Protokoll der Sitzung vom 10.11.2006

Die Mitglieder des Ausschusses stimmten überein, dass weiter gehende Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in und im Umfeld von Fußballstadien erforderlich sind. Daher wird ein aktuelles bundesweites Lagebild zur Kriminalitätsentwicklung und zu anlassbezogenen Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit Fußballspielen insbesondere der Regional- bzw. Oberligen und - soweit möglich - auch der unterklassigen Ligen erstellt werden. Ziel ist es, mögliche Ursachen aktueller Entwicklungen darstellen und auf dieser Grundlage die erforderlichen Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die intensive Information und Kommunikation zwischen der Taskforce und dem Nationalen Ausschuss ist dabei sicher gestellt. Die nächste Sitzung des Nationalen Ausschusses wird Anfang 2007 stattfinden.

Die Innenministerkonferenz wird die Problemlage ebenfalls in der nächsten Woche eingehend erörtern.

Ich selbst habe einen Runden Tisch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Fußballspielen initiiert. Am 13. Dezember 2006 werde ich mit Vertretern meines Hauses, allen Polizeipräsidenten, den Vorsitzenden des Niedersächsischen und des Norddeutschen Fußballverbandes sowie Herrn Professor Dr. Pilz vom Institut für Sportwissenschaften die Situation umfassend erörtern. Diese Besprechung wurde im Übrigen bereits im März 2006 für die Zeit nach der Weltmeisterschaft ver

abredet, nachdem die Probleme in nachrangigen Ligen zunehmend festgestellt worden waren.

Ziel des Runden Tisches wird es sein, Problemfelder klar anzusprechen und zu analysieren, die Zusammenarbeit von Verbänden, Vereinen und Polizei in den unteren Ligen zu intensivieren sowie Maßnahmen und Standards zu vereinbaren und aufeinander abzustimmen, damit die Sicherheit auch bei solchen Spielen besser gewährleistet ist.

Dieses kann nicht vorrangig Aufgabe der Polizei sein, die derzeit durch Fußballeinsätze personell erheblich belastet ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Bei allen Spielen der oberen fünf Spielklassen in Niedersachsen im Jahr 2006 ist es nach hier vorliegenden Erkenntnissen bei acht Begegnungen zu größeren Problemen mit Gewalt suchenden und gewalttätigen Fans gekommen, die umfangreiche polizeiliche Einsatzmaßnahmen erforderlich werden ließen, und zwar in drei Fällen bei Bundesligaspielen, in zwei Fällen bei Regionalligaspielen und in je einem Fall bei Spielen des DFB-Pokals, der Oberliga und der Niedersachsenliga.

Darüber hinaus sind im Einzelfall bei Fußballspielen, unabhängig von der Spielklasse, situationsbedingte Einzeltaten ohne Einfluss gruppendynamischer Prozesse feststellbar. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Daneben kann trotz vorheriger körperlicher Durchsuchung von Problemfans das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen in den Fußballstadien leider nicht immer verhindert werden.

Allerdings ist nach den polizeilichen Erfahrungen davon auszugehen, dass ohne konsequente polizeiliche Maßnahmen und teilweise starken Kräfteeinsätzen Auseinandersetzungen von gewaltbereiten Personengruppen deutlich häufiger zu verzeichnen wären.

Im Übrigen verweise ich auch auf die Vorbemerkung.

Meine Damen und Herren, zu Frage 2 verweise ich auch auf die Vorbemerkung.

Zu Frage 3: Die Polizei setzt bei Fußballspielen aufgrund der Lageerkenntnisse erhebliche Personalstärken ein. In Bezug auf Lagen in Niedersachsen wird das Phänomen auch bei unterklassigen Spielen analysiert. Bestehende Konzepte werden weiterentwickelt.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Eine erste Zusatzfrage stellt Herr Coenen.

Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung: Wie viele szenekundige Beamte gibt es in Niedersachsen?

Herr Minister!

Wir haben insgesamt 31 szenekundige Beamte eingesetzt. Sie betreiben das aber nicht ausschließlich. Sie können aber gerade auch bei Fußballspielen und um Fußballspiele herum eingesetzt werden

Danke. - Herr Briese, bitte!

Es ist für die Bevölkerung maximal unbefriedigend, dass bei diesen Sportgroßveranstaltungen solch ein großes Polizeiaufgebot notwendig ist, dass die öffentliche Hand bei der Durchführung dieser Sportveranstaltungen finanziell also quasi ein Stück weit mit verantwortlich ist. Ich möchte von der Landesregierung gerne wissen: Inwieweit ist es rechtlich zulässig, die Veranstalter dieser Sportveranstaltungen finanziell ein Stück weit an diesen Polizeieinsätzen zu beteiligen und sie dazu heranzuziehen? Ist das rechtlich geprüft worden?

Meine zweite Frage: Es sind interessante Vorschläge gemacht worden, wie man die Präventionsarbeit auch in den unteren Ligen weiter forcieren kann, u. a. durch einen sogenannten Präventionsfonds.

(Zuruf von der CDU: Frage!)

- Ich bin dabei. - Nach diesem Modell sollen die 1. Bundesliga und ihre Spieler, die ja sehr hohe Einkommen haben, ein Stück weit dazu herangezogen werden, dass in den unteren Ligen, von denen sie später auch profitieren, entsprechende Präventionsarbeit durchgeführt werden kann. Kennt die Landesregierung dieses Modell? Wird sie sich dafür einsetzen, dass es auch durchgeführt wird?

Herr Minister, bitte!

Zu der ersten Frage: Die Innenministerkonferenzen haben sich auch in der Vergangenheit häufig mit dieser Problematik auseinandergesetzt, ob es machbar ist, dass bei Großveranstaltungen - natürlich insbesondere bei Fußballspielen - die Kosten für die Polizeieinsätze in irgendeiner Form erstattet werden können. Dies ist nur sehr begrenzt möglich; denn die Polizei muss auch außerhalb der Fußballstadien sozusagen kostenlos tätig werden. Im Zweifelsfall könnte sich das nur auf den Einsatz im Fußballstadion selbst beziehen. Wenn dort Straftaten begangen werden, muss die Polizei auch dort auf jeden Fall sofort tätig werden, und zwar auch kostenlos. Es geht nur darum, dort eventuell präventiv tätig zu sein. Es ist sehr schwierig, das umzusetzen. Wenn also die Polizei die Fans begleitet oder die gewaltbereiten Fans z. B. vom Bahnhof zum Stadion begleiten muss, dann kann das in keiner Weise in Rechnung gestellt werden. Das leuchtet, glaube ich, auch ein.

Aus Stuttgart ist mir z. B. berichtet worden, dass im dortigen Stadion zunächst überhaupt keine Polizei präsent ist, sondern dort wird das ausschließlich von privaten Ordnungskräften organisiert. Das Problem ist allerdings, dass vor dem Stadion Polizeihundertschaften vorgehalten werden müssen. Sobald etwas passiert, müssen sie sofort tätig werden, müssen sofort ins Stadion hineingehen. Dadurch kann der Einsatz der Polizei nur sehr begrenzt reduziert werden.

Aus dem Grunde sind die Innenminister schon vor einiger Zeit zu der Überzeugung gekommen, dass die in Ihrer Frage angesprochene Kostenbeteiligung nicht umsetzbar ist. Im Zweifelsfalle könnte

man sie auch nicht nur auf Fußballspiele begrenzen, sondern müsste das selbstverständlich auch bei Rockveranstaltungen und anderen Großereignissen ebenso umsetzen. Eine Begrenzung nur auf Fußballspiele ist rechtlich nicht machbar. Wie ich aber dargestellt habe, wird es zu keinen größeren Einnahmen kommen können. Das leuchtet, glaube ich, ein.

Zu Ihrer zweiten Frage nach dem Präventionsfonds: Das ist sicherlich etwas, was jetzt auch insgesamt diskutiert werden muss; denn der DFB hat, wie ich dargestellt habe, selbst eine Task Force eingerichtet, wo es nicht nur um Sicherheitstaktik geht, sondern vor allen Dingen um Präventionsmaßnahmen. Der Deutsche Fußball-Bund hat auch schon in der Vergangenheit Projekte mitfinanziert, nämlich Fanprojekte in der 1. und 2. Bundesliga; das habe ich dargestellt. Aber auch der Niedersächsische Fußballverband führt gerade bei Jugendlichen viele Präventionsmaßnahmen durch. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: der Fair-PlayCup, der entweder durch Sponsoren oder auch teilweise vom Fußballverband mitfinanziert wird.

Ich will im Moment also überhaupt nichts ablehnen. Insgesamt ist man auf der DFB-Ebene, aber auch auf der Ebene hier in Niedersachsen dabei, etwas noch über die Präventionsmaßnahmen hinaus zu initiieren. Da sollte man aber jetzt die Diskussionen abwarten. Dann müssen wir ein vernünftiges Gesamtkonzept zwischen Landes- und Bundesebene abstimmen. Dass die Liga, in der ja auch sehr viel Geld verdient wird, mit ins Boot geholt werden muss, ist meiner Ansicht nach völlig unstrittig. Das wird übrigens jetzt und wurde auch schon in der Vergangenheit gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Der nächste Redner ist Herr Pörtner von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, in der von den Kollegen Biallas und Dr. Stumpf eingebrachten Anfrage wird darauf hingewiesen, dass es in der letzten Zeit in bundesdeutschen Fußballstadien eine Serie von gewalttätigen Ausschreitungen gegeben habe, insbesondere in den unteren Ligen. In diesem Zusammenhang wird in der letzten Zeit mehrfach in

der deutschen Sportpresse - nach meinen Informationen nicht so sehr in der allgemeinen Zeitungslandschaft - auf eine Studie der Universität Augsburg hingewiesen, die als Kernaussage zum Inhalt hat, dass die Sportart Fußball nur bedingt schulsporttauglich sei. Insbesondere das vorgelebte Erscheinungsbild der Sportart Fußball lasse in Deutschland sehr zu wünschen übrig. In diesem Zusammenhang wird vor allem auf die Gewaltphänomene aufmerksam gemacht. Ich hätte gern von der Landesregierung gewusst, ob sie das Ergebnis der Studie der Universität Augsburg teilt und diese Kernaussage nachvollziehen kann.

Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pörtner, ich bin Ihnen für diese Frage außerordentlich dankbar, weil kein falsches Bild gezeigt werden darf.

Ich habe die Situation in Niedersachsen dargestellt. In der letzten Zeit sind acht Vorkommnisse registriert worden. Das sind acht zu viel - überhaupt keine Frage. Aber von einer dramatischen Entwicklung kann keine Rede sein. Allerdings müssen wir immer dann, wenn sich Auffälligkeiten zeigen, sofort reagieren. Dies gilt gerade für Vorkommnisse in den unteren Ligen. Es kann nicht bestritten werden, dass der Fußball eine besondere soziale Komponente aufweist. An der Euphorie, die die Fußballweltmeisterschaft ausgelöst hat, ist deutlich geworden, welche soziale Kompetenz der Fußball insgesamt hat. In der Jugendpflege gibt es viele Projekte, in denen der Fußball eine große Rolle spielt, ebenso bei der Resozialisierung von Straftätern. Eine pauschale Aussage, dass man beim Fußball vorsichtig sein müsse und der Schulsport nicht unbedingt das Fußballspielen beinhalten sollte, ist fatal und wird von mir in keiner Weise geteilt. Im Gegenteil: Fußball hat eine soziale Komponente. Aber auch beim Fußball ist nicht alles Gold, was glänzt. Dies ist allerdings in allen Bereichen so. Deshalb muss man reagieren. Der Fußball reagiert wirklich vorbildlich. Man geht sofort mit eigenen Konzepten vor.

Zusammengefasst: Diese Aussage teile ich nicht. Sie ist völlig kontraproduktiv. Ich würde mich freu

en, wenn der Fußballsport im Schulsport sogar noch intensiviert würde.

(Beifall bei der CDU - Friedrich Pört- ner [CDU]: Sehr gut!)

Danke. - Herr Dr. Stumpf, bitte!

Herr Minister, Sport lebt auch von Emotionen in den Stadien. Hätten wir dort Totenstille, reduzierte sich der Zuspruch des Publikums sehr schnell, sodass Sport zu einer Nullnummer verkäme. Das heißt, wir brauchen sicherlich Emotionen und das Engagement der Zuschauer, um den Sport überhaupt am Leben zu erhalten. Ich möchte von der Landesregierung wissen, wo sie die Grenze des Zulässigen sieht: In welche Kategorien teilen Sie die Fans ein? - Es gibt sicherlich laute, dabei aber positiv agierende Fans, aber auch solche, die auf der kriminellen Ebene agieren. Gibt es für diese Fans eine spezielle Einteilung?

Herr Minister!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stumpf, es gibt eine klare Einteilung in A-, B- und C-Fans.

Die A-Fans gehören zu jenen Fangruppen eines Vereins, etwa eines Bundesligavereins, die grundsätzlich friedlich agieren, aber trotzdem mit großer Vehemenz, wie Sie es geschildert haben, ihre Belange im Fußballstadion ausleben. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Normalerweise sind die A-Fans unproblematisch. Dennoch muss man darauf achten, dass ihre Emotionen nicht in Gewalt ausarten. In der Hinsicht sind die A-Fans jedoch in keiner Weise auffällig geworden.

Zur Kategorie B gehören die zu Gewalt neigenden Fans. Eine Beschreibung der der Kategorie B zugerechneten Personen bereitet durchaus Schwierigkeiten. Nach Auffassung einiger Behörden sind die Grenzen zwischen den Kategorien B und C - C-Fans sind als gewaltsuchend definiert - fließend. Andere Behörden sehen Fans der Kategorie B eher in der Nähe der Kategorie A und meinen

damit fast ausschließlich die sogenannten Kuttenfans. Das übereinstimmende Merkmal bei den B-Fans ist bundesweit die grundsätzliche Bereitschaft, sich an gewalttätigen Aktionen zu beteiligen, sehr häufig in Verbindung mit Alkoholkonsum. Trotzdem besteht bei ihnen ein überwiegendes Interesse am Spielverlauf. In Anlehnung an das Merkmal „gewaltbereit“ ist somit der Anteil der Kuttenträger unter den B-Fans als sehr gering einzuschätzen. Der überwiegende Anteil der B-Fans rekrutiert sich aus dem Mitläuferpotenzial der neutral gekleideten C-Fans.

Die C-Fans schließlich sind, wie gesagt, diejenigen, die nicht nur gewaltbereit sind, sondern auch Gewalt anwenden. Diese bereiten uns in ganz besonderem Maße Sorge.

Danke. - Herr Biallas, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Gibt es im Hinblick auf die bekannten Hooligans Kenntnisse darüber, wie sie sich in Niedersachsen verteilen? - Ich möchte also wissen, ob es bestimmte Regionen in Niedersachsen gibt, an denen Hooligans schwerpunktmäßig auftreten.

Mit Blick auf den nächsten Tagesordnungspunkt füge ich die Frage an, ob es Erkenntnisse darüber gibt, wie viele Hooligans der rechten Szene zuzuordnen sind.