Frau Jürgens-Pieper ist vor vier Jahren von uns gedrängt worden, beispielsweise bei der Frage des Einschulungsalters zu flexibleren Regelungen zu kommen. Wir sind dann zu dem Beschluss gelangt, die Einschulung Fünfjähriger zu ermöglichen, wenn sie die entsprechende Schulreife vorweisen. Dann kommt der Ministerpräsident mit einer generellen Forderung nach Einschulung mit fünf Jahren und muss sie wenige Tage später korrigieren. Alles an der Ministerin, dem Ministerium und jedem Sach- und Fachverstand vorbei - das ist das eigentlich Unerträgliche in diesem Land, dass einer meint, er wüsste alles besser und hat von Tuten und Blasen keine Ahnung! Das ist die Lage der Schulpolitik!
Da wird heute die Kürzung des Kindergeldes zugunsten des Laptops gefordert. Da wird morgen gesagt, dass die Lernmittelhilfe abgeschafft und dafür Notebooks beschafft werden müssten. Da
wird gesagt, dass bei Ausländerkindern Veränderungen erfolgen müssten, obwohl wir derzeit ganz andere Regelungen praktizieren. Dann wird das wieder korrigiert und eingeschränkt. Ich meine, Herr Ministerpräsident, dass eine Landesregierung keine Selbsterfahrungsgruppe spielen kann. Die muss ein Land regieren, und zwar vernünftig und in die richtige Richtung!
Wir jedenfalls lehnen diese Art und Weise, ständig mit irgendwelchen unausgegorenen Ideen die Betroffenen, die Beteiligten an Schule - das ist ein sensibler Bereich, der sensibelste Bereich in unserem Lande - zu überfahren und zu überraschen, ab. Wir erwarten von Ihnen die Rückkehr zur Seriosität. Dann können Sie auch wieder mit uns reden!
Herr Busemann, jetzt sind wir doch in der Sache. Jetzt macht es ein bisschen mehr Spaß als vorhin bei der Auseinandersetzung um die Frage, was welcher Journalist schreibt.
Herr Busemann und Herr Wulff, ich kann es ja verstehen, dass Sie an dieser Stelle eine Chance sehen. Ich würde sie an Ihrer Stelle auch nutzen. Ich sage das in aller Offenheit: Natürlich ist es für eine Regierung nicht besonders schön, wenn drei Monate lang in der Öffentlichkeit immer wieder verschiedene Einzelheiten des Gesamtkonzepts kritisch diskutiert werden, und dies aus der eigenen Partei. Das ist so. Das kann man nur dadurch vermeiden - damit haben Sie viel Erfahrung -, dass Sie zu dem Thema nichts aufschreiben und nichts denken. Dann geht das.
(Beifall bei der SPD – Busemann [CDU]: Wir haben viel Freude mit Ih- nen! - Weitere Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)
Ich bin also darüber zwar nicht glücklich, wie sich die SPD in dieser Zeit öffentlich zu diesem Thema verhält. Sie sehen daran aber auch, dass wir eine ganz offene Debatte haben.
(Oh! bei der CDU – Möllring [CDU]: Adam geht schon! Die ersten gehen schon raus! – Weitere Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN - Unru- he - Glocke des Präsidenten)
Das weiß jeder hier im Parlament, der versucht hat, sich mit der eigenen Partei auseinander zu setzen. Dass man sich das anders vorstellt, wenn man Regierungschef ist und dann die Vorschläge kritisch debattiert werden, ist doch völlig klar. Aber das eine sage ich Ihnen: Das ist mir alle Mal lieber, Herr Wulff, als die Ödnis und die Betonfraktion in Ihrem Laden.
Aber es stimmt auch nicht, dass CDU und Grüne gar keinen Vorschlag gemacht haben. Die Grünen haben einen Vorschlag gemacht, und die CDUFraktion auch. Wir wollen, Frau Harms, kein Moratorium. Wir wollen, dass bei der Landtagswahl auch über Ihren Vorschlag und über den der CDU abgestimmt wird. Ihr Vorschlag, Frau Harms, würde bewirken, dass in Weser-Ems 50 % der Grundschulen geschlossen werden müssten. Das ist Ihr Vorschlag zu dem Thema: die sechsjährige Grundschule. Das ist mit der SPD nicht zu machen! Wir wollen die Grundschulen erhalten.
Sie schleifen die Grundschulen im Lande, damit Sie Ihre Position gegenüber dem vermuteten Klientel durchsetzen können. Das machen wir im Interesse der Kinder und der Eltern nicht mit.
Die CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, hat auch eine klare Position. Sie zieht aus PISA - eine internationale Vergleichsstudie über das gesamte deutsche Schulwesen - den Vorschlag, alles so zu machen wie die Bayern, nämlich nach der Klasse 4 wieder zu sortieren, und nimmt übrigens nicht zur Kenntnis, dass es in Bayern eine Debatte über eine umfassende Schul- und Bildungsreform gibt, bei der Ihre Freunde aus der CSU nicht viel andere
Probleme mit der innerparteilichen Debatte haben als in anderen Teilen Deutschlands. Wir wollen den Weg der CDU-Fraktion mit dem Sortieren nach der Klasse 4 nicht mitgehen. Daran wird sich auch nichts ändern.
Wie man aus PISA die Lehre ziehen kann, dass in Süddeutschland alles in Ordnung sei – insbesondere in Bayern -, haben Sie unserem geschätzten Publikum bisher auch noch nicht erklären können.
Erstens. Wir werden die Verlässlichkeit - das ist ein Punkt, über den der gesamte Landtag entscheiden muss - im Unterricht auch nach der Grundschule fortsetzen. Sie sind es, die bis heute im Lande gegen die Verlässliche Grundschule polemisieren. Sie sind diejenigen, die das tun!
Frau Harms, gemeinsam mit der GEW und gemeinsam mit einer Reihe von Lehrern haben die Grünen die Verlässliche Grundschule in Niedersachsen abgelehnt. Wir haben dem Elternwillen zum Durchbruch verholfen, nicht Ihren Vorstellungen. Auch da sind wir anderer Meinung.
Drittens. Wir brauchen mehr Gymnasialangebote in der Fläche. Da ist, Herr Busemann, Ihr Problem zu Hause; das kenne ich. Sie haben ja Mühe,
Ihren Landräten und Ihren Gemeindepolitikern zu erklären, warum Sie eigentlich dagegen sind, dass endlich die Kinder in den ländlichen Regionen die gleichen Chancen haben sollen.
Es kann doch nicht sein, dass die Region, aus der so kluge Menschen kommen wie Sie, Herr Busemann, nur die Hälfte der Abiturquote hat wie die Großstädte. Sie müssen doch als engagierter Vertreter sagen: Da haben wir in den CDU
(Beifall bei der SPD – Busemann [CDU]: Das ist absolut falsch! Sie ha- ben nicht die richtigen Zahlen! – Weitere Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)
Sie werden erleben, wie Ihnen Ihre Gemeinderäte und Kreistage davonlaufen, wenn Sie die Chance haben, Gymnasialangebote zu bekommen.
Viertens. Wir wollen, Herr Busemann, die Hauptschulen und Realschulen bei zurückgehenden Schülerzahlen dadurch retten, dass wir die Kooperation ermöglichen. Sonst verlieren wir bei zurückgehenden Schülerzahlen Hauptschul- und Realschulstandorte vor Ort.
Fünftens. Wir wollen die Förderung in den Klassen 5 und 6 in den Vordergrund stellen und nicht die Orientierung auf Schulformen. Es geht doch in den Klassen 5 und 6 nicht darum, wohin man orientiert. Es geht vielmehr darum, dass wir die Leistungsstarken und die Leistungsschwachen besser fördern. Deshalb wird es verlässlichen Unterricht von 8 bis 13 Uhr und einen um 50 % höheren Förderanteil geben.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Quatsch! - Möllring [CDU]: Das waren aber lange fünf Minuten!)
- Ich bitte um Entschuldigung. Wenn das ohne Zettel geschehen ist, habe ich es nicht mitbekommen. Bitte, Frau Harms!