Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Allgemeingut geworden ist, dass in den frühen Jahren die entscheidenden Weichen für die weitere Lernentwicklung eines Kindes gelegt werden, und Einigkeit darüber besteht, dass Kindergärten deshalb eine zentrale Aufgabe zukommt, dann brauchen wir eine signifikante Verbesserung der frühkindlichen Bildung in Deutschland und natürlich in Niedersachsen.
Jede Landesregierung muss dafür Sorge tragen, allen Kindern den Besuch eines Kindergartens zu ermöglichen. Minister Busemann sagte am 26. Januar 2006 hier im Plenum:
„Die Notwendigkeit einer möglichst frühen Förderung und Unterstützung von Kindern ist in der aktuellen schulund bildungspolitischen Diskussion nachhaltig verankert.“
„Planungen für ein elternbeitragsfreies drittes Kindergartenjahr bilden dabei einen wichtigen Baustein.“
- Frau Körtner, aber wenn man schon plant, dann muss man doch auch irgendwann einmal zu Potte kommen.
Herr Minister, zu Beginn des Jahres haben Sie hier im Hohen Haus sogar angekündigt, dass Sie das Beitragsvolumen ermitteln wollen und dass Sie mit den kommunalen Spitzenverbänden Gespräche führen, um zu schauen, welches Finanzhilfeeinspeisungssystem geeignet sei. Sie kündigten sogar an, mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern der Kindertagesstätten Verhand
lungen zu führen, um inhaltliche und technische Fragen zu klären. Diesem Hohen Hause haben Sie zugesichert:
So sprachen Sie. Sie sprachen in diesem Zusammenhang von Juni. Im Juni war aber nicht einmal ein Lüftchen zu spüren, geschweige denn ein Fahrtwind. Stattdessen hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zum beitragsfreien Kindergartenjahr eingebracht. Es ist der Job der Opposition, einer Regierung auf die Sprünge zu helfen. Das machen wir gern.
Aber wir wollen auch deutlich machen: Wir meinen es mit unseren Vorstellungen von moderner Bildungspolitik ernst. Wie ist das eigentlich bei Ihnen? - Diese Landesregierung hat jetzt die Beitragsfreiheit vom Tisch gefegt. Die Regierungsfraktionen haben dem nicht widersprochen. Sie, meine Damen und Herren der Fraktionen der CDU und der FDP und Herr Minister, haben Ihre Glaubwürdigkeit in diesem Bereich erst einmal verspielt.
(Zustimmung bei der SPD - Walter Meinhold [SPD]: Nicht nur in diesem Bereich! Siehe Unterrichtsversor- gung!)
Heute, anlässlich der zweiten Beratung, möchte ich noch einmal die Kernpunkte unseres Gesetzentwurfs nennen:
Erstens. Für das erste oder das dritte Kindergartenjahr werden keine Beiträge erhoben. Wir wollen den Trägern damit einen Entscheidungsspielraum eröffnen.
Das ist eine klare bildungspolitische Ansage. Wir halten ihre Umsetzung für dringend notwendig. Der Beitragsfreiheit eines Kindergartenjahres soll, so unsere Absicht, die Beitragsfreiheit der beiden anderen folgen. Unser Ziel ist der dreijährige kostenlose Kindergartenbesuch aller Kinder.
Mit der Abschaffung der Gebühren wollen wir, dass der Kindergarten selbstverständlicher Teil unseres Bildungssystems wird. Der Anfang Juli erstmals vorgelegte Bildungsbericht von der Kultusministerkonferenz und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zeigt auf: 10 % aller Kinder in Deutschland sehen nie einen Kindergarten von innen. - Es ist für mich und meine Fraktion besonders alarmierend, dass Eltern ohne Schulabschluss ihren Kindern den Kita-Besuch doppelt so häufig verweigern wie Eltern mit Abitur. Wir müssen diese Zahlen ernst nehmen; denn darin liegt ein erheblicher sozialer Sprengstoff. Einschlägige Studien belegen eindeutig, dass gerade Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten besonders auf den Kindergartenbesuch angewiesen sind und von einem frühen Besuch guter Kindertageseinrichtungen für ihre Bildungsbiografie profitieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, wichtiger aber als die finanzielle Entlastung ist das Signal: Vorschulische Bildung ist etwas Selbstverständliches. Der Besuch eines Kindergartens ist fester Bestandteil des Bildungssystems. Deswegen ist er kostenfrei wie die Schule.
Dieser Paradigmenwechsel wird ein erfolgreicher Weg zum Ausbau bestehender Benachteiligungen sein. Natürlich muss dieser Paradigmenwechsel eine umfassende Qualitätsverbesserung einschließen.
Herr McAllister, Herr Rösler, Sie werden uns entgegnen, dies alles wäre nicht solide gegenfinanziert. Sie haben ja bereits entsprechende Einwände erhoben.
Ich sage Ihnen: Unser Gesetzentwurf für ein beitragsfreies Kindergartenjahr ist seriös gegenfinanziert. Wir sind da genauer und gründlicher als Herr Busemann, der am 23. Oktober 2002 anlässlich der Aktuellen Stunde
„Das anstehende Kostenvolumen macht etwa 0,3 % des Landesetats aus. Es kann mir niemand erzählen, dass, sofern der politische Wille vorhanden ist, ein solcher Handlungsspielraum trotz der angespannten Finanzlage dafür nicht bestünde. Das muss hinzukriegen sein.“
Gut, okay. - Wir treten dafür ein, dass die Abschaffung der Gebühren ein ganz wichtiger Schritt ist, den wir möglichst noch in diesem Jahr tun sollten.
Als Nächste hat Frau Janssen-Kucz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Frau Janssen-Kucz!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meinen ganz herzlichen Glückwunsch an die schwarzgelbe Landesregierung: Sie haben es geschafft, die versprochene Gebührenfreiheit für den Besuch von Kindertagesstätten aus Ihrem Landtagswahlprogramm 2003 über die Kommunalwahl 2006 zu retten. Das ist erfreulich für Sie; denn so können Sie Ihr Wahlversprechen aus dem Jahr 2003 auf Wiedervorlage für 2008 legen.
Der Kultusminister, Herr Busemann, sagte vor der Landtagswahl 2003, dass mit dem Doppelhaushalt 2005/2006 die Kindertagesstätten das Thema sein würden. Er fügte hinzu:
Die Kindertagesstätten waren und sind Thema; aber die Gebührenfreiheit schieben Sie weiter auf die lange Bank. Im Februar 2006 haben wir Grüne Sie mit einem Entschließungsantrag aufgefordert, bis Juni ein Konzept zur Verwirklichung eines beitragsfreien Kita-Jahres vorzulegen. In dieser Debatte sagte Frau Vockert - ich zitiere wieder wörtlich -:
„Ihr Antrag geht inhaltlich ganz und gar in die richtige Richtung.... Das Motto ‚Versprochen - gebrochen‘ ist mit uns, mit der CDU/FDP-geführten Landesregierung, definitiv nicht zu machen. Was wir versprechen, halten wir auch.“