Meine Damen und Herren, es ist nicht erkennbar, welches Konzept diese Opposition im Bund umsetzen will, und es ist überhaupt nicht zu erkennen, wie das, was man dort verspricht, umgesetzt werden soll. Hinzu kommt, dass Herr Glos nun wohl erkannt hat, dass das gar nicht zu finanzieren ist, und heute in der Presse zu lesen ist, dass er dann doch sagt „Stoiber, lass‘ lieber mit diesen Forderungen nach; wir können es möglicherweise nicht bezahlen“. Das Chaos könnte nicht größer sein! Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser Aktuellen Stunde haben Sie uns eine große Freude gemacht - auch wenn ich nur fünf Minuten Redezeit habe -, weil das Gelegenheit gibt, hier einige Dinge festzuhalten. Im Übrigen freut uns natürlich Ihr gestiegenes Interesse an der Politik der nächsten Bundesregierung ab Herbst dieses Jahres.
Ich bin nachhaltig dafür, dass wir sowohl im Interesse kommender Generationen als auch im Interesse zukünftiger Handlungsspielräume von immer neuen Schulden herunter müssen. Es ist kein Zufall, dass in den Ländern im Bereich der neuen Bundesländer, in denen die CDU seit 1990 durchgängig regiert hat, die geringste Verschuldung ist - Sachsen und Thüringen -, dass wir im Westen in den Ländern, in denen wir regieren, die geringste Verschuldung haben und dass wir bei der Verschuldung auch im Vergleich zum Bund eine ganz besondere Auffälligkeit haben: Als 1998 die Regierung unsererseits abgewählt worden ist - worauf Sie ja verschiedentlich hingewiesen haben -, hatten wir ein gesamtstaatliches Defizit in Deutschland von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts, im letzten Jahr hatten wir ein Defizit von 2,5 %, und in diesem Jahr haben wir ein Defizit von 2,7 % zu erwarten. Das heißt, die Bundesrepublik Deutschland, Herr Möhrmann, schrappt als einziges Land in Europa an den magischen 3,0 %, der strengen Maastricht-Grenze beim Euro, die wir selbst so streng durchgesetzt haben - wobei wir aber niemals daran geglaubt haben, dass unter einer rot-grünen Bundesregierung wir jetzt diejenigen sind, die im Schlafwagen Europas hinten im letzten Waggon sitzen und als Erste in Gefahr sind, abgekoppelt zu werden und die Kriterien nicht einzuhalten.
Das Interessante ist, dass das vorletzte Land in Europa vor Deutschland, nämlich Italien, eine Gesamtverschuldung von 1,3 % hat, d. h. eine halb so hohe Quote. Das ist ein wirkliches Desaster. Denn Sie haben dieses Ergebnis auf Bund-, Länder- und kommunaler Ebene erreicht, obwohl Sie 100 Milliarden DM UMTS-Lizenzerlöse hatten. Das sind 100 000 Millionen DM, die Sie gesondert eingenommen haben. Sie haben die Schuldentilgung beim Fonds „Deutsche Einheit“ gestreckt, und Sie haben eine Sonderkonjunktur 1999/2000 nicht genutzt, sondern letztlich ständig die Steuern erhöht - die Tabaksteuer, die Versicherungsteuer, die Ökosteuer -, Sie haben die Stromsteuer neu eingeführt usw.
Herr Plaue, dann bin ich exakt auf dem Kurs, den Hans Eichel vorgegeben hat. Denn er hat gesagt, er wolle 2006 eine Nettoneuverschuldung von null haben.
Ich glaube daran, Herr Plaue, dass es ein Irrtum ist zu meinen, in schlechten Zeiten müsse man Schulden machen, um sie in besseren Zeiten zurückzuzahlen. Die Erfahrung zeigt: Politiker zahlen angesichts ständig stattfindender Wahlen Schulden gerade nicht zurück. Eher legt sich mein Hund zu Hause einen Wurstvorrat an, als dass irgendwelche Politiker Schulden zurückzahlen würden, wenn Wahlen stattfinden. Das ist die Erfahrung.
(Plaue [SPD]: Sie sollen einmal sa- gen, ob Sie für oder gegen neue Schulden sind, für Stoiber oder für Ih- re alte Position!)
Ich bin der Meinung, dass wir über zwei Dinge in Deutschland sehr ernsthaft einen Konsens erzielen müssen, nämlich dass wir als Erstes bei der Steuerreform, die wir in Schritten vorziehen werden, die Geringverdiener entlasten müssen.
Alle Fachleute zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sagen uns, dass wir durch die Entlastung von Geringverdienern bei Steuern und Abgaben einen gewaltigen Beschäftigungseffekt schaffen. Dann würden wir Arbeit finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit. Dann lohnt es sich für alle.
Dann zahlen diejenigen, die in Beschäftigung gekommen sind, Steuern und Sozialabgaben. Der Staat verzichtet auf weniger, als wenn er Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe zahlt, und die Wirtschaft hat Mitarbeiter in Beschäftigungsverhältnissen, die
sie derzeit wegrationalisiert hat. Das sagen uns alle Fachleute als das Geheimrezept der Dänen, der Holländer und anderer Länder. Die haben hier in diesem Bereich erhebliche Beschäftigungseffekte geschaffen. Es ist ein großer, verhängnisvoller Irrtum der Neid-Politiker, dass hohe Steuersätze hohe Einnahmen erbringen und niedrige Steuersätze geringe Einnahmen erbringen.
Das ist ein großer Irrtum, sondern ein gerechtes, faires Steuersystem schafft Wachstum und Beschäftigung.
Ich möchte auch gerne ergründen, weshalb Sie ständig durch Zwischenrufe stören. Das hat einen sehr einfachen Grund. Der einfache Grund, warum Sie diese Fragen volkswirtschaftlicher Zusammenhänge nicht ertragen können, ist der, dass Sie ins Mark getroffen sind. Sie haben uns 1998 Ihren Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine als den Heilsbringer der Bundesrepublik Deutschland präsentiert und gesagt: Wenn der Verantwortung bekommt, dann sinkt die Arbeitslosigkeit, dann sinken die Schulden, dann wird alles besser - nicht alles anders, aber vieles besser. - Heute haben Sie aber ein Desaster zu verzeichnen: Rezession, Stagnation, Inflation, Arbeitslosigkeit, geringere Realeinkommen. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, dann soll man den Kopf nicht hängen lassen.
(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Nehmen Sie die Fakten doch zur Kenntnis! Ich akzeptiere natürlich, dass Sie sagen: Mensch, der Wulff kommt von der Opposition, der wird nicht unsere Interessen vertreten. - Deswegen zitie- re ich jetzt Ihren uns so gepriesenen Heilsbringer Oskar Lafontaine aus den letzten Tagen. Oskar Lafontaine hat gesagt: „Wie nach dem Lehrbuch würgen der Kanzler und Eichel die Konjunktur ab. Wir sind beim Wachstum durch eigenes Verschulden Schlussschlicht in Europa, und die Arbeitslosigkeit steigt weiter. ‚Allein äußere Einflüs- se‘, sagt der Kanzler. Dieser Einwand widerlegt sich von selbst, weil die na- tionalen Ökonomien derselben Welt- wirtschaft unterliegen. Dass wir in Europa die rote Laterne haben, ist das Ergebnis einer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik.“ Wer so im Glashaus sitzt, der soll nicht mit Steinen werfen, der sollte nicht eine solche Aktuelle Stun- de anmelden, sondern der sollte etwas tun, damit er nicht absäuft, sondern endlich in Bewegung kommt, damit in Deutschland wieder Wachstum kommt! Das ist das, was wir wollen. (Lebhafter Beifall bei der CDU)
Ich kann keine Zwischenfrage gestatten, weil ich ohnehin nur fünf Minuten Redezeit habe. Sonst würde ich das gerne tun. Wir können aber morgen früh über Arbeitslosigkeit diskutieren. Aber dann wird der Ministerpräsident ebenso wenig im Plenarsaal sein wie jetzt, weil ihn die Probleme des Landes nicht interessieren, sondern nur die schnelle Schlagzeile. Das ist der Skandal, den wir uns hier leisten!
Ich sage Ihnen noch eines: Ich erwarte, dass dieser Ministerpräsident und dieser Finanzminister des Landes Niedersachsen endlich einmal merken, dass denen in Berlin die Augen aufzugehen haben. Sie haben Heribert Zitzelsberger in die Bundesregierung geholt und zum Staatssekretär gemacht.
- Oskar Lafontaine hat ihn geholt bzw. wollte ihn holen. Da ist er aber noch nicht gekommen, sondern erst, als Lafontaine gegangen ist, hat Eichel ihn zum Staatssekretär gemacht. Wir wollen präzise bleiben! - Dieser Herr Zitzelsberger war lange Jahre Leiter der Steuerabteilung der Bayer AG in Leverkusen. Direkt, als er Staatssekretär wurde, hat er eine Unternehmenssteuerreform gemacht, die dazu geführt hat, dass allein in den letzten zwei
Wochen der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen diesem Unternehmen eine Steuerrückerstattung von 500 bis 600 Millionen Euro zu überbringen hatte.
Solche Geschenke machen Ihre Leute, die Sie aus bestimmten Unternehmen holen, weil Sie von Steuerpolitik keine Ahnung haben!
(Beifall bei der CDU - Möhrmann [SPD]: Das hätte Herr Waigel auch tun müssen! Das wissen Sie ganz ge- nau!)
Da Sie von Steuerpolitik keine Ahnung haben und meinen, Sie müssten die Unternehmen entlasten - Frau Knorre setzt sich ja auch dafür ein - und nicht die Unternehmer, weil Sie meinen, das eine sei gut und das andere sei schlecht, schaffen Sie keine Arbeit in Deutschland. Wenn einer Arbeitsplätze schafft, dann ist es der Mittelstand, dann sind es Handwerker, Selbständige, Freiberufler und nicht die Großkonzerne!
Die Großkonzerne wie die Bayer AG in Leverkusen verkaufen Haarmann & Reimer in Holzminden, und keiner von der Landesregierung hilft den Menschen dort, die auf diese Arbeitsplätze dringend angewiesen sind!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff hat begrüßt, dass wir dieses Thema zu einem Thema der Aktuellen Stunde gemacht haben, und sich blamiert, wie man sich besser nicht blamieren kann.
Er hat seine neuen Erkenntnisse abgeleitet durch das neue Bündnis Wulff/Lafontaine. Er hat aber versäumt, die Zusammenarbeit mit Herrn Stoiber zu beschreiben. Diese interessiert uns, denn wir wollen wissen, welche Gemeinsamkeiten es gibt. Herr Wulff, Sie müssen deutlich erklären, wer Recht hat: Sie mit der Aussage, bis 2005 gibt es keine neuen Schulden, oder Herr Stoiber, Frau Merkel, Herr Meyer und die ganze Liste, die ich aufzählen könnte, die sagen, wir wollen die Steuerreform vorziehen und gleichzeitig neue Schulden machen.
Diese kleine Rechnung hätten sie präsentieren können. Dann hätten Sie gemerkt, dass das Vorziehen der Steuerreform im Saldo die öffentlichen Haushalte wesentlich mehr kostet, als Stoiber über seine knapp 10 Milliarden DM wieder heranholen will. Dieses war der erste Widerspruch.