Protokoll der Sitzung vom 10.10.2006

erfassen und die Durchimpfung entsprechend zu erhöhen.

Dazu braucht er aber Instrumente. Genau diese haben Sie bei der Verabschiedung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst verweigert. Insofern ist völlig unglaubwürdig und halbherzig, was Sie hier machen.

(Beifall bei der SPD)

Was wir Ihnen vorlegen, ist nichts weiter - Frau Janssen-Kucz hat es zu Recht deutlich gemacht -, als endlich das in das Gesetz hineinzuschreiben, was wir in unseren gemeinsamen Beratungen als gemeinsame Erkenntnisse erzielt hatten. Wir waren uns auch in der Diagnose und in der Umsetzung einig.

Es waren diese Koalitionsfraktionen, die wirklich zwei Minuten vor der Abstimmung bei sämtlichen Punkten umgefallen sind. Damit wird das Thema aber nicht beerdigt, sondern das Thema ist so aktuell wie eh und je. Sie machen jetzt weiter. Ich habe das vorhin gesagt.

Wir sind uns darüber einig, dass wir aufsuchende Sozialarbeit brauchen - dringend! Das muss so niederschwellig sein wie irgend möglich. Dazu haben wir bisher als einziges Instrument die Familienhebammen. Was machen Sie? - Sie machen es mit Ende des Haushaltsjahres 2007 im Landeshaushalt bis auf lächerliche 40 000 Euro zunichte. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir beispielsweise in Skandinavien als dringend notwendigen Fortschritt erfahren und erlernt haben.

Insofern sage ich Ihnen: Es ist nicht damit getan, bei einem so wichtigen Thema einen Antrag einzubringen bzw. abzuschreiben, der sich an Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts von vor fünf Jahren orientiert, und hier bei der eigenen Gesetzgebung zu kneifen. Wir sollten noch einmal sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob Sie einen Schritt nach vorne wollen oder ob Sie Stillstand wollen. Zurzeit ist es Stillstand - und Stillstand bedeutet Rückschritt. Dazu sage ich Ihnen: Da sind die Kinder uns mehr wert.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe jetzt die Meldung zu einer Kurzintervention von Frau Meißner. Bitte schön, Frau Meißner, Sie haben das Wort für 1:30 Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist eine Kurzintervention auf Sie, Herr Schwarz. Sie haben recht, in vielen Dingen, die man braucht, sind wir uns einig. Dazu gibt es zum Teil gemeinsame Anstrengungen wie die Bundesratsinitiative. Manchmal sind wir über die Wege unterschiedlicher Meinung.

Sie hatten gesagt, es stimme nicht, dass Sie der Regierung vorgeworfen hätten, keine Ahnung zu haben. So wörtlich haben Sie es nicht gesagt. Sie haben aber gesagt, wir würden einfach Ihren Entschließungsantrag liegenlassen und sträflich vernachlässigen, was so nicht richtig ist - das habe ich widerlegt. Zum anderen haben Sie unseren Masern-Antrag, den wir durchaus für sehr gut und zustimmungsfähig halten, als Placebo-Antrag bezeichnet. Ich frage mich, was „Placebo-Antrag" denn soll. Das ist doch ganz eindeutig eine Geringschätzung unserer Arbeit. Das würde praktisch bedeuten, wir hätten keine Ahnung. Darum habe ich das so genannt.

Noch einmal: Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Er ist nämlich fundiert. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Ich sehe nicht, dass Herr Schwarz darauf antworten möchte. Dann hatte sich noch Herr Kollege Böhlke zu Wort gemeldet. Herr Böhlke, die CDUFraktion hat noch drei Minuten Redezeit.

(Zuruf von der SPD: Die muss man aber nicht ausschöpfen!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wollte an sich eine Kurzintervention auf den Kollegen Schwarz loswerden. Ich weise noch einmal darauf hin, Herr Kollege Schwarz, dass Sie sich hier in einer Art und Weise aufbauen, die wir keinesfalls akzeptieren können.

(Beifall bei der CDU - Oh! bei der SPD)

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass es von 1990 bis 2003 eine SPD-geführte Landesregierung gab. 13 Jahre lang hatten Sie ausreichend Zeit und Gelegenheit, das Gesetz entsprechend zu

ändern. Wir haben uns, nachdem der Regierungswechsel vollzogen wurde, entsprechend vorbereitet und eine Neuordnung des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit all den Problemen, die damit verbunden sind, auf den Weg gebracht. Wir haben den Mut gehabt, diese Entscheidung auch durchzutragen. In diesem Sinne möchte ich noch einmal betonen, dass die Masern keine neumodische Krankheit sind, sondern seit vielen Jahren bestehen. Wir sind uns dessen bewusst und handeln entsprechend. So ist unser heutiger Antrag zu verstehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Janssen-Kucz, Sie hatten sich noch einmal gemeldet und um zusätzliche Redezeit gebeten. Sie haben zwei Minuten. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Regierungsfraktionen zur Masernimpfung, zu einem Konzept aus dem Sozialministerium, ist einfach zu kurz gesprungen, wenn man wirklich das Thema Kindergesundheit mit seinen unterschiedlichen Facetten anpacken will und es auch als gemeinsame Aufgabe sieht. Wir hätten und haben andere Instrumente. Das versucht ja der Antrag der SPD-Fraktion zur Änderung des ÖGD noch einmal deutlich zu machen. Das habe auch ich versucht, Ihnen noch einmal deutlich zu machen. Man kann immer irgendwo eine kleine Geschichte auf den Weg bringen, doch das kostet nur Zeit und Geld. Deshalb hatte ich mich im Anschluss an die Ausführungen der Ministerin noch einmal gemeldet. Es ist doch immer besser, früher anzufangen - besser für die Kinder, vorrangig für die Eltern, aber letztendlich auch für unser Gesundheits- und Bildungssystem und auch für unsere Finanzen.

Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, wenn wir das Familienhebammenprojekt flächendeckend ausgebaut hätten und es jetzt nicht je nach Kassenlage der Kommunen zurückfahren würden. Wieso nehmen wir dafür nicht die Mittel aus dem 25Millionen-Programm? Das wäre Prävention von Anfang an.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Weshalb entwickeln wir die aufsuchende Sozialarbeit nicht weiter, wenn wir in Sachen Kindergesundheit wirklich vorankommen wollen? Ich finde es einfach bedauerlich und habe den Eindruck: Sie wollen lieber kleine Schritte machen. Das Kind und die Kindergesundheit fallen dabei immer weiter in den Brunnen hinein.

(Norbert Böhlke [CDU]: Überhaupt nicht wahr! Das ist wirklich dummes Zeug!)

- Herr Böhlke, ich verstehe nicht, weshalb diese Landesregierung das Präventionsgesetz des Bundes im Bundesrat aus fadenscheinigen Gründen verhindert hat. Wir wären doch schon sehr viel weiter, wenn Sie dem Präventionsgesetz damals zugestimmt hätten. Dann hätten wir auch die Familienhebammen drin, die lebensweltbezogenen Präventionsabsätze wären verankert. Aber auch das haben Sie nicht gewollt.

Mit diesem Impfantrag verpassen Sie sich ein Feigenblatt in Sachen Kindergesundheit, und das ist beschämend. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich noch einmal darum bitten, die Privatgespräche einzustellen. Die Besucher auf den Tribünen möchte ich auf § 89 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung aufmerksam machen, der lautet:

„Anderen als den im Landtag redeberechtigten Personen ist es untersagt, im Sitzungssaal oder auf der Tribüne Erklärungen abzugeben sowie Beifall oder Missfallen zu äußern.“

Ich bitte Sie, sich an unsere Geschäftsordnung zu halten.

(Beifall auf der Tribüne)

- Genau das ist gemeint, dass Sie eben nicht klatschen oder Ihr Missfallen äußern.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung zu Punkt 5. Federführend sollen der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Aus

schuss für Haushalt und Finanzen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es eine andere Meinung? - Das ist nicht der Fall. Dann ist einstimmig so entschieden.

Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 6. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP annehmen will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit. - Vielen Dank.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 15/3201

Ich erteile der Kollegin Ingrid Eckel für die SPDFraktion das Wort. Bitte schön, Frau Eckel!

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 66 öffentliche Gesamtschulen, je zur Hälfte integriert oder kooperativ, existieren in Niedersachsen. Sie sind darauf ausgerichtet, Schüler und Schülerinnen individuell zu fördern, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu gewähren, statt sie früh einzusortieren, und sie sind Ganztagsschulen. Mit Elan gegründet, haben sie im Laufe der Zeit Einschränkungen in der Lehrerstundenausstattung überstanden, dem Finanzierungsvorbehalt getrotzt, und immer wieder waren Eltern bereit, für die Gründung einer Gesamtschule zu kämpfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Gesamtschulen - zäh, widerstandsfähig und vor allem erfolgreich,

(Lachen bei der CDU)

eine Schulform, die zur Vielfalt der niedersächsischen Schullandschaft beiträgt, die einzige öffentliche Schulform, die eine gemeinsame Beschulung ermöglicht und Schullaufbahnen lange offenhält.

Die SPD-Fraktion wird nicht davon ablassen, gegen das 2003 erlassene Gründungsverbot anzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen überall da Gesamtschulen zulassen, wo der Bedarf durch Eltern artikuliert wird. Die Errichtung muss an neuen Standorten möglich sein und auch dort, wo die vorhandenen Gesamtschulen nicht ausreichen. Den Finanzierungsvorbehalt haben wir bereits 2002 aus dem Niedersächsischen Schulgesetz gestrichen. Dabei soll es auch bleiben.

Ihr Argument, Herr Minister, Gesamtschulen könnten ihre Zügigkeit endlos erhöhen, ist räumlich nicht realisierbar.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat nie jemand gesagt!)