Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Sehr verehrte Damen und Herren, Vögel haben Flügel. Das ist nun einmal eine naturwissenschaftlich leicht zu belegende Tatsache.

(Zuruf von der SPD: Schlaumeier!)

Es werden immer wieder neue Vogelschutzgebiete in die Diskussion kommen. Wenn diese Gebiete dann als faktische Vogelschutzgebiete eingestuft werden, kommen Planungsvorhaben zum Erliegen. Das haben die Grünen erkannt und in ihrem Antrag dargelegt. Dies können wir im Ergebnis nicht hinnehmen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass die Initiative der Landesregierung, sich für eine Harmonisierung der Schutzregime beider Richtlinien stark zu machen, der richtige Weg ist. Mit der Modernisierung und Zusammenlegung der FFHRichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie lassen sich einheitliche Bewertungsmaßstäbe für alle in einem Gebiet vorkommenden Lebensraumtypen und Arten einschließlich der Vogelarten festlegen. Dazu gehört auch, dass die Sicherung von Vogelschutzgebieten, die im Augenblick nur durch wenige, relativ schwierige und wenig flexible hoheitliche Regularien erfolgen kann, u. a. auch durch Instrumente wie den Vertragsnaturschutz erfolgen könnte, wie es bei den FFH-Gebieten schon heute der Fall ist.

Dies sind die zwei wesentlichen Gründe dafür, warum wir die Diskussion über eine Zusammenlegung beider Richtlinien angestoßen haben. Damit ermöglichen wir eine Entlastung aller Beteiligten von bürokratischen Vorgaben und leisten einen effektiven Beitrag zu mehr Rechts- und Planungssicherheit. Unsere Initiative ist deshalb auch vor dem Hintergrund der Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung und vor allen Dingen vor dem Hintergrund der Entbürokratisierungsoffensive des EU-Kommissars Verheugen zu verstehen und insofern auch zielführend. Wir glauben, dass sie eine Chance auf Realisation hat; denn sowohl Günter Verheugen als auch der EU-Kommissar für Umwelt, Stavros Dimas, haben ihre Bereitschaft signalisiert, unseren Vorschlag aufzugreifen und ernsthaft zu diskutieren. Wir sollten diese Chance der Durchsetzung unserer Interessen dort auch wahrnehmen. Wir werden

dabei inzwischen von elf deutschen Bundesländern unterstützt, die die gleichen Schwierigkeiten haben und die gleichen Probleme sehen wie wir und die deshalb mit uns einer Meinung sind.

Ich will abschließend - -

Letzter Satz!

- - - an die SPD und an Hans-Dieter Haase, der im Umweltausschuss signalisiert hatte, die SPD könne sich mit dem Geist des Antrags der Grünen sehr wohl anfreunden, eine Bitte äußern: Unterhalten Sie sich beispielsweise mit Ihrem Landrat in Friesland, Herrn Ambrosy,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ma- chen wir ständig!)

und mit Ihren Bürgermeistern, die vor Ort aktiv sind! Sie alle stehen an der Seite von uns Christdemokraten, wenn es um die Frage geht, die Vogelschutzrichtlinie nicht so zu belassen, wie sie heute ist, sondern sie zu verändern, bürgerfreundlicher zu machen und damit dem Naturschutz und dem Artenschutz einen echten Dienst zu erweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt Herr Janßen gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz vier Punkte ansprechen.

Erstens. Herr Thiele hat gesagt, Gefahren für die Infrastruktur würden von uns übertrieben dargestellt. Das betrifft u. a. den Voslapper Groden Süd und Nord. Es betraf zu dem Zeitpunkt den Ausbau des Flughafens Braunschweig. Es betrifft Ortsumgehungen im Bereich des Vogelschutzgebietes Norden-Esens. Ferner betrifft es die von Ihnen so sehr gewünschte A 22. Solange Sie z. B. die Jader Moormarsch nicht gemeldet haben, kommen Sie da gar nicht durch.

Zweitens. Vögel haben Flügel. Jawohl, das ist richtig. Deshalb können bei einem umfassenden Monitoring, wie es in der Vogelschutzrichtlinie vorgesehen ist, Gebiete gelöscht werden, wenn sie die entsprechenden Kriterien nicht mehr erfüllen. So einfach ist die Nummer.

Drittens. Sie haben behauptet, wenn ein Vogelschutzgebiet verordnet sei, dann wäre die Umsetzung von Projekten schwieriger, bzw. dann wären diese gar nicht mehr umsetzbar. Genau das Gegenteil ist der Fall: Solange Vogelschutzgebiete nicht verordnet sind, ist es schwieriger, ein Projekt durchzuführen. Lesen Sie einmal nach! Dann bekommen Sie auch das noch mit.

Viertens. Mit Vertragsnaturschutz kommen Sie überhaupt nicht durchs Loch, weder bei den FFHGebieten noch bei der Vogelschutzrichtlinie.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist nicht richtig!)

Es gibt keine innerstaatlichen Rechtstitel mit Außenwirkung, z. B. gegenüber Bauvorhaben. Das aber ist nötig, weil sonst die Umsetzung in innerstaatliches Recht nicht erfolgt ist. Ihr Minister ist ja gerade auch mit einer Naturschutznovelle unterwegs, die das regeln soll. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat Herr Thiele die Gelegenheit, zu antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass Sie den Minister mit Blick auf die Gesetzesnovelle falsch zugeordnet haben,

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Ich dachte, das wäre die Landesregie- rung!)

will ich im Zusammenhang mit Ihrer Kernaussage, in der Sie von Verhinderung oder Gefährdung von Investitionsvorhaben in den betreffenden Gebieten sprechen - das ist ja der Hintergrund Ihres Antrags -, darauf hinweisen, dass Sie nicht an einer einzigen Stelle den Nachweis führen können - das haben Sie heute wieder belegt -, dass innerhalb der letzten zehn Monate ein Projekt gefährdet oder

behindert wurde oder nicht zustande gekommen ist, weil wir unser Verfahren so gewählt haben, wie wir es getan haben. Sie haben Scheinbehauptungen aufgestellt und Angst geschürt. Sie haben damit vor Ort Verunsicherung geschaffen. Sie sind dafür verantwortlich, dass vor Ort Diskussionen darüber entstanden sind, ob es sein könnte, dass das eine oder andere Projekt nicht stattfindet.

Diese Landesregierung hat verantwortungsvoll gehandelt und in jedem einzelnen Fall geprüft. Sie hat sich mit den Menschen, mit den Unternehmen, den Investoren zusammengesetzt und trotz der schwierigen Ausgestaltung der Vogelschutzrichtlinie dafür gesorgt, dass das, was Sie behauptet haben, nicht stattgefunden hat. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke. - Der nächste Redner ist Herr Dürr von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal hilft es ja, sich daran zu erinnern, warum wir das Thema Vogelschutz überhaupt heute im Landtag diskutieren. Ich möchte die Kollegen von der SPD-Fraktion bitten, sich ein bisschen mehr zurückzuhalten, insbesondere mit Zwischenrufen. Wenn Sie während Ihrer Regierungszeit bei der Ausweisung von Vogelschutzgebieten erfolgreich gewesen wären, dann würden wir dieses Thema heute überhaupt nicht mehr diskutieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Und bei so einem Schwachsinn sollen wir uns zu- rückhalten!)

Aber es war ja noch viel schlimmer. Ich bin froh, dass Herr Jüttner hier vorne sitzt. Denn die Wahrheit ist, dass Herr Jüttner damals, als er als Umweltminister in Niedersachsen in Verantwortung war

(Zuruf von Axel Plaue [SPD])

- daran möge sich auch Herr Plaue erinnern -, der Öffentlichkeit erklärt hat, dass seine letzte Meldung von Vogelschutzgebieten abschließend gewesen

ist. Sie, Herr Jüttner, haben die Öffentlichkeit getäuscht. Das müssen wir den Menschen auch einmal sagen dürfen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Erzählen Sie doch nicht einen solchen Unfug!)

Das alles können Sie nachlesen. Das Ergebnis kennen wir.

Jetzt spreche ich kurz über das Thema Akzeptanz vor Ort. Genau das haben Sie nämlich während Ihrer Regierungszeit nicht geschafft. Deshalb haben wir jetzt so viele Probleme, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Aber wir kommen mit den Menschen ins Gespräch, weil wir eine Landesregierung haben, die sich vernünftig um das Thema Akzeptanz kümmert. Die Menschen haben jedoch nach wie vor Angst vor dem Thema Vogelschutz; denn Sie haben nicht für Akzeptanz vor Ort gesorgt. Sie haben das Thema von oben aufgedrückt. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen, Herr Jüttner, und dem jetzigen Umweltminister Hans-Heinrich Sander.

Die Akzeptanz ist ein wichtiges Thema. Denn Sie können so viele Vogelschutzgebiete ausweisen, wie Sie wollen. Aber am Ende kommt es darauf an, dass die Flächennutzer und Flächenbesitzer das umsetzen und sich um das Thema Vogelschutz kümmern. Es gibt - das wissen Sie - beispielsweise in der Wesermarsch hervorragende Vogelschutzprojekte im Rahmen von freiwilligen Abkommen. Deswegen ist es den Menschen nur schwer beizubringen, warum jetzt noch staatliche Maßnahmen dazukommen sollen. Ich meine, insbesondere im Zusammenhang mit der Effektivierung der beiden Richtlinien, FFH- und Vogelschutzrichtlinie - Herr Thiele hat vorhin schon etwas dazu gesagt -, muss die SPD jetzt Farbe bekennen.

Die Vogelschutzrichtlinie ist mittlerweile 28 Jahre alt. Sie muss modernisiert und effektiviert werden. Wir können nicht nach dem Motto verfahren: Das war schon immer so. Da könnte ja jeder kommen. Wo kommen wir denn da hin?

Herr Janßen, Sie müssen eines akzeptieren - das stört mich auch in den Ausschussberatungen -: 80 % der Vogelschutzgebiete in Niedersachsen sind zugleich FFH-Gebiete. Schon ein Grundschüler würde darauf kommen, dass es keinen Sinn macht, zwei unterschiedliche Richtlinien auf die gleichen Gebiete anzuwenden. Diese Richtli

nien müssen zusammengelegt und modernisiert werden.

Kurzum: Wir müssen die Richtlinien zusammenlegen und flexibilisieren. Denn auch natürliche Lebensräume - das müssen wir akzeptieren - können sich ändern. Dabei helfen auch keine Parteitagsbeschlüsse von den Grünen oder von der SPD. Deswegen müssen diese Richtlinien angepasst und effektiviert werden, damit wir der Sache insgesamt Herr werden und vor allem darauf hoffen können, dass die Menschen vor Ort das, was wir im Landtag machen, akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Somfleth von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Erwärmung der Erdatmosphäre fortschreitet, dann könnte bis Ende des Jahrhunderts nahezu jede dritte Tier- und Pflanzenart ausgestorben sein. Dies prophezeit die derzeitige Fassung des im April zur Veröffentlichung anstehenden zweiten Teils des Klimaberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change - kurz: IPCC - der Vereinten Nationen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis müsste an sich jedem klar sein, wie wichtig der Arten- und Vogelschutz war und weiterhin sein wird.

Somit war es keineswegs Panikmache bzw. - wie Herr Thiele heute wiederholt hat - eine Verunsicherungskampagne vonseiten der Fraktion der Grünen im letzten Jahr, als sie diesen Antrag gestellt hat, sondern es war zwingend notwendig, dass der Landesregierung Beine gemacht worden sind. Es ging den Grünen und uns vor allem darum, Schaden vom Land abzuwenden und ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden,

(Was? bei der CDU)

nachdem die EU-Kommission im April 2006 in einem Mahnschreiben die Beseitigung von Meldedefiziten eingefordert hatte.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nachdem die Landesregierung die Liste der nachzumeldenden Gebiete vorgelegt hatte, haben wir

uns in zwei Fachausschusssitzungen im November 2006 und dann noch einmal Ende Januar und Ende Februar 2007 mit dieser Liste befasst. Aus unserer Sicht war der Antrag der Fraktion der Grünen somit weithin erledigt. Aber den Änderungsantrag, den die Regierungsfraktionen unter der Überschrift „Nachmeldung der EU-Vogelschutzgebiete mit Augenmaß“ vorgelegt haben, lehnen wir ganz entschieden ab. Das werden Sie sicherlich verstehen können. Neben der aus meiner Sicht unerträglichen Lobhudelei über die Arbeit der gegenwärtigen Landesregierung ist bei der geforderten Zusammenlegung von Vogelschutz- und FFHRichtlinie zu befürchten, dass es dabei nur um eine Nivellierung der Schutzstandards geht.