Protokoll der Sitzung vom 08.12.2006

Die Frage wird eingebracht vom Kollegen Oesterhelweg.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Ich mache das!)

- Ja.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am 25. Oktober 2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge zur Reform der Erbschaftsteuer beschlossen. Mit diesem Gesetzentwurf sollen die von der Bundesre

gierung vorgesehenen Erleichterungen für Unternehmensvermögen umgesetzt werden.

Fachleute begrüßen die im Gesetzentwurf vorgesehene steuerliche Erleichterung bei der Übertragung von Unternehmen auf die nachfolgenden Generationen. Dies soll durch ein sogenanntes Degressionsmodell erreicht werden. Dabei wird die auf das Betriebsvermögen entfallende Erbschaftund Schenkungsteuer zunächst gestundet und über den Zeitraum der Betriebsfortführung in gleichen Raten erlassen. Die Steuer entfällt insgesamt, wenn der Erwerber den Betrieb in einem vergleichbaren Umfang über zehn Jahre fortführt.

Im Gesetzentwurf wird aber bezüglich des Betriebsvermögens zwischen „produktivem“ und „nicht produktivem“ Vermögen differenziert, da eine Stundung und ein Erlöschen der Steuer nur für das „produktive“ Vermögen gewährt werden. Dies ist vor allem für den Bereich der Landwirtschaft von Nachteil. Danach würden beispielsweise verpachtete Flächen eines Betriebes zum „nicht produktiven“ Vermögen zählen und damit steuerlich nicht entlastet. Landwirtschaftliche Betriebe, die bereits an den Hofnachfolger verpachtet wurden oder aus Bewirtschaftungsgründen an andere Betriebe Flächen verpachtet haben, würden damit stärker belastet als nach bisherigem Recht.

Die oben genannte Vorgabe der Betriebsfortführung auf vergleichbarem Niveau führt ebenfalls zu einer unangemessenen Behandlung der Betriebsnachfolger - sowohl in der Land- und Forstwirtschaft als auch im gewerblichen Bereich. Eine vergleichbare Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist allein aufgrund jährlich unterschiedlicher Ernteerträge schwierig.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung den Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform?

2. Was unternimmt die Landesregierung, um den vorgelegten Gesetzentwurf entsprechend der Besonderheiten in der Land- und Forstwirtschaft noch zu ändern?

3. Welche Auswirkungen hätte die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung bezüglich der Stundung der Erbschaftsteuer für nur produktives Vermögen auf die landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen? - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Langspecht. - Jetzt hat der Finanzminister das Wort. Bitte schön, Herr Möllring!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Frage 1: Die Landesregierung befürwortet alle Maßnahmen, die dazu beitragen, am Markt erfolgreiche Unternehmen von bürokratischen und finanziellen Hemmnissen zu entlasten, um einen möglichst reibungslosen Übergang auf die nächste Generation zu unterstützen und so diese Unternehmen sowie die damit verbundenen Arbeitsplätze zu schützen. Dies gilt für alle Bereiche der Wirtschaft und damit auch für die Landwirtschaft. Die Landesregierung begrüßt daher die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzentwurfs und betrachtet ihn als geeignete Grundlage für die Diskussion der im politischen Raum als erforderlich angesehenen Erleichterung der Unternehmensnachfolge bei der Erbschaftsteuer.

Der Gesetzentwurf wirft jedoch noch Fragen auf. Zu nennen ist hier zunächst die Frage der einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehaltenen Gegenfinanzierung. Ferner ist noch die Abgrenzung des begünstigten produktiven vom nicht begünstigten nicht produktiven Vermögen zu klären. Auch die Umsetzbarkeit in die Praxis durch Unternehmen und Verwaltung muss im Auge behalten werden.

Zu vermeiden sind weitere Komplizierungen des Steuerrechts und der damit verbundene unproduktive Aufwand, insbesondere bei den Betrieben und bei der Verwaltung. Das mit dieser Reform angestrebte Ziel der Sicherung und Mehrung von Arbeitsplätzen darf sich letztlich nicht auf Steuerberater und Steuerverwaltung beschränken.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Zu Frage 2: Der Gesetzentwurf wird derzeit im Bundesrat beraten. Ich habe mich im Finanzausschuss des Bundesrates dafür ausgesprochen, angesichts der zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer und zum Bewertungsrecht auf inhaltliche Änderungsanträge zu verzichten, da noch gar nicht bekannt ist, in welchem durch das Bundesverfassungsgericht festzulegenden Rahmen eine Reform stattfinden kann.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Im Agrarausschuss des Bundesrates hat Niedersachsen u. a. die vorgesehene Abgrenzung von produktivem Vermögen aufgegriffen und dafür votiert, dass hierzu auch verpachtetes landwirtschaftliches Vermögen gehören soll.

Die Landesregierung wird sich am weiteren Gesetzesberatungsprozess intensiv beteiligen, um Lösungen zu ermöglichen, die das Prädikat „Generationenbrücke“ zu Recht tragen, die finanzierbar, verfassungsrechtlich unbedenklich und sowohl für die Wirtschaft als auch für die Finanzverwaltung praktikabel sind. In diesen Beratungen wird die Landesregierung die besondere Rolle der Landwirtschaft für Niedersachsen berücksichtigen, insbesondere bei den Rahmenbedingungen der familiären Hofnachfolge.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Begründung des Gesetzentwurfs bietet für eine Teilfrage bereits eine Lösung im Sinne der Anfrage an, in dem es heißt:

„Ist Pächter des Betriebs der vom Erblasser bereits bestimmte Betriebsnachfolger, sollen die verpachteten Grundstücke aber begünstigtes Vermögen bleiben.“

Wir wollen versuchen, diese Bestimmung ins Gesetz aufzunehmen und nicht nur in die Begründung, die ja eine Erklärung dessen ist, was im Gesetz steht. Man kann den Passus dann auch gleich ins Gesetz schreiben.

Ich hoffe, dass für das übrige verpachtete Vermögen eine angemessene Lösung gefunden werden kann, die der Besonderheit des Agrarsektors gerecht wird. Wir müssen hier darüber hinaus berücksichtigen: Das gilt nicht nur für Hofnachfolger, sondern auch für Söhne und Töchter eines Handwerksbetriebs oder anderer Betriebe, die sie zunächst gepachtet haben, um sie dann zu erben und fortzuführen. Wir können ja kein reines Landwirtschaftsgesetz machen; denn das wäre verfassungsrechtlich bedenklich.

Zu Frage 3: Mögliche negative Folgen sind in der Anfrage bereits genannt worden. Aussagen zu Auswirkungen der Stundung der Erbschaftsteuer mit anschließender Steuerbefreiung für ausschließlich produktives Vermögen auf die landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen sind nicht möglich, da insoweit keine Daten vorliegen. Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

erscheint es auch nicht vertretbar, aufwändige Erhebungen durchführen zu lassen.

Lassen Sie mich ergänzend noch Folgendes sagen: Es ist geplant, dass der Gesetzentwurf zwar erst nächstes Jahr verabschiedet wird, das Gesetz aber rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft treten soll. Das ist kein Problem, weil er nur positive und keine negativen Auswirkungen hat. Deshalb ist die Rückwirkung verfassungsrechtlich unproblematisch.

Herr Minister, vielen Dank für diese umfassende Antwort.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das er- warten wir auch!)

Die erste Zusatzfrage stellt der Kollege Oetjen. Bitte schön, Herr Oetjen!

Herr Minister, ich hätte gerne gewusst, welche Auswirkungen Ihrer Meinung nach der Wegfall des bisherigen Freibetrags in Höhe von 225 000 Euro insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen Betriebe hat.

Herr Minister Möllring, bitte!

Bei begünstigten Vermögen hat der Wegfall keine Bedeutung, sofern der Betrieb entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen fortgeführt wird, weil die Erbschaftsteuer nach zehn Jahren völlig entfällt. Deshalb braucht man da keinen Freibetrag. Bei nicht begünstigen Vermögen wird im Gegenzug zu diesem Vorteil entsprechend höher besteuert. Wenn man das Steuerrecht ändert, gibt es immer ein Geben und Nehmen. Zudem wirkt sich der Wegfall des Freibetrags je nach Progressionswirkung auf den Steuersatz aus.

Weitere Zusatzfragen sehe ich nicht. Damit ist die erste Frage vollständig beantwortet.

Wir kommen zu

Frage 2: Stiehlt sich der Wirtschaftsminister aus seiner Mitverantwortung für den Busunfall in Herzberg?

Diese Frage wird gestellt von der Abgeordneten Emmerich-Kopatsch von der SPD-Fraktion. Frau Emmerich-Kopatsch, Sie haben das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach dem schweren Busunglück im Landkreis Osterode mit zahlreichen verletzten Kindern war in der Ostfriesen-Zeitung zu lesen, Minister Hirche wolle den Unfall lückenlos aufklären. Aus Presseberichten lässt sich die Vermutung ableiten, als wolle der Minister jetzt die Schuld bei denjenigen suchen, die am wenigsten für das Unglück verantwortlich sind. So war es der Wunsch des Ministers, im Bereich der Straßenmeisterei Herzberg einen Pilotversuch zur Privatisierung zu etablieren.

Inzwischen haben Vergleichsrechnungen gezeigt, dass die Kosten seitens der beauftragten Arbeitsgemeinschaft aus Kemna-Bau, Eurovia-Infra und Hastrabau-Wegener mit 6,8 Millionen Euro plus einer Nachforderung von 800 000 Euro im vergangenen Winter um etwa 35 bis 50 % höher liegen, als wenn die Leistung durch die Straßenmeisterei Herzberg selbst erbracht worden wäre. Auch der Landesrechnungshof bestätigt diese erhebliche Verteuerung.

Am Tage des Unfalls, um 3.45 Uhr, hat der Einsatzleiter der Arbeitsgemeinschaft vom zuständigen Wettermelder der Straßenmeisterei die Mitteilung bekommen, die sieben Räum- und Streuschleifen aufgrund von Glätte unverzüglich abzustreuen. Da bei dem von der Arbeitsgemeinschaft beauftragten Subunternehmer, der TSI Nordhausen, nur drei statt der vereinbarten sieben Fahrzeuge zur Verfügung standen, wurden ab 5 Uhr, also mit erheblicher Verspätung, nur die Strecken der vierspurigen Schnellstraße Herzberg - Seesen, deren Auf- und Abfahrten sowie eine Schleife Osterode - Riefensbeek - Clausthal-Zellerfeld gestreut. Die Strecke Herzberg - Pölde, die Landesstraße 530, auf der es zu dem Unfall kam, blieb aus den oben genannten Gründen ungestreut. Weitere Fahrzeuge trafen erst weit nach dem Unglück um 8.40 Uhr ein.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum hat der zuständige Verkehrsminister versucht, die aufgrund des Pilotversuchs nicht mehr für den Betriebsdienst zuständigen Mitarbeiter der Straßenmeisterei Herzberg dennoch für den Busunfall verantwortlich zu machen? Warum übernimmt er nicht selbst die Verantwortung für den Unfall, der vor allem auf die vom Minister veranlasste Privatisierung zurückzuführen ist?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die erhebliche Kostensteigerung durch die Privatisierung? Entspricht es den Tatsachen, dass zur Entkräftung des Vorwurfs der Verteuerung ein weiteres Gutachten angefordert wurde, das bis April 2007 bestätigen soll, die Privatisierung sei doch günstiger?

3. Wie aus einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums vom 30. Oktober 2006 hervorgeht, ist es unverändertes Ziel, im Betriebsdienst Kosten zu reduzieren. Nimmt die Landesregierung billigend eine Zunahme der Zahl schwerer Unfälle bei Glätte im Harz in Kauf, um dieses Ziel zu erreichen?

(Beifall bei der SPD)

Zur Beantwortung hat Herr Verkehrsminister Hirche das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst mein aufrichtiges Bedauern über den schweren Verkehrsunfall in Herzberg und unser Mitgefühl mit den verletzten Kindern, dem Busfahrer und den Angehörigen zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Es ist selbstverständlich, dass die Ursachen, die zu dem Unglück geführt haben, aufgeklärt werden müssen. Hinsichtlich des Ablaufes des Winterdienstes an diesem Tage habe ich deshalb unverzüglich eine umfassende Untersuchung der vertraglichen Regelungen mit der privaten Streufirma und möglicher dienstrechtlicher Konsequenzen veranlasst, da anfangs ein individuelles Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr nicht auszuschließen war. Dabei geht es aber in gar keiner Weise darum, irgendjemandem die Schuld zuzuschieben,