Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

(Zuruf von Hans-Christian Biallas [CDU])

Ich hoffe, dass Sie Ihre und auch die FDP-Fraktion noch davon überzeugen, dass der Weg, den Sie damals gehen wollten, in diesen Punkten richtig ist. Damit das mit dem nötigen Nachdruck passieren kann, habe ich für Sie auch den goldenen Wendehammer mitgebracht. Den möchte ich Ihnen gerne überreichen.

(Dieter Möhrmann [SPD] überreicht Bernd Althusmann [CDU] einen gol- denen Hammer - Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun kann sich der Beschenkte gleich zu Wort melden.

(Heiterkeit bei der CDU)

Er hat es getan. - Herr Althusmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ich das noch erleben darf, dass ich in diesem Parlament jemals einen Preis von der SPDFraktion bekomme!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Vorbemerkung: Werter Herr Kollege Möhrmann, das Signal, das von einem von Ihnen und von den Grünen zu verantwortenden Parteienstreit über Geschäftsordnungsfragen ausgeht, ist fatal. Es gibt in Niedersachsen im Moment mit Sicherheit Wichtigeres, als sich im niedersächsischen Landesparlament über Ordnungsfragen zu unterhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Die Bürger erwarten zu Recht, Frau Merk, dass wir solche Fragen im Konsens oder auf dem Wege des Kompromisses ohne Klamauk lösen. Diesen Konsens, den gerade Sie von der Fraktion der Grünen im Zusammenhang mit der Besetzung des Vizepräsidentenamtes anmahnten, haben Sie zugunsten eines Effektes hier gekündigt. Das ist sehr bedauerlich. Die heute von den Fraktionen der SPD und der Grünen erzwungene Abstimmung über in Wahrheit nur Teilaspekte der Empfehlung der Enquete-Kommission ist ein zulässiger, aus Sicht der Opposition sogar ein nachvollziehbarer, aber meiner Meinung nach ein äußerst zweifelhafter Versuch einer bewussten Irreführung der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie hatten mit Ihrer Mehrheit immerhin 13 Jahre lang Zeit, die von Ihnen heute beklagten Defizite zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie hätten mit Ihrer Mehrheit bereits vor einem Jahr alle Empfehlungen der Enquete-Kommission sofort - noch vor Ende der Legislaturperiode - umsetzen können. Sie haben dies trotz unseres Angebotes zur Zusammenarbeit, Herr Kollege Möhrmann, nicht getan. Sie haben das gerade eben wunderbar zitiert.

Ich bin, rückblickend auf die Arbeit der EnqueteKommission, zutiefst davon überzeugt, dass es ohne einen Regierungswechsel in Niedersachsen keine Reduzierung der Zahl der Ausschüsse gegeben hätte. Ohne einen Regierungswechsel hätte es kein - trotz FDP im Landtag - verkleinertes Präsidium gegeben. Mitnichten hätte es einen eigenständigen Petitionsausschuss gegeben. Für diese zugegebenermaßen wenigen - Reformen haben CDU und FDP wenige Wochen, aber nicht 13 Jahre gebraucht, Herr Möhrmann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dennoch bieten wir Ihnen, wie bereits bei der Konstituierung des Landtages am 4. März angekündigt, an, nach einem Jahr - natürlich mit Rücksicht auf die FDP - an eine weitere Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission zu gehen, und zwar gemeinsam mit Ihnen.

Es gibt noch Einiges zu tun - das haben Sie nicht in Ihren Antrag aufgenommen -, was im Prinzip jebenfalls einvernehmliche Empfehlung der Enquete-Kommission gewesen ist. Was ist denn mit der Frage des Sitzungsrhythmus? Wir hatten uns auf drei Wochen und zwei Sitzungstage geeinigt. Was ist denn mit der Frage der Kurzinterventionen? Wer auf der einen Seite die Redezeitbeschränkungen völlig aufhebt, braucht auf der anderen Seite das Instrument der Kurzintervention nicht mehr, weil sich jeder Abgeordnete jederzeit zu jedem Tagesordnungspunkt zu Wort melden kann.

Was die Reihenfolge der Mündlichen Anfragen - das, was im rundblick als Igel-und-Hase-Spiel bezeichnet wurde - angeht, dazu gab es eine einvernehmliche Empfehlung der EnqueteKommission. Sie haben das in Ihrem Antrag nicht aufgeführt.

Die öffentlichen Sitzungen aller Ausschüsse sind ein wahrhaft umstrittenes Thema. Dazu müsste § 93 der Geschäftsordnung geändert werden. Sie haben das nicht in Ihren Antrag aufgenommen.

Die Frage des Selbstbefassungsrechtes der Ausschüsse ist ein wichtiger Punkt. Wir werden mit unseren Agrarpolitikern sehr genau ausloten müssen, mit welchen Gegenständen der EUGesetzgebung - oder was auch immer - sich die Ausschüsse selbst befassen sollten, weil es dabei um wichtige Entscheidungen für die Zukunft dieses Land geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man kann also nicht einmal eben so Empfehlungen einer Enquete-Kommission in irgendeiner Form umsetzen.

Im Übrigen sei daran erinnert, liebe Frau Merk Sie haben mir das vorhin in so wunderbarer Form zugerufen -: Geschäftsordnungsfragen umfassten lediglich ein Drittel des Arbeitsauftrages der Enquete-Kommission. Viel bedeutender als diese Fragen waren die Fragen des Selbstverständnisses des Parlaments, die Frage des Bedeutungsverlustes der Länderparlamente, die Frage der Föderalismusreform, die Stärkung der Finanzautonomie und die Wahrung des Budgetrechts des Parlaments bei der Einführung neuer Steuerungsinstrumente. Diese zwei Drittel erwähnen Sie im Zusammenhang mit dem Bericht der Enquete-Kommission aber nicht. Das finde ich beschämend.

Meine Damen und Herren, es gehört zur Wahrheit über die Arbeit der Enquete-Kommission dazu: Nur dadurch, dass die externen Sachverständigen übrigens gegen Ihren Widerstand - Stimmrecht bekommen haben, konnte etwas durchgesetzt werden, konnte überhaupt etwas Vernünftiges beschlossen werden.

(Axel Plaue [SPD]: Sie haben doch keine Ahnung!)

Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten Sie die Enquete-Kommission zu einem Geschäftsordnungsausschuss degradiert. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Eifer des Gefechts mögen Sie das vergessen haben.

Herr Kollege Althusmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Merk?

Selbstverständlich, gerne.

Frau Kollegin Merk, Sie haben das Wort.

Herr Kollege, können Sie sich nicht mehr daran erinnern, dass wir alle gemeinsam dafür gestimmt haben, dass diejenigen, die als Gutachter in der Enquete-Kommission dabei waren, Stimmrecht erhalten? Meine Fraktion hat das einstimmig so beschlossen, und genauso haben wir dann auch in der Enquete-Kommission abgestimmt. Ich fände es gut, wenn Sie bei der Wahrheit blieben und nicht solche Lügen verbreiteten.

Sehr verehrte, liebe Frau Kollegin Merk, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir jetzt einen weiteren Ausschuss, nämlich einen zusätzlichen Ausschuss für Gender Mainstreaming im Niedersächsischen Landtag eingerichtet. Wir mussten Sie in der Frage der Reduzierung der Zahl der Ausschüsse zum Jagen tragen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Althusmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Aller?

Herr Althusmann, Sie beklagen, dass drei konkrete Dinge zur Abstimmung gestellt werden. Was haben diese drei Forderungen mit dem zu tun, was Sie jetzt ins Feld führen? Die Anzeigepflicht für Nebentätigkeiten und Abhängigkeiten hat doch wahrlich nichts mit Redezeiten zu tun.

Dazu komme ich noch. Sehr geehrter Herr Kollege, wenn Sie mich ausreden lassen, werde ich Ihnen auch dazu unsere Position erläutern.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Empfehlungen von Enquete-Kommissionen keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Es gibt also überhaupt keinen Grund, die Umsetzung solcher Empfehlungen verpflichtend vorzusehen. Stellen sich einmal vor, wir würden in Deutschland die Empfehlungen aller 40 Kommissionen, die zu Fragen der Verfassungsreform, der Parlamentsreform,

der Föderalismusreform eingesetzt worden sind, umsetzen - oben draufgesetzt möglicherweise auch noch Rürup und Hartz. Meine Damen und Herren, die Republik stünde Kopf, wenn das 1 : 1 umgesetzt werden würde.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie uns doch heute, lieber Kollege Jüttner, an die Ergebnisse der Enquete-Kommission dieselben Maßstäbe anzulegen, die uns die SPDAbgeordnete Frau Müller dankenswerterweise - sie ist ja Mitglied der Enquete-Kommission gewesen mit auf den Weg gegeben hat. Ich zitiere:

„Demokratie beruht auf dem Mehrheitsprinzip. Das darf man nicht über eine Geschäftsordnung aushebeln. Die Verantwortlichkeiten müssen klar und eindeutig bleiben.“

So Frau Müller am 21. November. Herzlichen Dank für diese Vorlage.

(Beifall bei der CDU)

Was das Demokratieverständnis angeht, gilt Gleiches auch für die von Ihnen geforderte Integrationskommission. Es ist schlichtweg falsch, Ausländer- und Aussiedlergruppen in einen Topf zu werfen. Deutsche aus Russland sind nicht Ausländer, sondern Deutsche im Sinne des Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU)

Viel bedenklicher aber ist, dass bei der Zusammensetzung dieses Gremiums die gewählten Mehrheitsverhältnisse nicht mehr gewahrt bleiben. Dem Gremium sollen fünf stimmberechtigte Abgeordnete angehören. Ihnen stehen zehn stimmberechtigte, aber von Verbänden gewählte bzw. benannte Vertreter gegenüber. Das steht in keinem Verhältnis zueinander, zumal zukünftig mit Stimmenmehrheit alle Ausschüsse des Landtages und auch die Landesregierung zwingend mit diesen Fragen beschäftigt werden sollen. Meine Damen und Herren, hierfür gibt es keine demokratische Legitimation.

(Beifall bei der CDU)