Protokoll der Sitzung vom 11.07.2007

Ja, Herr Sander, wir wollen Naturschutz mit den Menschen und nicht gegen die Menschen voranbringen! Dazu gehört, dass wir die Menschen und

stellvertretend die Verbände bei Genehmigungsverfahren und an Verwaltungsakten beteiligen. Sie sollen mitreden und Einfluss auf Entscheidungen nehmen können. Das, meine Damen und Herren, verstehen wir unter demokratischer Teilhabe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Biotopschutz, d. h. der Schutz der Lebensräume, ist uns wichtig. Deswegen wollen wir den gesetzlichen Schutz für das Feuchtgrünland erhalten. Wir in Norddeutschland tragen eine besondere Verantwortung für diese Lebensräume. Sie sind bei uns typisch und prägen in weiten Teilen des Landes das Landschaftsbild. Für uns ist das Biotopverbundsystem nicht nur ein Ziel im Grundsätzlichen, sondern wir legen aus gutem Grund eigene Vorschriften zur Umsetzung fest. Wir wollen - ich weiß schon, wer jetzt schreit - das Auslaufen des Gips- und Torfabbaus endlich gesetzlich festlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Geringste, das wir nach jahrzehntelangem Raubbau noch tun können, ist, die Reste der noch vorhandenen Moor- und Gipskarstlebensräume zu erhalten, statt sie zu zerstören. Das ist ein Herzensanliegen der Grünen, für das wir schon seit Jahrzehnten kämpfen.

Noch eine Anmerkung zum Thema Umwelt- und Klimaschutz, CDU und Juister Thesen. Sie stellen den Artenschutz auffällig in den Vordergrund; FFHGebiete, Vogelschutzgebiete, Artenschutz. Immer kommt der Biotopschutz nicht vor. Das ist kein Zufall. Das finden wir so auch im Gesetzentwurf des Umweltministeriums. Das heißt in der Konsequenz: Naturschutz wird zu Artenschutz uminterpretiert, unabhängig von der Flächensicherung. Da liegt der Schluss nahe: Naturschutz wird auf Artenschutz reduziert. Im Klartext heißt das dann: Die Flächen werden den Nutzern überlassen. Der Naturschutz wird auf Reservate beschränkt. Im Extremfall kann man Artenschutz dann im Zoo und im Botanischen Garten besichtigen. Möglicherweise wird Natur dann erlebbar, aber gegen Eintritt, und der Naturschutz läuft dann nach dem Motto: Gehen wir Knut angucken, und wir tun etwas für den Artenschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wollen wir in Niedersachsen nicht, weder jetzt noch in der Zukunft. Der Zurückdrängung des Naturschutzes, die im Gesetzentwurf und insbesondere bei der FDP deutlich wird, stellen wir diesen

Gesetzentwurf entgegen. Er ist solide gearbeitet. Er wird naturschutzfachlichen Ansprüchen gerecht, und er zeigt, wie das Verhältnis von Schutz und Nutzung der Natur auf zukunftsfähige Grundlagen gestellt werden kann. Deshalb bringen wir diesen Gesetzentwurf heute ein. Dann kann keiner sagen: Das schaffen wir nicht. - Wenn Sie wollen, ist es möglich, diesen Entwurf zu beraten und entsprechend zu verabschieden und so das niedersächsische Naturschutzrecht auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen.

(Glocke der Präsidentin)

- Gestatten Sie mir noch den letzten Satz, Frau Präsidentin: Ich weiß, dass es manchen von Ihnen schwerfallen wird, sich konstruktiv mit diesem Gesetzentwurf zu beschäftigen. Aber insbesondere der CDU-Fraktion möchte ich sagen: Springen Sie doch einmal über Ihren Schatten. Sie haben mit den Juister Thesen doch einen guten Ansatz gemacht. Dann können Sie auch über den kleinen Schatten von Minister Sander springen. Springen Sie jetzt!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Bernd Althusmann [CDU]: Ein Zirkus ist das hier noch nicht! - David McAllister [CDU]: Wir springen doch nicht über jedes Stöckchen, das uns hingehalten wird!)

Ich halte es für besser, Sie bleiben erst einmal auf Ihren Plätzen sitzen und hören zu, was Herr Haase von der SPD-Fraktion sagt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin wegen des Zwischenrufs von Herrn Dürr geneigt, Folgendes zu sagen: Sie sind doch eigentlich nur enttäuscht darüber, dass nicht Sie damals Knut drücken durften, sondern dass es unser Bundesumweltminister war. Knut-Partei sind wir gerne, solange Sie ihn nicht drücken müssen.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine Novellierung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes legt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine gute Arbeits- und Diskussionsgrundlage vor. Ich verstehe diesen Entwurf als Antwort auf den im Februar dieses Jahres in die Verbändeanhörung gegebenen Entwurf der Landesregierung, der nach berechtigter

heftiger Kritik von allen Seiten zunächst einmal wieder in der Schublade verschwunden ist, Frau Zachow. Dies kann uns aber nicht beruhigen, weil - ich sagte „zunächst“ - dieser Umweltminister bzw. diese Landesregierung offensichtlich versucht, sich so einmal wieder über die Landtagswahl zu retten, um dann wieder unter dem Deckmantel von Beschleunigung der Verfahren und Bürokratieabbau den Naturschutz weiter abzubauen. Es ist wie in allen anderen Politikfeldern - wir erleben das zurzeit jeden Tag -: Es wird versucht, alle Konflikte zu glätten oder verschwinden zu lassen. Im Zweifel wird sogar versucht, unsere Forderungen und Ideen als die eigenen zu verkaufen und sich dann feiern zu lassen. Das ist ein leicht zu durchschauendes Spiel, Herr Wulff.

(Christian Dürr [FDP]: Beispiele!)

Meine Damen und Herren, dieser Entwurf hingegen verfolgt die seit April 2005 anstehende Umsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes in das niedersächsische Recht. Das Bundesnaturschutzgesetz - das wissen Sie - ist schon ein paar Jährchen älter. Diese Landesregierung war zu einer zeitgemäßen Umsetzung bislang aber nicht in der Lage. Andere Bundesländer, wie z. B. NRW oder Schleswig-Holstein, haben die notwendige Modernisierung längst hinter sich. Natürlich werden wir heute in dieser ersten Beratung nicht alle fast 60 Seiten der Vorlage im Einzelnen diskutieren können. Deshalb muss ich mich im Folgenden auf einige Aspekte beschränken. Viele Einzelregelungen allerdings werden uns mit Sicherheit noch sehr intensiv im Ausschuss und auch bei notwendigen Anhörungen begleiten.

Meine Damen und Herren, sehr positiv an diesem Gesetzentwurf ist die Zusammenfassung der Grundsätze und Zielsetzungen des Naturschutzes in einem Katalog, der die Einbindung unseres Landesrechts in das Naturschutzrecht Europas, also in einen notwendigen Gesamtrahmen sicherstellt, aber auch die verschiedenen Schutzgüter benennt. Richtigerweise wird dem Vorbild anderer Landesgesetze gefolgt und z. B. ein Biotopverband auf 15 % der Landesfläche formuliert. Auch damit wird ebenfalls einer von vielen Umweltverbänden, insbesondere dem BUND, immer wieder vorgetragenen Anregung gefolgt.

Dies hebt sich sehr positiv von dem ab, was in dem in der Versenkung verschwundenen Entwurf der Landesregierung stand, in dem der Biotopschutz nur noch dort Erwähnung fand, wo das

Bundesrecht dies ausdrücklich verlangte, und - Frau Steiner hat zu Recht darauf hingewiesen - in dem eine Reduzierung auf den Artenschutz deutlich erkennbar war.

Zu diesem Komplex gehört meiner Meinung nach auch, dass zu Recht darauf verzichtet wird - dies hatte die Landesregierung so vorgesehen -, den Schutz von Feuchtgrünland - § 28 b - ersatzlos zu streichen, wie es insbesondere die Lobby der Landwirtschaft fordert, die sich bei Herrn Sander selbstverständlich durchgesetzt hatte. Zu Recht liefen die Umweltverbände dagegen Sturm, sind doch diese Gebiete für uns in der norddeutschen Tiefebene absolut notwendig und schutzwürdig.

Meine Damen und Herren, ebenfalls scheint die Übernahme des europäischen Naturschutzrechtes in die §§ 34 a bis e auf den ersten Blick gelungen. Hier zeigt sich nicht nur ein Kontrast, sondern ein sehr deutlicher Gegensatz zu der leider bekannten europafeindlichen Haltung des Herrn Sander.

(Zuruf von Anneliese Zachow [CDU])

- Frau Zachow, soll ich Sie hier wirklich an die vielen peinlichen Auftritte des Umweltministers in den FFH-Anhörungen erinnern, in denen er immer wieder sagte: Ich will ja nicht, aber Europa zwingt mich. - Das nenne ich europafeindliches Verhalten.

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Das ist doch Quatsch!)

Herr Haase, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Zachow?

Frau Zachow, gerne.

Herr Haase, ich frage Sie: Könnten Sie mir einmal das Verhalten von Herrn Gabriel erklären, das Emsästuar nicht nach Brüssel melden zu wollen?

Ich denke, auch die FFH-Debatte können wir hier weiterführen.

(David McAllister [CDU] und Christian Dürr [FDP]: Aber?)

Das, was vom Land gemeldet wird, wird auch in Richtung Brüssel weitergemeldet. Wenn der Bundesumweltminister zurzeit darüber berät, dann wird er sicherlich seine Gründe dafür haben. Fragen Sie ihn bitte selbst.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

- Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt.

(Christian Dürr [FDP]: Wir auch nicht!)

Wir haben - wenn ich das als Antwort auf die Frage noch kurz sagen darf, Frau Präsidentin - gerade die Debatte um FFH-Ästuare hier mit aller Vehemenz geführt. Sie kennen die Position unserer Landtagsfraktion und auch die unseres damaligen Fraktionsvorsitzenden. Ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg.

Meine Damen und Herren, ebenfalls scheint die Übernahme des europäischen Naturschutzrechts auf den ersten Blick gelungen. Hier zeigt sich der Kontrast in der Tat sehr deutlich.

Interessant ist in dem Zusammenhang: Der gefundene Lösungsentwurf für Neuabgrenzungen der FFH- bzw. Vogelschutzgebiete erscheint praktikabel und in der Sache angemessen.

Zu begrüßen ist, dass die breit kritisierte Einschränkung der Mitwirkungs- und Klagerechte der Verbände, die die Landesregierung vorsah, komplett zurückgedreht wird. Im Wesentlichen bleibt es bei den wirklich bewährten Regelungen des Gesetzes von 1994 in Verbindung mit dem Bundesnaturschutzgesetz. Ich sage bewusst: die bewährten; denn tatsächlich haben diese Mitwirkungsrechte die Verfahren nicht über Gebühr verlängert oder verzögert, aber eine wesentlich bessere Akzeptanz durch die breite Mitarbeit vieler auch ehrenamtlich tätiger Menschen ermöglicht und gefördert.

Ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass es seit Einführung der Beteiligung der Naturschutzverbände mehrere freiwillige Vereinbarungen gab, die allesamt das Ziel hatten, einen möglichst transparenten, reibungslosen Ablauf der Verfahren zu sichern. Dazu gehört auch - vielleicht vielen auf dieser Seite unbekannt - der Verzicht seitens der Verbände auf eine Reihe von Möglichkeiten im Verfahren. Das Resultat war und ist zurzeit noch - gerade wegen dieser Beteiligung - eine in weiten Teilen des Landes vorhan

dene vertrauensvolle Atmosphäre zwischen ehrenamtlichen Umweltverbänden und Behörden. Dies alles wollte die Landesregierung zurückfahren und durch einen weitestgehenden Ausschluss und eine Reduzierung der Fristen bei den Verfahren ersetzen. Die Entrüstung der Verbände war zu Recht sehr groß. Es entstünde dann nämlich wieder die alte Atmosphäre des Misstrauens. Von den Widersprüchen zur Århus-Konvention in Sachen Umweltinformationsrecht will ich hier gar nicht groß reden.

Für uns Sozialdemokraten bleiben die Mitwirkungsund Beteiligungsrechte wesentlicher Bestandteil und zentrale Grundlage des Naturschutzes in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Ich halte diesen Gesetzentwurf für mehr als diskussionswürdig und beratungsfähig - das als Kompliment an die Fraktion der Grünen. Das ist angesichts des umfangreichen Stoffes sicherlich nicht selbstverständlich.

(David McAllister [CDU]: Wie großzü- gig!)

Dennoch werden wir uns im Umweltausschuss mit den einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs noch sehr intensiv auseinandersetzen müssen. Ich denke z. B. an die Regelungen zum Bodenabbau, die durchaus kritisch betrachtet werden müssen. Dies ist vielleicht nicht ganz so einfach zu lösen, wie es im Entwurf vorgeschlagen worden ist.

Schließlich wollen wir dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Ich vermute aber, dass die Landesregierung und die Regierungsparteien in der Hoffnung auf die Wirkung der Diskontinuität auf Zeit spielen werden, um dieses Thema nicht öffentlich diskutieren zu müssen. Klar ist aber: Dieses Ziel, das schon durch das Zurückziehen des eigenen Entwurfes deutlich wurde, darf und wird nicht erreicht werden. Das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, der Naturschutz will Klarheit vor der Wahl, und er hat auch einen Anspruch darauf. Deswegen müssen wir diesen Gesetzentwurf ernsthaft behandeln. Die Menschen sollen vor ihrer Entscheidung wissen, dass Schwarz-Gelb für den Abbau von Mitwirkungs-, Anhörungs- und Beteiligungsrechten steht.

(David McAllister [CDU]: Ach Quatsch!)

Sie sollen wissen, welchen Stellenwert Naturschutz bei Ihnen tatsächlich hat - abseits der Sonntagsreden. Sie wollen wissen, ob sich Naturschutz, wie es Herr Sander auch pressemäßig so schön formuliert, den Interessen von Landwirtschaft und Wirtschaft unterzuordnen hat. Ich glaube, wir stehen insgesamt vor einer sehr spannenden Diskussion.

Die SPD-Fraktion beantragt im Übrigen bei der Beratung die Mitwirkung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. - Ich bedanke mich für die ruhige Atmosphäre.