Protokoll der Sitzung vom 27.06.2003

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Hängen Sie sie eigenhändig wieder auf!)

Ich hänge niemanden eigenhändig auf und lasse auch nicht zu, dass das andere tun.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als für Postfragen zuständiger Minister darf ich die Antwort geben. Die Deutsche Post AG hat mit Beginn November 2002 ihren Postagenturnehmern eine neue vertragliche Regelung für die Weiterführung der Geschäftsbeziehungen vorgelegt. Die Vertragsmuster sind nach Ansicht der Agenturnehmer allerdings so ausgestaltet, dass sie teilweise einen wirtschaftlichen Betrieb der Postagenturen in Frage stellen können. Konkret besteht hier die Gefahr, dass die bereits ausgesprochenen und noch zu befürchtenden Kündigungen von Agenturverträgen die Einhaltung der Bestimmungen der PostUniversaldienstleistungsverordnung infrage stellen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Gesamtzahl der bundesweit vorzuhaltenden 12 000 Postfilialen, zum anderen aber auch hinsichtlich der Gemeinden, die aufgrund des Größenkriteriums Pflichtstandort sind.

Etwa zeitgleich hat die Deutsche Post AG damit begonnen, Briefkästen in großem Umfang abzubauen. Briefkästen müssen nach den Bestimmungen der Post-Universaldienstleistungsverordnung so ausreichend vorhanden sein, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1 000 m zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen.

Auch wenn generell die Deutsche Post AG mit ihren Maßnahmen nicht gegen die PostUniversaldienstleistungsverordnung verstößt, nimmt die Landesregierung diese Entwicklung mit großer Sorge zur Kenntnis.

Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet:

Zu 1: Der Bundesregierung obliegt die Verantwortung für die Sicherstellung des im Artikel 87 f des Grundgesetzes normierten Gewährleistungsauftrages einer flächendeckend angemessenen und ausreichenden Infrastruktur des Postwesens. Die Gesamtproblematik und aktuelle Entwicklung werden daher seit Dezember 2002 regelmäßig im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erörtert.

Die Landesregierung steht mit der Deutschen Post AG sowohl über den Beirat der Regulierungsbehörde als auch bilateral in Kontakt.

Der Beirat hat sich gegenüber der Deutschen Post AG mehrfach dafür ausgesprochen, eine flächendeckende und effiziente Versorgung mit Postdienstleistungen beizubehalten. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, ihrerseits ihren zweifellos bestehenden Einfluss geltend zu machen.

Der Beirat hat durchgesetzt, dass im März 2003 im Einvernehmen mit der Deutschen Post AG ein Informations- und Meldesystem eingerichtet wurde, mit dem Versorgungslücken im Filialnetz künftig rechtzeitig erkannt und zeitnah geschlossen werden können.

Begleitend dazu habe ich Herrn Bundesminister Clement am 4. April 2003 gebeten, seinen Einfluss dahin gehend geltend zu machen, dass die Geschäftspolitik der Deutschen Post AG überdacht wird.

Unter dem 24. April 2003 habe ich an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post AG, Herrn Dr. Zumwinkel, appelliert, die postalische Infrastruktur nicht weiter auszudünnen, da gerade der

ländliche Raum in besonderem Maße negativ betroffen wäre. Der Forderung nach einer Übersicht über die Standorte abgebauter oder zum Abbau vorgesehener Briefkästen konnte oder wollte die Deutsche Post AG nicht nachkommen. Ich habe dazu mein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass eine verantwortungsbewusste Bereitschaft zu einem offenen Dialog wenig ausgeprägt ist.

Die Wirtschaftsministerkonferenz hat am 14./15. Mai dieses Jahres von der Deutschen Post AG gefordert, dass sie ihre vertraglichen Regelungen im Sinne partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Postagenturnehmern überarbeitet.

Aufgrund dieser länderseitig initiierten Aktivitäten konnte die Bundesregierung mittlerweile sensibilisiert werden. Die Bundesregierung hat zwischenzeitlich zugesagt, die Verpflichtung der Deutschen Post AG zur Bereitstellung einer ausreichenden postalischen Infrastruktur verstärkt zu überwachen.

Zu 2: Die Landesregierung nutzt auch weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um gegenüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber der Deutschen Post AG auf den postalischen Versorgungsauftrag und die Belange der Postagenturbetreiber aufmerksam zu machen.

Der Beirat bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hat auf seiner Sitzung am 23. Juni 2003 noch einmal bekräftigt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Mit einem einstimmigen Beschluss hat der Beirat die Regulierungsbehörde zudem beauftragt, bis zur nächsten Sitzung geeignete Vorschläge zu unterbreiten, wie den erkannten Defiziten wirkungsvoll und praxisgerecht begegnet werden soll.

Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Deutsche Post AG in ländlichen Räumen und Bereichen mit einem höheren Anteil älterer Menschen nicht allein auf die Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung als Bemessungsgrundlage abstellt. Als Kriterium für die Standortfestlegungen könnte auch die Frequentierung durch die fußläufigen Benutzergruppen herangezogen werden. Die kommunalen Gebietskörperschaften könnten dazu sicherlich wertvolle Hinweise geben, sodass die Standortbestimmung insbesondere von Briefkästen durch eine Kombination von rechtlichen Kriterien, Nutzung und Wirtschaftlichkeit erfolgt. Allerdings bestehen keine rechtlich zwingenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik der Deutschen Post AG. Die Ver

tragsvereinbarungen zwischen der Deutsche Post AG und den Postagenturnehmern unterliegen grundsätzlich der unternehmerischen Dispositionsfreiheit.

Zu 3: Über die unter den Nrn. 1 und 2 genannten Maßnahmen hinaus sieht die Landesregierung zurzeit keine weiterführenden Unterstützungsmöglichkeiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Abgeordneter Steinecke!

Neben der Schließung von Postfilialen, der Demontage von Briefkästen und der Schließung von Toto-Lotto-Annahmestellen steht zu befürchten bzw. wird ja auch mittlerweile praktiziert, dass die Sparkassen zunehmend Filialen im ländlichen Raum schließen. Ich frage die Landesregierung, ob sie diesbezüglich mit dem Sparkassen- und Giroverband Gespräche geführt hat und, wenn ja, mit welchem Ergebnis.

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt in der Tat im Hinblick auf die vorhandenen Kostenstrukturen viele parallel zueinander liegende Einzelentscheidungen von Wirtschaftsunternehmungen. Das ist eine Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Lande. Im Hinblick auf die Kreditversorgung der niedersächsischen Wirtschaft stehen wir als Wirtschaftsministerium selbstverständlich in einem allgemeinen Dialog. Das muss in Form eines allgemeinen Dialogs sein; denn die Dispositionsfreiheit unterliegt auch in diesem Zusammenhang den einzelnen Branchen und Unternehmungen. Ich stelle aber zu meiner Zufriedenheit fest, dass trotz der Politik, die insbesondere die Großbanken mit der Reduzierung von Filialen in der Fläche betreiben, aufseiten der Genossenschaftsbanken und der Sparkassen bis jetzt keine derartige Ausdünnung erkennbar ist. Ich hoffe, es bleibt auch dabei.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe allerdings die Befürchtung, dass sich, wenn die wirtschaftlich schwierige Situation weiter so anhält, das auch auf das Bankenwesen auswirkt. Insbesondere die Vertreter der Fläche hätten dann einen Anlass, von der Bundesregierung eine Politik für mehr Wachstum in Deutschland einzufordern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abgeordneter Steinecke, die zweite Zusatzfrage!

Ich frage die Landesregierung, ob sie ein konkretes Förderprogramm plant, mit dem die Versorgung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen im ländlichen Raum gesichert wird.

Herr Minister Hirche!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Landtag, wie auch der Öffentlichkeit, ist sicherlich bekannt, dass alles, was wir an Fördermaßnahmen betreiben – das galt im Übrigen auch schon für die frühere Landesregierung -, Vorbehalten der Europäischen Union unterliegt. Hier können nicht beliebig bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Wir legen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe und der Ziel-2-Gebiete, der Möglichkeiten also, die die Europäische Union hier den Bundesländern lässt, konkrete Hilfsprogramme auf. Mit der Gründung der N-Bank wird unter den Vorgaben der Europäischen Union der Versuch gemacht, diese Probleme insbesondere im ländlichen Raum zu berücksichtigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Johannßen.

Herr Minister, Sie haben angedeutet, dass die Problematik der wirtschaftlichen Entwicklungen bei möglichen Schließungen im Bankenwesen besonders den ländlichen Raum tangieren würde. Wann legt die Landesregierung ihr angekündigtes Programm zur Stärkung des ländlichen Raums vor?

Herr Minister Ehlen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, wann wir die verschiedenen Dinge in Gang setzen, ist sicherlich berechtigt. Ich will Ihnen aber eines sagen: Das Segment für den ländlichen Raum, das in unserem Ministerium ja vorhanden ist, kann sicherlich all das, was in 13 Jahren SPDRegierung versäumt wurde, nicht in 100 Tagen ändern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Johannßen, ich kann Ihnen versichern, dass viele Dinge in Arbeit sind, die dazu beitragen werden, den ländlichen Raum in seiner Gesamtheit zu stärken.

(Zustimmung bei der CDU - Rebecca Harms [GRÜNE]: Gestern waren Sie doch noch der Bremser!)

Das Wort für seine zweite Zusatzfrage hat der Abgeordnete Johannßen.

Herr Minister, Sie haben eben angekündigt, dass viele Dinge in Arbeit sind – das ist Ihr O-Ton. Sie setzen ja einiges in Gang, z. B. in Ihrem Ministerium die Verwaltungsreform. Wie wollen Sie sicherstellen, dass diese angekündigte Verwaltungsreform mit der Reduzierung von 6 000 Arbeitsplätzen nicht einseitig zulasten des ländlichen Raumes gehen wird?

Herr Minister Ehlen!

Mit dieser Verwaltungsreform werden wir sicherlich ein großes Rad drehen. Dass im Zusammenhang damit auch die Zahl von Arbeitsplätzen in der Verwaltung im ländlichen Raum vermindert wird, wird sich nicht vermeiden lassen. Wir werden aber dafür sorgen, dass all das, was für die Verwaltung im ländlichen Raum wirklich notwendig ist, erhalten bleibt und auch gestärkt und gestrafft wird und dass die Verwaltung bürgerfreundlicher sein wird als in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Harden.

Herr Minister Ehlen, Sie haben auf die Frage, wann Sie das angekündigte Konzept zur Stärkung des ländlichen Raumes vorlegen werden, nur ausweichend geantwortet. Zumindest haben Sie keinen Zeitpunkt genannt. Ich frage Sie: Geht es Ihnen so wie Ihrer Kollegin von der Leyen, dass Sie Ihr Amt angetreten und nach einem Konzept gesucht, aber keines gefunden haben und dass Sie auch kein Konzept hatten?

(Reinhold Coenen [CDU]: Was soll das denn?)

Herr Minister Ehlen, es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie diese Frage beantworten wollen oder nicht.

Herr Kollege Harden, ich beantworte Ihre Frage sehr gerne. Sie haben sicherlich unser Wahlprogramm gelesen. Sie haben sicherlich unseren Koalitionsvertrag gelesen und auch unsere Regierungserklärung gehört. Wenn Sie das getan haben, dann haben Sie sicherlich mitbekommen, dass wir ein