gesagt haben, nicht folgen können und eigentlich auch nicht folgen wollen. Ich habe festgestellt, dass der Schutz der Familie für Sie vorwiegend für deutsche Familien gilt und dass er für ausländische Familien weniger wichtig ist.
Sie haben wiederholt festgestellt - das ist jedenfalls Ihre Meinung -, dass Deutschland keine Einwanderungsland sei. Nun gibt es inzwischen aber sogar aus der Union heraus schon Stimmen - Frau Süssmuth, Herr Müller -, die sagen: Selbstverständlich ist Deutschland ein Einwanderungsland. Die Zahlen haben Sie in Ihrem Antrag ja selbst genannt, wobei Sie sie natürlich auch wieder falsch zitiert haben. In den 70er-Jahren waren Menschen hier, die nur hier gearbeitet haben. Inzwischen sind die Familien nachgezogen.
Wer solche Anträge wie Ihren zweiten stellt, der verabschiedet sich aus jeder ehrlichen Diskussion über Ausländerpolitik. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, als Sie diesen Antrag gestellt haben? Soll ich es Ihnen sagen? - An Wahlkampf haben Sie gedacht! Ängste wollen Sie schüren, Unsicherheiten wecken und sie für Ihre Zwecke ausnutzen!
Wissen Sie wirklich nicht, dass sich die größten Probleme dieses Landes in den sozialen Brennpunkten ballen? Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass die Jugendkriminalität umso höher ist, je mehr Gewalt in der Familie herrscht, aus der die jungen Männer kommen? Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass es immer noch Millionen von jungen Menschen ausländischer Herkunft gibt, die nicht ausreichend gut Deutsch sprechen, die keinen Schulabschluss haben und keine Ausbildung absolvieren können?
(Fischer [CDU]: Das heißt doch, dass wir mehr Integration haben müssen! Das hat Herr Biallas doch gesagt!)
Kennen Sie die Ergebnisse der PISA-Studie nicht? Wissen Sie nicht, dass etwa 20 % der 15-jährigen Schüler schwache und schwächste Leser und von diesen wiederum ein enormer Anteil Kinder von Spätaussiedlern, Flüchtlingen und Asylbewerbern sind?
(Rolfes [CDU]: Ein Grund, für Inte- gration mehr zu tun! Das hat er doch gesagt! Wohl gestern schon aufge- schrieben!)
Erkennen Sie den sozialen Sprengstoff nicht, der sich hier angesammelt hat und immer mehr ansammelt?
Sie haben doch statistische Angaben gemacht, die die mangelnde Integration belegen. Und dann wollen Sie uns hier dazu bringen, einem Gesetzentwurf zu widersprechen, der die Integration anstrebt?
Sie können uns doch nicht erzählen, dass Ihnen das alles egal ist! - Nein, Sie schüren Angst vor der angeblich massiven Ausweitung des Asylrechts auf europäischer Ebene. Dabei wissen Sie, dass dieses Thema bei Otto Schily und Heiner Bartling in den besten Händen ist.
Mit dem anderen Antrag, den ich schon angesprochen habe, machen Sie Wahlkampf auf dem Rücken der Schwächeren in dieser Gesellschaft und damit wirklich auf dem Rücken der Gesellschaft. Sie haben keinen vernünftigen Vorschlag gemacht, wie die Integration der schon hier lebenden Ausländerfamilien zu bewerkstelligen wäre - denn darum geht es auch: Es geht nicht nur um die, die zuziehen, sondern auch um die, die schon hier sind. Sie gehen mit keinem einzigen Wort auf die notwendige Integration der Migranten ein.
- Dann lesen Sie doch mal bitte Ihren Antrag durch! Dann stellen Sie fest, dass dort von den Kosten die Rede ist.
(Biallas [CDU]: Sie haben gesagt, ich rede von den Kosten. Davon habe ich nicht geredet! – Weitere Zurufe)
- Herr Präsident, vielleicht können die Herrschaften ein bisschen ruhiger sein. Dann kann ich weiterreden.
Meine Damen und Herren, diese lauten Zwischenrufe und die Unterhaltungen quer über die Bänke sind wirklich inakzeptabel. - Bitte, Herr Kollege, fahren Sie fort!
Bei der riesigen Aufgabe, die Integration zu bewerkstelligen, hat - das gestehe ich ja zu, aber das sollten Sie der Ehrlichkeit halber auch zugestehen die gesamte Bundesrepublik versagt, jedes einzelne Bundesland. Diese riesige Aufgabe der Integration derjenigen, die schon bei uns leben - Flüchtlinge, Asylbewerber und im Übrigen auch Spätaussiedler -, liegt noch vor uns. Sie wissen das, denn Sie
kennen ja die Ergebnisse der Müller- und der Süssmuth-Kommission. Sie stellen sich mit ihren Nein zum Zuwanderungsgesetz ein Armutszeugnis aus, wie es die HAZ am Montag in einem Kommentar auch richtig festgestellt hat.
Der Zuwanderungsgesetzentwurf der Bundesregierung soll neben der Regelung und Begrenzung des Zuzugs die Integration der Migranten zur Aufgabe machen. Sie haben den Gesetzentwurf zwar gelesen, aber ich glaube, Sie haben ihn missverstehen wollen. Deswegen lese ich noch einmal vor, was in § 43 vorgesehen ist.
„(1) Die Eingliederung (Integration) von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert.“
„(2) Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrations- kurs) unterstützt. Der Integrationskurs umfasst Angebote, die Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet soweit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.“