Aber das Gegenteil scheint doch der Fall zu sein. Es kann passieren, was will, es kann Untersuchungen geben, es kann Studien geben, es kann akribisch wissenschaftlich ausgeführte Vergleiche geben, aber das interessiert die CDU in diesem unserem Lande überhaupt nicht, sie setzt ihr dreigliedriges Schulsystem hin und sagt: Das ist die Antwort auf alle Fragen.
Die schulpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Litfin, ist im Auftrag ihrer Fraktion nicht viel besser. Sie sagt: Wir Grünen sind für die sechsjährige Grundschule. Das ist die Antwort, die wir haben. Alles andere ist nicht mehr interessant. - Dies ist aber doch keine Diskussion, sondern das ist borniertes Festhalten an alten Positionen und nichts anderes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schulpolitik braucht mehr. Sie braucht mehr als Strukturveränderung - gar keine Frage -, sie braucht eine intensive Diskussion auch um die Inhalte, die in Schule stattfinden. Und dieser Diskussion und den vielen kreativen Meinungen dazu werden wir als Partei uns stellen. Das, Frau Kollegin Harms, ist die Lehre, die Sie aus dem, was Baumert z. B. in der Zeitung geschrieben hat, ziehen sollen, also nicht schnelle Antworten, nicht das Festhalten an alten Positionen, sondern bereit zu sein, auch quer zu denken. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir tun, egal, ob das Herrn Wallbaum passt oder nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte es eigentlich nicht gedacht, aber die Schulpolitik erlebt heute Morgen einen erneuten Tiefpunkt.
Der Ministerpräsident spielt jetzt Hase und Igel in einer Person: Er haut eine Ideenskizze raus, und
gleich kommen die Dementis hinterher. - Das kriegt man schon fast nicht mehr eingefangen. Man weiß gar nicht mehr, was dabei noch Ordnung ist und wo das Chaos beginnt.
Herr Plaue, zwei Jahre haben wir über das Thema debattiert, über zwei Jahre gab es Gutachten, und, und, und. Aber nun fangen Sie mit einer neuen Diskussionsrunde an. In zwei Wochen ist doch Ihr Parteitag, und dort sollen doch Fakten geschaffen werden. Eine Woche später wollen Sie eine Schulgesetznovelle vorlegen. Was wollen Sie denn machen?
Gegen das, was sich Herr Gabriel in diesen Tagen in der Schulpolitik leistet, war Napoleons Rückzug bei Waterloo wirklich eine geordnete Veranstaltung.
Ich habe mich heute Morgen bei älteren Abgeordneten zu dem Umgang bei diesem Thema erkundigt. Bei aller Gegensätzlichkeit von Meinungen hat es ein solches Verhalten wie das des Ministerpräsidenten bei der Schulpolitik in der Geschichte des Landes noch nicht erlebt, dass er nämlich wirklich alles durcheinander bringt.
Erkundigen Sie sich einmal an den Schulen, Frau Ministerin, und sagen Sie ihm einmal, was alles er durcheinander bringt, wie groß die Unsicherheit ist und wie groß auch die Unzufriedenheit ist.
Nein. - Man muss sich doch einige Punkte noch einmal vor Augen führen. Vor kurzem wurde entdeckt - Ostsee-Papier-: Einschulung von Fünfjährigen. Ein paar Tage später merkten Sie, dass es Geld kostet, dass niemand so vorgehen will und dass es im Grunde nicht vernünftig und nicht umsetzbar ist. Dann heißt es: Was wir haben, ist doch ein vernünftiges Modell. Warum eine Veränderung herbeiführen?
Dann kommt er auf den nächsten Bolzen, die leistungsorientierte Besoldung. Seit 1998 haben wir Geld für Leistungsprämien und solche Dinge er
wirtschaftet. Warum wird das Geld aus dem Etat nicht den Lehrern zugeführt, sondern für andere Zwecke ausgegeben? Aber man kann es ja mal versuchen.
Der nächste Punkt: Der Ausländeranteil an den Grundschulen soll auf 25 % gesenkt werden. Dann stellt er fest, dass wir in Hannover Standorte mit einem Ausländeranteil von 75 % haben und dass das gar nicht funktioniert.
Dann kommt der nächste Bolzen: Fortbildung für Lehrkräfte. Plötzlich wird entdeckt, in diesem Bereich müsse mehr gemacht werden. Herr Gabriel war doch als Ministerpräsident und Fraktionschef dabei, als in den letzten acht Jahren die Beträge von 7 Millionen DM auf 3 Millionen DM gesenkt wurden. Wir haben es einmal ausgerechnet: Für die Fortbildung eines Lehrers sind noch 26 DM pro Jahr übrig. Ich glaube, so viel kostet eine Nacht in der Jugendherberge.
Das, was heute Morgen in der Zeitung stand, schenken wir uns, da es alles wieder dementiert wurde. Ich weiß gar nicht, wie die Journalisten immer auf so etwas kommen. Aber gut, es ist alles dementiert.
Man fragt sich wirklich: Warum macht er das? Man müsste einmal ein Psychogramm erstellen lassen. Ist das Panik, oder haben Sie ein Persönlichkeitsproblem, sodass Sie ständig eine neue Sau durchs Dorf treiben?
Oder wird hier vielleicht auf Volksverdummung gesetzt? Immer ein neues Thema, und schon merken die Bürger nicht, was wirklich los ist. - Sie werden mit den großen Problemen offenbar nicht richtig fertig: Die Unterrichtsversorgung ist gegen die Wand gefahren, Lehrernachwuchs ist nicht vorhanden, und dann das Schulstrukturthema. In Bezug auf das Schulstrukturthema bieten Sie etwas an, worüber Sie mit Ihrer eigenen Klientel offenbar nicht im Reinen sind, was nicht umsetzbar ist und was nicht durchdacht ist.
Dann sage ich noch einmal in Richtung verschiedener Kollegen auf Ihrer Seite Folgendes. Herr Meinhold, wir hören ja nun, dass die Rahmenrichtlinien in der Orientierungsstufe auch für die Förderstufe gelten sollen. Wir haben es also gar nicht mit der Abschaffung der Orientierungsstufe zu tun, wie Herr Gabriel es offenbar will, sondern es bleibt eigentlich alles beim Alten.
Sie gucken mich so an. Haben Sie Ihre Anträge für den Parteitag schon fertig? Ich mache mir wieder einmal Sorgen um Sie.
Dann wird von dem Elternwillen gesprochen. Es ist klar, dass Sie z. B. in Bezug auf die Förderstufe am Gymnasium mit den Schülermengen gar nicht fertig werden. Es ist von Kapazitätsverordnungen, von Schuleinzugsbereichen usw. die Rede. Wo bleibt denn da noch der Elternwille?
Ich halte es für eine ganz bedenkliche Angelegenheit - offenbar hängen Sie doch Gesamtschulmodellen an -, dass Sie bis zu 600 selbständige Hauptschul- und Realschulstandorte im Flächenland Niedersachsen gefährden. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Lassen Sie bitte von solchen Vorhaben die Finger. Das würde Ihnen nicht gut bekommen.
Sigmar Gabriel scheint keine Ahnung von der Materie zu haben. Was Sie in diesem Bereich anrichten, sollten Sie einmal im eigenen Kreis diskutieren.
Beispielsweise wird ein Abitur nach zwölf Jahren versprochen. Die Profilklassen sollen aber erst mit Klasse 7 beginnen und bei Klassenstufe 12 schon wieder aufhören. Das funktioniert hinten und vorne nicht; ich will es gar nicht vertiefen. Ein Mischmasch-Modell und Murks steht uns also ins Haus.
Das wird wahrscheinlich auch Ihr Parteitag nicht anders beordnen. Mir ist schon bange vor dem Gesetzentwurf, der uns dazu auf den Tisch gelegt wird.
Ich habe den Eindruck, dass Sie die Schulstrukturreform und die anderen Dinge nicht richtig hinbekommen. Sie suchen nach einem richtigen Weg. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir werden „Sigmar Potter ohne Stein der Weisen“ erleben. So wird es enden, meine Damen und Herren.