Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 109. Sitzung im 38. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.

Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

Am 9. Dezember letzten Jahres verstarb der frühere Landesminister und ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages, Herr Gerhard Glup, im Alter von 86 Jahren. Gerhard Glup gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der CDU-Fraktion vom 6. Juni 1967 bis zum 20. Juni 1986, d. h. von der sechsten bis zur zehnten Wahlperiode an. Er war Mitglied des Ältestenrates, des Kultusausschusses und des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, dessen Vorsitzender er auch wurde, bevor er zehn Jahre lang das Amt des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bekleidete.

Gerhard Glup hat sich mit herausragendem Engagement und Fleiß für die Belange nicht nur der Landwirtschaft und der Menschen in seiner Oldenburger Heimat, sondern ebenso des Landes Niedersachsen insgesamt eingesetzt. Er wurde mit den höchsten Auszeichnungen des Bundes und des Landes Niedersachsen bedacht.

Wir werden Gerhard Glup in guter Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einladung und die Tagesordnung liegen Ihnen gedruckt vor. Für die Aktuelle Stunde liegen vier Beratungsgegenstände vor. Es liegen drei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh beantwortet werden.

Auf der Basis der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbarten Redezeiten und des gleichfalls im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorgelegten Übersicht ersehen können.

Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt zu werden braucht. - Das Haus ist damit einverstanden.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.15 Uhr beendet sein.

Ich möchte Sie noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen: In der Portikushalle ist die vom Niedersächsischen Landesarchiv - Staatsarchiv Bückeburg - konzipierte Ausstellung „Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Stadthagen und die Geisteswelt der Renaissance“ und in der Wandelhalle die von den Niedersächsischen Landesforsten konzipierte Ausstellung „Fotowettbewerb Mensch und Wald“ zu sehen. Ich empfehle die Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.

Im Rahmen der Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden drei Tagen Schülerinnen und Schüler der Realschule aus Moormerland wieder mit einer Online-Redaktion live aus dem Landtag berichten. Als Patin wird die Abgeordnete Meta Janssen-Kucz erste Ansprechpartnerin der Nachwuchsjournalisten sein.

Des Weiteren werden im Rahmen des von der Multimedia-Berufsbildenden Schule initiierten Modellprojekts „Landtagsfernsehen“ wieder Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Humboldt-Schule Seelze Sendungen erstellen. Die einzelnen Sendungen stehen ab sofort unmittelbar nach ihrer Produktion im Internet auf der Homepage der MMBbS zum Abruf bereit und sollen auch über den Regionalsender h1 gesendet werden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst möchte ich erinnern.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. Bitte sehr!

Es haben sich für heute entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff ab 18.15 Uhr, der Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Herr Ehlen, auch ab 18.15 Uhr, und ebenso ab 18.15 Uhr der Umweltminister, Herr Sander. Von der Fraktion der CDU haben sich Frau Mundlos und Herr Thiele entschuldigt, von der Fraktion der SPD Frau Wörmer-Zimmermann und Herr Bartling vormittags. Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich für heute Frau Langhans entschuldigt.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1: Feststellung eines Sitzverlustes gemäß Artikel 11 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes - Antrag des Präsidenten des Niedersächsischen Landtages - Drs. 15/3477

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Ich lasse daher gleich abstimmen. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen. Die Abgeordnete Heidrun Merk ist damit aus dem Landtag ausgeschieden. Ich danke ihr im Namen des Niedersächsischen Landtages für die geleistete Arbeit und wünsche ihr für die Zukunft alles Gute.

(Starker, lang anhaltender Beifall im ganzen Hause - Die Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN erheben sich)

Damit es keine Missverständnisse gibt, möchte ich darauf hinweisen, dass ihre Nachfolgerin, Frau Krause-Behrens, nach Erledigung der Formalitäten zu einem späteren Zeitpunkt hier im Plenum begrüßt werden wird.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde - ich sagte es bereits liegen vier Beratungsgegenstände vor. Ich darf noch einmal sagen - Ihnen ist das bekannt, aber ich erinnere noch einmal daran -: Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Nach vier Minuten hören Sie ein „Ping“, und in der folgenden Minute müssen Sie dann mit Ihrer Rede zum Schluss kommen.

Ich rufe jetzt auf

a) Ist die Deichsicherheit bei dieser Landesregierung in guten Händen? Elbvertiefung verschärft Bedrohung der Küste! Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3489

Bitte schön, Herr Kollege Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt viele wirtschaftliche, soziale und ökologische Gründe gegen eine Elbvertiefung und gegen ein Einvernehmen zu dieser Maßnahme. Dazu zählt sicherlich auch der breite Widerstand vor Ort. Sie wissen, er wird nicht nur von einer Handvoll Umweltaktivisten getragen. Auch die 700 Teilnehmer der letzten Protestveranstaltung waren sicherlich nicht alles Wähler der Grünen. Dieser Protest kommt aus allen kommunalen Räten, einschließlich des Kreistages Cuxhaven. Selbst die sonst so zurückhaltenden Vertreter der Deichverbände werden inzwischen zu Kronzeugen gegen den Machbarkeitswahn der Vertiefungsstrategen.

Wir reden heute hier aber vor allen Dingen über die Deichsicherheit. Dabei haben wir eine ganze Reihe von Parametern zu beachten. Dabei geht es um verstärkte Watt- und Uferabbrüche, um Deckwerksbeschädigungen, um Deiche ohne Vorlandschutz, um die Erosion der Unterwasserböschungen bei den Fahrrinnen. Ferner geht es um die Verstärkung von Strömungsgeschwindigkeiten, um höheren Tidenhub mit höheren Sturmflutwasserständen, um höhere Belastungen durch Wind- und Schiffswellen und einiges mehr.

Wer behauptet, er könne das alles berechnen, prognostizieren und dann auch noch vorbeugend sicher kompensieren, der sollte sich gleich bei den Turmbauern von Babel einreihen. So geht es jedenfalls nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hinzu kommen noch die zusätzlichen Gefahren durch den Klimawandel, den diese Landesregierung vorsichtshalber erst einmal ignoriert. Damit haben wir nicht nur an der Elbe ein Problem, sondern auch an der Weser, an der Ems, an der übrigen Küstenlinie und an den Inseln. Der Klimawandel ist nämlich real. Wissenschaftler sind sich da einig - ich erinnere noch einmal an den SternReport -, und die Natur liefert den empirischen Beweis. Der Nordpol verlor 2004 14 % seines angeb

lich ewigen Eises. Das Abschmelzen der Gletscher in den Alpen ist mit bloßem Auge erkennbar. Der Hurrikan „Katrina“ setzte New Orleans 7,60 m unter Wasser und forderte 1 800 Menschenleben. Denken Sie auch aktuell an die Dünenabbrüche auf den Ostfriesischen Inseln und an „Kyrill“. Es ist sicherlich nicht das Verdienst dieser Landesregierung, dass dieser Orkan nicht so schlimm wurde wie prognostiziert und dass er uns bei Niedrigwasser erreichte. Denken Sie ferner an den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg; auch der ist real - in den letzten 40 Jahren zwei- bis dreimal so schnell wie früher. Selbst die konservativsten wissenschaftlichen Szenarien gehen bis 2100 von mindestens 60 bis 70 cm aus. Der Super-GAU, ein Abschmelzen des Grönland-Eises, würde 6 m bedeuten.

Die Landesregierung ist davon unbeeindruckt. Sie tut so, als gäbe es den Klimawandel nicht. Der niedersächsische Küstenschutzplan glaubt, ohne speziellen Klimawandelzuschlag auszukommen, und akzeptiert ein Schutzniveau, das deutlich niedriger ist als in Schleswig-Holstein und in den Niederlanden. Die Landesregierung sagt einfach: Wir hatten in den letzten 100 Jahren 25 cm Meeresspiegelanstieg, also gehen wir auch in den nächsten 100 Jahren davon aus. - Meine Damen und Herren, so funktioniert die Natur nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin in meinen ersten zehn Lebensjahren etwa 1 m gewachsen. Wenn die Prinzipien der Landesregierung stimmen würden, dann müsste ich jetzt etwa 6 m groß sein.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sie heißen doch „Klein“!)

Zurück zur Elbvertiefung. Meine Damen und Herren, es gibt keinen Spielraum mehr für weitere Risiken in dieser Sache, schon gar nicht für Risiken, die einen Umfang und eine Art wie dieses beispiellose Experiment haben. Immerhin geht es um 2,55 m Vertiefung und eine Verbreiterung um 50 m. Deswegen der Appell an die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen: Bringen Sie den Deichschutz in Niedersachsen auf ein vernünftiges Niveau, indem Sie den Klimawandel mit einrechnen, und versagen Sie aktuell der Elbvertiefung das Einvernehmen! Jede andere Position ist eine Gefahr für das Eigentum, für die Gesundheit und für das Leben der Menschen hinterm Deich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. - Als Nächster hat sich der Kollege Oetjen gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Rede des Kollegen Klein hat es wieder gezeigt: Die Grünen sind eine Partei, die von den Ängsten der Menschen lebt. Die Grünen setzen nicht auf Sachlichkeit und auf Information, sondern sie streuen den Menschen Sand in die Augen und machen ihnen Angst.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist doch so alt!)

Das manifestiert sich, Frau Kollegin, auch in dieser heutigen Aktuellen Stunde zur Deichsicherheit. Anstatt anzuerkennen, dass diese Landesregierung auf einem guten Weg ist, versuchen Sie, mit Halbwahrheiten und Desinformation so zu tun, als würden CDU und FDP die Interessen Niedersachsens in der Frage der Elbvertiefung vernachlässigen. Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Die Landesregierung nimmt die Sorgen der Menschen im Elbe-Weser-Dreieck sehr ernst und vertritt die Interessen dieser Region nachdrücklich. Dafür sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ganz eindeutig hat die Landesregierung in einem Kabinettsbeschluss formuliert, wie die Voraussetzungen dafür sind, dass ein Einvernehmen zur Elbvertiefung gegeben wird. Übrigens, Herr Kollege Klein, für ein solches Einvernehmen gibt es eine Rechtsgrundlage: Es muss hergestellt werden, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Diese sind u. a. die Folgewirkungen auf die Deichsicherheit, die Abarbeitung der Auflagen bei der Fahrrinnenanpassung von 1999 - das war die letzte Elbvertiefung -, die Kompensation der negativen Auswirkungen der Verschiebungen der Brackwasserzone, der Erhalt der Zufahrt zu den niedersächsischen Häfen usw. usf.

Ich stelle fest: Diese Landesregierung stimmt eben nicht wahllos einer Elbvertiefung zu, sondern

macht dem Antragsteller - das ist in dieser Frage der Bund - hohe Auflagen, und das ist gut so.

(Beifall bei der FDP - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Welche denn?)

Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch feststellen, dass das Land Niedersachsen ein erhebliches Interesse daran hat, dass der Hafen Hamburg als Wirtschaftsstandort prosperiert. Die Arbeitsplätze von mehr als 30 000 Niedersachsen hängen direkt oder indirekt mit dem Hamburger Hafen zusammen. Damit ist er einer der wichtigsten Arbeitgeber für die Mitbürger im Hamburger Umland und niedersachsenweit.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ganz ge- nau!)

Was die Frage der Deichsicherheit insgesamt angeht, so können wir auf das Niedersächsische Umweltministerium sehr stolz sein. Erstmals seit 1973 wurde von Umweltminister Sander wieder ein Generalplan Küstenschutz für die gesamte niedersächsische Festlandküste vorgelegt. Das hat die SPD in ihrer Regierungszeit nicht hinbekommen.