Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

(Reinhold Coenen [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

Es ist einfach so; das wird verweigert. Hier leben bereits Leute, die die Fähigkeit haben, das Gymnasium zu besuchen, bzw. die eine hervorragende Ausbildungssituation hätten, wenn sie es denn machen dürften. Warum brauchen Sie Zuwanderung von außen, wenn ein Teil dieser Menschen, die wir hier brauchen, die qualifiziert und gut sind, bereits hier lebt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Zusätzliche Redezeit erhält Herr Kollege Bachmann; drei Minuten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, so, wie Frau Lorberg versucht hat, eine Legende bezüglich der Motivation für unsere Anträge aufzubauen - ich habe das in der Kurzintervention ja widerlegt -, versucht Herr Schünemann, hier den Popanz aufzubauen, wir würden einer ungehemmten Zuwanderung in die Sozialsysteme das Wort reden. Herr Schünemann, Sie müssten es besser wissen. Ich zitiere aus den Begründungen der Großen Koalition in Berlin - das betrifft also auch Ihre Partei; ich nehme an, Sie sind da noch Mitglied -:

„Maßgeblich ist, dass diese Aufenthaltserlaubnis gleichzeitig zur Erwerbstätigkeit berechtigt.“

Das ist ein anderer Zugang; da haben Sie recht. Das ist auch die Position von Müntefering, der sagt: Ich möchte grundsätzlich erst einmal den Status eines humanitären Bleiberechts und dann Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt. - Die IMK baut es anders auf, indem sie sagt: Erst Arbeit, dann bleiben. - Das hat die Folgewirkungen, die ich beschrieben haben: Es besteht kein gleichberechtigter Zugang. Die Betreffenden werden bis September Nischenarbeitsplätze suchen müssen, und sie müssen alles annehmen, was man ihnen anbietet.

Wir sagen aber nicht, wer anschließend keine Arbeit aufnimmt, kann ab 2013 bleiben und wird auf Dauer Sozialhilfe beziehen. Ich zitiere weiter - damit wird widerlegt, was Sie gesagt haben -:

„Zunächst also hatte die IMK den Nachweis eines Arbeitsplatzes verlangt, bevor sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Aussicht stellt... wird die Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis also unabhängig von der Arbeitssituation des bislang Geduldeten mit diesem Gesetzentwurf ermöglicht. Die Betroffenen sind verpflichtet, sich Arbeit zu suchen. Maßgeblich ist das Prinzip Fördern und Fordern des SGB II. Die Aufenthaltserlaubnis gilt zunächst“

- da unterscheiden wir uns

„befristet bis 31. Dezember 2009. Sie soll dann nur um zwei weitere Jahre verlängert werden können, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers bis dahin überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert war oder er seit mindestens 1. April 2009 seinen Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sichert und dies auch für die Zukunft gilt.“

Es ist schlicht und ergreifend nicht wahr, dass wir ab 2013, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden, sehenden Auges in Kauf nehmen, dass ausschließlich über Sozialhilfe finanziert wird.

Herr Schünemann, beantworten Sie mir einmal eine Frage, warum die Süddeutsche Zeitung am 7. März 2007 Folgendes schreibt:

„Erstaunlich ist nur, dass das Thema Sozialleistungen beim Bleiberechtskompromiss bisher offensichtlich keine besondere Rolle gespielt hat. So haben sich die Beamten in den Innenministerien der Länder erst am Dienstag dieser Woche zusammengesetzt, einmal auszurechnen, was das eigentlich kostet.“

Es gibt überhaupt keine Zahlen. Die Zahlen, mit denen Sie da operieren, sind reine Phantomüberlegungen, um Stimmung zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung Herr Minister Schünemann, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Langhans, hier zu behaupten, es gebe keine Schlepperorganisationen mehr, die Zuwanderung nach Deutschland organisieren, und, weil weniger hier sind, einfach davon auszugehen, diese Organisationen seien nicht mehr tätig, ist allerdings sehr bedenklich. Das betrifft genau das, was ich gesagt habe. Wir dürfen jetzt nicht falsche Signale aussenden, indem wir sagen:

Es lohnt sich wirklich, für einige Jahre hier zu sein. Wenn jemand erst einmal einen Aufenthaltstitel hat - faktisch ist es ja so, dass dann fast keine Chance mehr besteht, dass er diesen los wird -, dann kann er hier auf Dauer von Sozialhilfe leben.

Welche Folgen es hat, wenn solche falschen Signale ausgesendet werden, haben wir am Beispiel einiger europäischer Länder gesehen. Gucken Sie sich einmal an, was in Spanien passiert ist. Das ist allein deshalb geschehen, weil eine Regierung dort die falschen Signale ausgesendet hat. Das ist meiner Ansicht nach schwierig.

Was die Sozialhilfeleistungen betrifft, sehr geehrter Herr Bachmann, so handelt es sich um exakte Durchschnittszahlen, die jedem und jeder Landesregierung zur Verfügung stehen. Wir würden sie auch Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Es ist einfach Fakt, man kann genau ausrechnen, wie viel Anspruch man hat. Wenn man eine Familie mit drei Kindern hat, dann weiß man genau, wie viel man kriegt. Das sind 1 826 Euro.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wir haben eine ganz andere Vorstellung von Integration! Wir wollen doch nicht, dass die Sozialleistungen bekom- men!)

- Sie haben gesagt, die Innenminister hätten sich überhaupt nicht darüber unterhalten, wie viele Sozialleistungen wir zu erbringen haben. Diese Zahl habe ich Ihnen eindeutig genannt.

Man hat sich am Dienstag aufgrund des Vorschlages aus Bayern einmal zusammengesetzt, um zu sehen, welche Auswirkungen das hat. Welche Auswirkungen das hat, habe ich Ihnen gerade dargestellt, nämlich bei einem verfestigten Aufenthaltstitel eine Absenkung um insgesamt 30 %. Meine Damen und Herren, man muss sehen, ob wir das insgesamt tatsächlich umsetzen können. Ich bin mir nicht so sicher, ob das möglich ist.

Wir sollten wirklich aufhören zu signalisieren, dass aufgrund der Kriterien, die Bestandteil der gesetzlichen Bleiberechtsregelung sind, irgendeine Chance besteht, eine größere Motivation dafür zu schaffen, dass eine Arbeit aufgenommen wird. Wir haben in der Innenministerkonferenz beschlossen, dass erst ein Arbeitsvertrag vorgelegt werden muss. Übrigens können sich die Betreffenden frei in ganz Deutschland um einen Arbeitsplatz bewerben. Sie müssen natürlich, etwa wenn sie von Niedersachsen nach Bayern gehen, mit der

Agentur verhandeln und das dort darstellen. Aber es gibt überhaupt keine Beschränkung in diesem Bereich. Erst dann, wenn sie einen Arbeitsplatz haben, bekommen sie einen verfestigten Aufenthaltstitel. Das war in der Vergangenheit so. Das hat sich bewährt. Wenn Sie diesen Paradigmenwechsel vornehmen, dann haben Sie das, was ich befürchte, nämlich einen Sog in die Sozialsysteme und ein falsches Signal nach außen. Deshalb kämpfe ich so vehement dafür, dass dieser Paradigmenwechsel nicht stattfindet.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst zu Tagesordnungspunkt 41. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3364 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Ich rufe die Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 42 auf. Wer möchte der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 3125 ablehnen? - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Wir machen jetzt eine Stunde Mittagspause. Das heißt, um 14.30 Uhr sehen wir uns hier wieder. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!

Unterbrechung der Sitzung: 13.31 Uhr.

Wiederbeginn der Sitzung: 14.33 Uhr.

Guten Tag, Meine Damen und Herren. Wir setzen die Sitzung jetzt fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, erteile ich Herrn Dehde von der SPD-Fraktion zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich weiß, dass der Umweltminister aus berechtigten Gründen jetzt nicht hier sein kann

(Bernd Althusmann [CDU]: Was?)

- das ist keine Frage, Herr Althusmann -, muss ich hier doch noch einmal auf die Diskussion von heute Morgen eingehen, in deren Verlauf ich auf eine Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen zur Frage der Klimaschutzziele und einer möglichen Reduktion dieser Klimaschutzziele eingegangen bin. Herr Minister Sander hat hier dann erklärt, es gebe diese Bundesratsinitiative nicht, er kenne sie jedenfalls nicht. Er hat mir dann in diesem Zusammenhang Halbwissen unterstellt.

Meine Damen und Herren, ich zitiere:

„Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich Zielsetzungen der Kommission betreffend die Reduzierung von CO2-Emissionen, die Steigerung der Energieeffizienz und die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien. Eine Verbindlichkeit der Zielsetzungen lehnt der Bundesrat jedoch ab, da sie mit der Gefahr von Fehlallokationen und steigenden Kosten etc. verbunden ist.“

Meine Damen und Herren, bei diesem Text handelt es sich um einen Antrag des Freistaates Bayern sowie der Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen vom 22. Februar im Bundesrat. Uns ist - so, wie ich es heute Morgen hier vorgetragen habe - am 19. Februar genau über diesen Passus vorgetragen worden. Das heißt für mich: Minister Sander hat hier heute Morgen das Parlament falsch informiert, mindestens insoweit, als er erklärt hat, es gebe eine solche Initiative nicht. Meine Damen und Herren, wenn er das nicht macht, sondern nur seinen eigenen Antrag nicht kennt, dann kann ich nur feststellen, dass es ihm mindestens nicht zusteht, irgendwelchen anderen Abgeordneten Halbwissen zu unterstellen. Ich erwarte hier dann bei passender Gelegenheit mindestens eine Entschuldigung und eine Richtigstellung gegenüber dem Parlament.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Dehde.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 44: Zweite Beratung: Naturschutzpolitik der Landesregierung darf die niedersächsische Wirtschaft nicht länger unsachgemäß behindern - EU-Vogelschutzgebiete endlich vollständig melden! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2854 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/3600

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Jetzt hat sich der Abgeordnete Herr Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein nicht zu überbietendes Trauerspiel, was sich der Umweltminister bei der Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten leistet. Zuerst kommt Herr Sander jahrelang nicht in die Gänge und ignoriert das laufende Vertragsverletzungsverfahren völlig. Dann legt er im letzten Oktober endlich einen Nachmeldevorschlag vor, der wiederum unzureichend ist: In Butjadingen fehlt ausgerechnet das landesweit wichtigste Brachvogelschutzgebiet. Das Waldgebiet des Solling fehlt ebenfalls. Der Vorschlag für das Gebiet Norden/Esens ist inzwischen vom Landkreis selbst nachgearbeitet worden usw. usf.

Meine Redezeit, meine Damen und Herren, würde nicht ausreichen, die Fehler und Versäumnisse des Umweltministers bei der Abgrenzung dieser Gebiete hier aufzulisten.