Protokoll der Sitzung vom 08.12.2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wo sind Ihre Konzepte jetzt und in den nächsten Jahren, um die aufgezeigten Gefahren einzuschränken? Es ist ein dringliches Anliegen, zu einer solchen Einschränkung zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Ross-Luttmann. Bitte schön.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es sind eigentlich viele Ministerien involviert, die auch alle antworten könnten. - Frau Ministerin Ross-Luttmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist richtig: Ein ganz entscheidendes Kriterium ist, wie wir mit diesem Problem umgehen und welche Konzepte wir im Einzelfall entwickeln. Das Verbot ist sicherlich die eine Lösung. Diese Lösung allein reicht aber nicht aus. Wir müssen darüber hinausgehen und auch Konzepte entwickeln. Forscher wie Herr Pfeiffer sagen uns, was in den Kinderzimmern passiert und dass es viele Kinder gibt, die Spiele, welche sie sich aus dem Internet herunterladen, spielen, welche ihrem Alter nicht entsprechen. Ein Ansatzpunkt für uns muss dann sein, dass die Eltern ihrer eigenen Verantwortung gerecht werden können. Die Eltern müssen wissen, was in den Kinderzimmern passiert und was ihre

Kinder tun. Es geht doch gerade darum, dass sich viele Kinder am Nachmittag, nachdem sie aus der Schule gekommen sind, ihre Schularbeiten gemacht haben und nicht nach draußen zum Spielen gehen, vor ihren PC setzen und in der virtuellen Welt versinken. Insofern ist es sehr wichtig, dass die Eltern wissen, was ihre Kinder am PC tun.

Aus diesem Grunde werden wir verstärkt Elternmedientrainer ausbilden. Es ist ein ganz wesentlicher Baustein, dass Fachleute in die Schulen und in die Erwachsenenbildungsstätten gehen und die Eltern darüber aufklären können, was ihre Kinder tun und wie sie mit den Computerspielen umgehen. Das ist ein sehr wichtiger erster Schritt. Des Weiteren finden in den Schulen sehr viele Präventionsprogramme statt.

Gewalt beginnt schon in einem sehr frühen Stadium. Gewalt beginnt mit der Verrohung der Sprache. Gewalt beginnt mit Rempeleien und führt, darauf aufbauend, zu Prügeleien. Insofern ist der Ansatz der Konfliktschlichtung von großer Bedeutung. Schüler werden daher zu Konfliktschlichtern ausgebildet und sprechen mit ihren gleichaltrigen Kollegen darüber, warum sie sich so und nicht anders verhalten haben. Sie versuchen somit, in ihrem Rahmen und auf gleicher Augenhöhe zu schlichten. All diese Maßnahmen sind sehr erfolgreich. Darauf müssen wir aufbauen. Wir müssen also mit ganz unterschiedlichen Konzepten möglichst früh ansetzen.

Ich bin deswegen auch froh, dass wir jetzt ressortübergreifend mit dem Innenministerium, mit dem Justizministerium und mit dem Kultusministerium eine Arbeitsgruppe gebildet haben, in der dieses Thema aus dem Blickwinkel aller beteiligten Ressorts betrachtet wird. Wir müssen uns schließlich genau vor Augen führen, welche Möglichkeiten die Polizei hat, welche Möglichkeiten die Schüler haben und was die Lehrer noch tun können. Wir dürfen bei diesem Thema auch die Lehrer nicht allein lassen. Deshalb ist gemeinsames Handeln wichtig, um diesem Phänomen weiter auf die Spur zu kommen; denn auch die Lebensläufe der Kinder haben sich entscheidend geändert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Polat. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin Ross-Luttmann, Sie haben eingangs gesagt, dass man die Auffälligkeiten vorzeitig erkennen sollte und vorbeugen müsse. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie bzw. die Landesregierung, was Sie von einem psychologisches Frühwarnsystem halten. Die TU Darmstadt hat ein solches System entwickelt, mit dem insbesondere die Ankündigung von Gewalttaten im Internet ausfindig gemacht werden kann. Die meisten Amokläufe wurden in den letzten Jahren vorher im Internet angekündigt. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Sehen Sie in dieser Richtung einen möglichen Handlungsbedarf?

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Ross-Luttmann. Sie haben das Wort.

Frau Polat, ich danke Ihnen ganz herzlich für diese Frage. Ich glaube, dass das ein sehr wesentlicher Einstieg ist. Sehen wir uns doch die Entwicklung an, die sich in Baden-Württemberg vollzogen hat. Zwei Schüler, die Counter-Strike gespielt haben, sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass es eventuell einen Amokläufer geben könnte, und haben die Polizei informiert. Insofern kann ein solches System funktionieren. Deswegen wird man die Fragestellung, die Sie angesprochen haben, auch sehr ernsthaft prüfen müssen.

Wir haben mit unserer Landesstelle Jugendschutz und mit der Landesstelle des Kinderschutzbundes, die wir fördern, sicherlich eine ganze Menge an Möglichkeiten, um hier zu helfen. Ich meine, dass ein frühes Einschreiten genau der richtige Weg ist. Ich bin eigentlich auch recht zuversichtlich, weil es inzwischen sehr viele Forschungen gibt, die sich mit Fragen des Jugendmedienschutzes und der Jugendmediengewalt beschäftigen. In meinen Augen sind die Forschungen noch relativ am Anfang begriffen. Wenn man sich die Ergebnisse der bisherigen Forschungsarbeiten ansieht, dann wird immer deutlicher, dass allein die Tatsache, dass Kinder Gewaltspiele spielen, nicht dazu führt, dass Kinder gewalttätig werden, aber dass sich daraus bei einem entsprechenden sozialen Umfeld etwas entwickeln kann. Von daher ist es umso wichtiger,

möglichst früh anzufangen. Ihre Anregung nehme ich sehr gerne auf.

Danke schön. - Herr Minister Schünemann zur gleichen Frage. Bitte!

Ich möchte gerne noch etwas ergänzen; denn bei dem, was Sie angesprochen haben, geht es vor allem darum, etwas frühzeitig zu erkennen und Hinweise zu bekommen, wenn etwas im Internet bzw. im Chatroom angekündigt wurde. In diesem Bereich sind wir in Niedersachsen führend und haben gerade einen Erlass aus den Bereichen Kultus, Inneres und Justiz an alle Schulen herausgegeben, sodass klar ist, welche Straftaten angezeigt werden müssen. Vor allem aber hat jede Schule einen Ansprechpartner bei der Polizei, sodass man genau weiß, an wen man sich wenden muss, wenn etwas passiert. Nach dem Vorfall in Nordrhein-Westfalen ist man diesem Beispiel gefolgt, und man will auf der Grundlage dieses Erlasses genauso vorgehen. Das ist notwendig. Ich meine, dass diese Hilfestellung, die wir schon vor zwei Jahren gegeben haben, sehr wichtig ist, damit die Lehrerinnen und Lehrer mit diesem Problem nicht allein gelassen werden, sondern die Schulen Ansprechpartner bei der Polizei haben. Das ist mit diesem Erlass geregelt.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Meihsies.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie haben sich für ein Verbot ausgesprochen. Ich frage Sie, wie Sie die hunderttausendfach im Umlauf befindlichen Gewaltspiele aus der Jugendszene entfernen wollen. Außerdem frage ich Sie, wie Sie vor dem Hintergrund Ihrer Verbotsidee das Spielen im Internet verbieten wollen.

Das sind zwei Fragen, Herr Kollege Meihsies; das haben Sie selbst gesagt. - Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Schünemann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für diese Frage; denn mit der Antwort darauf kann ich klarstellen, dass ich nicht jedes Computerspiel verbieten will. Es geht lediglich um diese extremen Szenen, die ich hier im Parlament auszugsweise geschildert habe. Ich bin froh darüber, dass es in dieser Frage mittlerweile eigentlich einen breiten Konsens gibt.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nein, im Gegenteil!)

- Gibt es ihn nicht?

(Zurufe von der CDU: Doch!)

- Zumindest von dieser Seite des Hauses weiß ich, dass es eine breite Zustimmung gibt.

(Zustimmung von David McAllister [CDU])

Ich weiß auch, dass die SPD-Fraktion in Berlin der Auffassung ist, dass man diese brutalen Killerspiele verbieten muss. Das steht nämlich in der Koalitionsvereinbarung. Ich bin der Ansicht, dass diese Vereinbarung dann auch vernünftig umgesetzt werden sollte.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es auch richtig, dass der Gesetzgebungsund Beratungsdienst des Bundestages den Versuch unternommen hat, diese Killerspiele zu definieren, um deutlich zu machen, worum es geht. Frau Kollegin Ross-Luttmann hat schon darauf hingewiesen: Es besteht ein großer Unterschied zu den Videofilmen. Hier geht es um das aktive Handeln, indem man selbst auf den Knopf drücken muss, damit man diese extremen Szenen spielen kann. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hierzu vorgeschlagen hat. Darin wird nämlich deutlich, um welche Spiele es sich handelt.

„Killerspiele sind solche Computerspiele, in denen das realitätsnahe si

mulierte Töten von Menschen in der fiktiven Spielwelt wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung ist und der Erfolg des Spielers im Wesentlichen davon abhängt. Dabei sind auch die grafische Darstellung der Tötungshandlung und die spielimmanenten Tötungsmotive zu berücksichtigen.“

Um solche Spiele geht es. Jetzt müssen wir sehen, dass wir den § 131 StGB auch auf der Grundlage dieser Definition so formulieren, dass ein Verbot auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Wir brauchen diese rechtliche Grundlage, damit die Strafverfolgungsbehörden tätig werden können.

Sie wissen, dass wir im Landeskriminalamt die Recherchegruppe Internet eingerichtet haben. Dort arbeiten schon acht ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir müssen abwarten, ob diese Kapazitäten ausreichen; denn deren Arbeit würde sich nicht nur auf diesen Bereich erstrecken, sondern umfasst heute schon die Bereiche des islamistischen Extremismus, des Rechtsextremismus usw. Es ist technisch machbar, mithilfe der Internetrecherche festzustellen, ob jemand solche Spiele herunterlädt, um sie zu spielen. Wir haben ja heute schon Erfahrungen z. B. im Bereich der Kinderpornografie. Es geht nicht darum, alle Computerspiele zu verbieten; denn das wäre völlig falsch, und das hat auch niemand gefordert. Aber diese extremen Spiele gehören aus meiner Sicht verboten und sollten auch dann, wenn sie aus dem Ausland eingeführt werden, verboten sein. Insofern sollte es in diesem Zusammenhang ein Verbreitungsverbot geben. Eigentlich muss man dazu auch kein umfangreiches wissenschaftliches Gutachten in Auftrag geben. Wenn man sich das einmal angeschaut hat, muss der normale gesunde Menschenverstand ausreichen, um hier so vorzugehen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Janssen-Kucz. Bitte!

Ich begrüße sehr, dass wir hier heute scheinbar den Einstieg in eine etwas differenziertere fachliche Debatte finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wozu Sie ja maßgeblich beitragen!)

Frau Ministerin Ross-Luttmann hat heute Morgen die Rolle der Schule in Bezug auf Prävention dargestellt. Sie hat auf das sehr erfolgreiche PRINTProjekt hingewiesen. Dieses PRINT-Projekt wird nun bekanntlich abgewickelt. Das Personal wird bis zum Ende des Jahres in den Kommunen entlassen worden sein, weil es im September von dieser Landesregierung keine Zusage gegeben hat, dass dieses erfolgreiche Projekt fortgeführt werden wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich frage Sie: Erstens. Weshalb wickeln Sie ein solches Projekt ab, wenn Sie es derart loben? Zweitens. Weshalb liegen bis zum heutigen Tage die Richtlinien zu Ihrem angekündigten neuen Programm bei interessierten Kommunen immer noch nicht vor?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. Sie haben es selbst gesagt, Frau Janssen-Kucz: Das waren zwei Fragen. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin RossLuttmann. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Janssen-Kucz, Sie haben recht, das PRINT-Programm ist ein sehr erfolgreiches Programm. Es hat durch die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule den betroffenen Kindern und auch den Lehrern und den Eltern eine ganze Menge gebracht. Aus diesem Grunde werden wir ein Nachfolgeprogramm auflegen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das erzählen Sie schon seit zwei Monaten!)

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Karsten Behr [CDU]: Pöbelt der schon wieder? - Uwe Schwarz [SPD]: Seit zwei Monaten erzählen Sie das schon!)

- Herr Schwarz, bitte! - Sie wissen, dass die Förderperiode der EU im Jahre 2006 ausläuft. Das Förderprogramm PRINT ist mit Landesmitteln und mit EU-Mitteln ausgestattet worden. Das Nachfolgeprogramm, das dann in Kraft gesetzt werden kann, wenn der Landeshaushaltsgesetzgeber den Haushalt heute verabschiedet - dem können und wollen wir als dem höchsten Gremium nicht vorgreifen; das bietet schon die Achtung vor diesem Haus -,