Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Moment, Herr Kollege Schwarzenholz. - Meine Damen und Herren, ob jemand einer großen oder kleinen Fraktion angehört oder hier als einzelner Abgeordneter redet - er hat in jedem Fall Anspruch darauf, dass ihm die Kolleginnen und Kollegen zuhören. Wer das nicht möchte, möge bitte den Plenarsaal verlassen. Dieser Geräuschpegel ist einfach unfair und unakzeptabel. Wenn es sich nicht ändert, dann räume ich den Saal, und wir stimmen erst nach der Mittagspause über den Gesetzentwurf ab. Die Geschäftsordnung haben Sie beschlossen, nicht ich allein.

Bitte schön!

Vielen Dank für die Unterstützung. Das wollte ich nicht auslösen.

Ich möchte noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie appellieren: Lassen Sie uns diese gemeinschaftlichen Grundlagen, die es aus der Gewerkschaftsbewegung heraus gibt, bei allem Respekt vor dem, was auch an Veränderungsprozessen notwendig ist, nicht einfach stufenweise durch die Hintertür unter den Tisch kehren.

(Biallas [CDU] meldet sich zu Wort)

Herr Kollege Biallas, auf der Kanzel gibt es keine Redezeitbeschränkung, obwohl ich es mir manchmal wünschen würde.

(Biallas [CDU]: Doch, man darf dort über alles reden, nur nicht über 20 Minuten!)

Aber hier im Niedersächsischen Landtag gibt es eine Redezeitbeschränkung. Ihre Redezeit ist überschritten. Deshalb erhalten Sie auch nicht mehr das Wort.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Einberatung dieses Gesetzentwurfs.

Ich rufe auf:

Artikel 1 - Unverändert.

Artikel 2 - Unverändert.

Gesetzesüberschrift - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer in der Schlussabstimmung dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz angenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktionen sind wegen der vielfach überzogenen Redezeiten übereingekommen, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Die Mittagspause endet um 14.30 Uhr. Ich wünsche Ihnen guten Appetit und unterbreche die Sitzung.

Unterbrechung: 12.48 Uhr.

Wiederbeginn: 14.32 Uhr.

Meine Damen und Herren! Nach der Mittagspause setzen wir unsere Beratungen fort mit

Tagesordnungspunkt 4: Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes (NAbfG) Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1326 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umweltfragen - Drs. 14/3009

Dieser Entwurf wurde in der 41. Sitzung am 26. Januar 2000 an den Ausschuss für Umweltfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Berichterstatterin ist Frau Kollegin Ortgies, der ich das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 3009 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für Umweltfragen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Diese Empfehlung ist mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und der CDU gegen die Stimme des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ergangen. Das entspricht auch dem Votum der mitberatenden Ausschüsse für innere Verwaltung sowie für Häfen und Schifffahrt. Den weiteren Bericht gebe ich zu Protokoll. - Danke schön.

(Zu Protokoll:)

Der Gesetzentwurf hat in seinem wesentlichen Kern das Ziel, den Abfallbehörden und den Polizeibehörden eine besondere Rechtsgrundlage für verdachtsunabhängige Straßenkontrollen zu verschaffen, die speziell auf den Abfallbereich ausgerichtet sein sollen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Auffassung, dass die bisherigen Befugnisse der Abfallbehörden und der Polizeibehörden nicht ausreichen, illegale Abfalltransporte hinreichend zu bekämpfen.

In den Abschussberatungen haben sich die Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für diese Auffassung insbesondere auf Stimmen innerhalb der Polizei berufen. Diese hätten beklagt, dass bei den Polizeibeamten große Unsicherheit darüber bestehe, ob sie sich auch im Vorfeld einer konkreten Gefahr Gewissheit darüber verschaffen dürften, welche Ladung ein Lastkraftwagen mit sich führe. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung solle das aus dieser Unsicherheit herrührende Vollzugs

defizit beseitigen und zweifelsfrei klarstellen, dass die Polizei Kontrollen des fließenden Verkehrs auf Verstöße gegen das Abfallrecht auch ohne Anfangsverdacht durchführen dürfe.

Während sich das fraktionslose Mitglied des Umweltausschusses für die Gesetzesänderung aussprach, haben die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und der CDU sie nicht für erforderlich gehalten:

Soweit die Begründung des Gesetzentwurfes Missbräuche bei der Kategorisierung und Behandlung von Abfällen sowie den profitorientierten Transport von Abfällen von einem Bundesland ins andere anspreche, seien Missbräuche ohnehin, was von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch eingeräumt werde, nur durch Änderungen des Bundesrechts zu beseitigen.

Was die Kontrolle des Straßentransports von Abfällen angehe, gebe es in Wahrheit kein zu beseitigendes Defizit.

Unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des Umweltministeriums und des Innenministeriums haben die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und der CDU erklärt, der vorgeschlagene § 45 a Abs. 1 wiederhole nur die Befugnisse, die die Abfallbehörden nach dem Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz ohnehin schon hätten. Er sei also entbehrlich.

§ 45 a Abs. 2 enthalte als wesentliche Neuerung die Befugnis der Polizeibehörden zur verdachtsunabhängigen Kontrolle des fließenden Verkehrs unter Gesichtspunkten des Abfallrechts. Unter Bezugnahme auf die Darlegungen der Vertreter des Innenministeriums haben die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der SPD und der CDU auch diese Änderung nicht für erforderlich gehalten. Die Polizeibehörden verfügten schon heute über ausreichende Rechtsgrundlagen, im Rahmen von Schwerlastkontrollen auch Verstöße gegen das Abfallrecht festzustellen und aufzuklären. Das verstehe sich ohnehin bei dem Vorliegen eines Anfangsverdachts. Aber auch ohne einen Anfangsverdacht gebe § 13 Abs. 3 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes den Polizeibeamten das Recht, nicht nur die Berechtigungsscheine zu kontrollieren, sondern sich auch - im Sinne einer Plausibilitätskontrolle - davon zu überzeugen, dass die mitgeführte Ladung mit dem Berechtigungsschein übereinstimme.

Soweit bei Polizeibeamten in der Vergangenheit Unsicherheit über diese Rechtslage bestanden habe, sei diese Unsicherheit mittlerweile durch einen entsprechenden Erlass ausgeräumt worden. Eine noch höhere Kontrolldichte als die bei polizeilichen Straßenkontrollen jetzt schon vorhandene sei im Hinblick auf den Abfalltransport nicht erforderlich und aus fachlichen Gründen auch gar nicht wünschenswert, weil der Polizei die entsprechende Ausrüstung, Personalausstattung und Personalschulung fehle.

Ich möchte damit meinen Bericht schließen. Der Ausschuss für Umweltfragen bittet Sie, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3009 zu folgen.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Frau Steiner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist genau zwei Jahre her, dass die Fraktion der Grünen dem Landtag diesen Antrag zur Ergänzung des Niedersächsischen Abfallgesetzes vorgelegt hat. Das Ziel ist es, die Kontrollmöglichkeiten der Polizei im Abfallbereich zu verbessern. Ich möchte Ihnen die Problemlage noch einmal in Erinnerung rufen.

Immer wieder werden Fälle von umweltgefährdender Abfallbeseitigung bekannt. Belasteter Sondermüll – d. h. besonders überwachungsbedürftige Abfälle - wird illegal auf normalen Deponien abgeladen oder vermischt mit anderen Abfällen weiterverwertet oder exportiert. Vorher haben sich diese Sonderabfälle öfter bei Nacht und Nebel während des Transportes in Abfälle zur Deponierung und Verwertung umgewandelt. Das heißt, die Begleitpapiere wurden gefälscht. Das ist Umweltkriminalität.

Die Abfallbranche ist im letzten Jahrzehnt zu einem Tummelplatz für zwielichtige Profitgeier geworden. Die Gewinnspanne in diesem Bereich ist häufig höher als im Drogen- oder Waffenhandel. Die Folgekosten dieser Delikte trägt in der Regel die Allgemeinheit. Die Strukturen im Entsorgungsbereich sind zum Teil undurchschaubar. Das Instrumentarium zur Aufklärung solcher Delikte ist eingeschränkt. Die Zahl aufgeklärter Delikte ließe

sich erhöhen, wenn bereits im Vorfeld – d. h. auch bei den Transporten - eingegriffen werden könnte.

Hier setzt die von uns vorgeschlagene Gesetzesänderung an. Sie soll der Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen von Abfalltransporten ermöglichen. Bisher werden Unregelmäßigkeiten und Verstöße eher zufällig als Nebenprodukt bei sonstigen Kontrollen des Güterverkehrs entdeckt. Wir möchten der Polizei die Möglichkeit geben, gemeinsam mit Fachleuten der Abfallbehörden bei Abfalltransporten effektive Kontrollen durchzuführen. Das hätte auch eine präventive Wirkung. Denn wenn das Risiko größer wird, lässt manch einer die Finger davon.

Darin, dass mehr Kontrollen notwendig sind, stimmten die Fraktionen überein. Dennoch stieß die von uns vorgeschlagene Gesetzesänderung bei den großen Fraktionen nicht auf Gegenliebe. Die SPD-Fraktion behauptete - in Übereinstimmung mit dem Innenministerium, das solche Erwägungen bereits seit Jahren abblockt -, die vorhandenen Kontrollmöglichkeiten reichten aus. Das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz böte eine ausreichende Grundlage.

Ich betrachte es zumindest als Teilerfolg unserer Initiative, dass das Innenministerium durch einen Erlass im letzten Jahr klargestellt hat: Bei allgemeinen Straßenverkehrskontrollen haben Polizeibeamte im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle das Recht, Genehmigungen und Begleitpapiere zu kontrollieren. Die Anhörung zu unserem Gesetzentwurf hat auch deutlich gemacht, dass hier „gewisse Rechtsunsicherheiten“ bei Kontrollierenden und Kontrollierten bestanden.

Die SPD-Fraktion wird mir sicherlich gleich entgegenhalten, dass inzwischen alle Polizeibeamten vor Ort mit der Lösung des Innenministeriums hoch zufrieden seien und wir besser daran täten, unseren Entwurf zurückzuziehen.

(Reckmann [SPD]: Das ist so!)

Dazu möchte ich nur sagen: Der Verweis auf die Plausibilitätskontrolle ist eine Krücke. Der Begriff ist äußerst dehnbar. Deswegen ist er problematisch. Wir plädieren für Kontrollen auf gesetzlicher Grundlage mit eindeutiger Regelung und für die Möglichkeit, aus der Ladung Proben zu ziehen. Damit wird mehr Effektivität und eine höhere Aufklärungsquote bei Umweltdelikten, die wir alle wollen, erreicht. Wir werden die Diskussion über

den Erfahrungsbericht Ende dieses Jahres erneut aufnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD spricht die Kollegin Frau Somfleth.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen war – das hat Frau Steiner eben gesagt –, eine vermeintliche Regelungslücke zu schließen, um der Polizei die notwendige Rechtsgrundlage zu geben, auch verdachtsunabhängige Straßenkontrollen in Kooperation mit den Abfallbehörden durchzuführen.

Nachdem uns Ihr Antrag im Juni 2000 überwiesen wurde, haben wir eine Anhörung durchgeführt und die Ergebnisse in weiteren Sitzungen ausführlich erörtert. Der Antrag wurde mit der Begründung die auch heute noch gilt -, dass eine erweiterte gesetzliche Kompetenz nicht notwendig ist, abgelehnt.

Ich räume jedoch ein, dass die Anhörung und die Befragung der Vertreter der Gewerkschaften gezeigt haben, dass bei der Polizei eine Rechtsunsicherheit über die Möglichkeit, sich bei Kontrollen von Lastwagenfahrern den Berechtigungsschein vorlegen zu lassen, bestanden hat. Deshalb ist diese Möglichkeit in der Vergangenheit nicht häufig genutzt worden.