Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Die Angebote für die Berufsorientierung, die Verringerung der Nichtabschlussquote usw. sind nicht in allen Schulformen gleich. Ich bedauere beispielsweise, dass in den Gesamtschulen das Paket an berufsorientierenden Maßnahmen, das wir im allgemeinbildenden Schulwesen offenbar mit Erfolg zur Anwendung bringen, keine Anwendung findet. Man sollte vielleicht einmal gemeinsam darüber nachdenken, auch dort entsprechende Angebote zu machen. Mit Systemverliebtheit hat das allerdings gar nichts zu tun.

Herr Kollege, das Errichtungsverbot steht im Schulgesetz. Wenn hier Fragen gestellt werden, dann können Sie erwarten, dass sich die Antwort des Kultusministers dieses Landes auf der Basis des Schulgesetzes bewegt, also ein Errichtungsverbot für Gesamtschulen. Damit ist die Frage wohl beantwortet.

(Beifall bei der CDU)

Eine zweite Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Korter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Wulff, Herr Busemann, Herr Klare, wenn man Ihre Einlassungen über die Hauptschulen hört, dann ist ja offensichtlich alles wunderbar und in bester Reihe. Ich bin wirklich erstaunt darüber, wie Sie das hier verbreiten. Was denken wohl alle die Hauptschülerinnen und Hauptschüler und die Realschülerinnen und Realschüler, die wir hier zu Besuch haben, die alle

noch keine Lehrstelle im dualen System gefunden haben? Jede Besuchergruppe hier kann uns bestätigen: Mindestens die Hälfte hat keinen Ausbildungsplatz, bei den Hauptschülern ist es mehr als die Hälfte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben diese Dringliche Anfrage heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil es uns ein dringendes Anliegen ist, dass alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen einen vernünftigen, guten Abschluss bekommen, mit dem sie auch etwas anfangen können.

(Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt müs- sen Sie aber zur Frage kommen!)

Das hat nichts mit Schlechtreden zu tun. Der Kultusminister erzählt uns hier ständig etwas über Flickschusterei und Einzelprojekte.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie sind i- deologisch verbohrt!)

Sie machen Praxistage - 60 bis 80 Tage Unterricht fehlen dann in den Hauptschulen

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: So ein Unfug, Frau Korter!)

und hoffen auf Klebeeffekte. Das hatten wir schon längst vorher. Das ist kalter Kaffee!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Da fallen ei- nem die Ohren ab! Das ist ja schlimm! Das darf doch nicht wahr sein!)

Und dann erzählen Sie uns hier von Ihrem bundesweit wirklich einmaligen Aussortierungsprojekt „Abschlussquote erhöhen“.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das geht zu weit!)

Frau Korter, einen Augenblick!

Meine Frage kommt jetzt.

Nein, Frau Korter. Wir haben mit den Geschäftsführern darüber diskutiert, dass die Einleitung der

Fragen wirklich ausgenutzt werden kann. Meine Damen und Herren, ich will Ihre Einleitung nun als Beispiel nehmen. So geht es nicht. Frau Korter wird jetzt ihre Frage stellen. Wenn das demnächst wieder so passiert, werde ich sofort unterbrechen. - Frau Korter, Sie haben das Wort.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Man muss sie in Schutz nehmen; sie kann nicht anders!)

Danke, Herr Präsident. Ich komme zu meiner Frage. Sie haben das Einzelprojekt „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“ hier genannt und als bundesweit einzigartiges Projekt bezeichnet. Einzigartig ist es wirklich in der Aussortierung. Ich frage die Landesregierung: 500 Schülerinnen und Schüler, die schwächsten Schüler aus allen Hauptschulen, sind für anderthalb Jahre in diesem Projekt. Dafür wurden noch wieder die Schwächsten der Schwachen aussortiert.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Nein, geför- dert!)

Einmal stelle ich in Frage, dass das einen sinnvollen Nutzen hat, und dann frage ich Sie, Herr Busemann: Was machen Sie denn mit den anderen 3 500 Hauptschülern, deren Abschluss gefährdet ist? Wo ist das Gesamtkonzept für diese Schülerinnen und Schüler, damit auch sie einen vernünftigen Abschluss erlangen?

Herr Minister Busemann!

Herr Präsident! Frau Kollegin, man muss manchmal an sich halten, wenn man solche Fragen gestellt bekommt. Sie fordern von uns ständig: fördern, fördern, fördern. Wenn wir es dann zielgerecht tun, sagen Sie: Das ist aussortieren, das ist selektieren, das ist menschenverachtend. - Was ist denn nun richtig?

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben Handlungsbedarf gerade in diesem Bereich. Dann sagen Sie doch irgendwann auch einmal: Es ist in Ordnung; was ihr da macht, ist eine wunderbare Sache. - Wir werden das evaluieren und sehen, ob wir das Angebot noch verbrei

tern können. Das hat auch etwas mit Ressourcen zu tun. Ich weise Sie darauf hin: Für die jungen Leute ohne einen guten oder ganz ohne einen Hauptschulabschluss haben wir zum Beispiel an den Berufsschulen an zurzeit etwa 20 Standorten die Berufseinstiegsklassen eingeführt, ebenfalls für eine Personengruppe von 500 Jugendlichen. Ziel dieses Förderprogramms ist es, die jungen Leute zur Berufsreife zu führen. Lassen Sie einem solchen System doch auch einmal die Zeit zum Wirken! Das wird an jeder Stelle eingefordert und muss auch hier möglich sein.

Aus den Ausführungen des Ministerpräsidenten ist auch deutlich geworden, dass die Schülerzahlen zurückgehen werden. Wir haben heute im allgemeinbildenden Schulsystem fast 1 Million Schüler, den sogenannten Schülerberg. Diese Zahl wird auf etwa 800 000 sinken. Das heißt, als Folge der demografischen Entwicklung, aber auch bei dem in Zukunft zu erwartenden Bedarf der Wirtschaft an Ausbildungs- und Arbeitskräften brauchen wir jeden Schulabgänger, den mit Gymnasialabschluss, den mit Realschulabschluss und auch den mit Hauptschulabschluss, richtig und passend gefördert. Denn das ist viel mehr wert als irgendein Türschild, auf dem „Gesamtschule“ steht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sollten vielleicht auch einmal auf diese Diskussion eingehen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das ist doch weiße Salbe ohne Geschmack! - Gegenruf von der CDU: Sie braucht keinen Geschmack; sie muss wirksam sein!)

Eine zweite Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Steiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es nützt auch nichts, wenn der Minister jetzt mit emotionalen Aufwallungen vom eigentlichen Problem wieder ablenkt.

(Lachen bei der CDU)

Wir unterhalten uns darüber - das ist unser Anliegen -, weshalb wir bei Hauptschulabgängern eine

so hohe Schulabbrecherquote haben und dass wir diese Situation ändern und die Zahl nach unten korrigieren wollen.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Der zweite Punkt ist, dass selbst Hauptschüler mit Abschluss nur in einer geringen Quote Ausbildungsplätze bekommen.

Jetzt stellen sich der Minister und der Ministerpräsident hin und sagen: Das aber liegt auf keinen Fall am System Hauptschule, wir müssen lediglich noch mehr Praxistage - und noch weniger Theorie, noch weniger Kognitives - in dieses System bringen. Dann wird dieses gerade genannte Projekt „Abschlussquote erhöhen - Berufsfähigkeit steigern“ angeboten, und Sie nennen uns selbst die Zahlen: 500 von 4 000 Schulabbrechern oder Schulabgängern ohne Abschluss nehmen an diesem Projekt teil. Das ist ein Achtel eines Jahrgangs. Was ist mit den restlichen sieben Achteln? Was ist nächstes Jahr mit den restlichen sieben Achteln? - Das reicht nicht.

Frau Kollegin, die eine Minute haben Sie überschritten.

(David McAllister [CDU]: Das ist eine Bewerbungsrede!)

Ich komme zur Frage. Die Frage, die ich daran knüpfe, ist: Wie wollen Sie erreichen, dass mehr als dieses eine Achtel tatsächlich zu einem Abschluss kommt und so qualifiziert ist, dass die Jugendlichen dann tatsächlich auch eine Ausbildung schaffen und die Handwerkskammern nicht nachqualifizieren müssen?

Wunderbar. Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Frau Kollegin, es liegt in der Natur von Modellprojekten, dass sie in der Regel vorzüglich ausgestattet sind, aber nicht gleich von heute auf morgen auch flächendeckend eingeführt werden können. Man will mit einem Modellprojekt auch gewisse Erfahrungen machen und Antworten auf

die Fragen finden: Ist es geländegängig für einen flächendeckenden Einsatz? Ist es umsetzbar? Ist es bezahlbar? - Diese Erprobungsphase müssen Sie einem solchen Modell schon zugestehen. Ich finde, es ist ein hervorragendes Modell. Sie reden es eigentlich schon wieder schlecht.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei Ihnen heißt es gleich wieder: Ja, es ist gut, aber warum nicht gleich für alle? Das Projekt braucht seine Zeit.

Ich habe auf die Maßnahmen für Schüler ohne Abschluss oder mit schwachem Abschluss im Bereich der beruflichen Bildung hingewiesen. Seit einer Stunde verweise ich jetzt auf das ganze Paket von Einzelmaßnahmen und Fördermaßnahmen gerade im Hauptschulbereich. Ich glaube, dass dieses Bündel von Maßnahmen - meinetwegen mit neuen Erkenntnissen und Verbesserungen - in den nächsten Jahren durchaus greifen wird.