Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 124. Sitzung im 43. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Geburtstag hat die Abgeordnete Frau Kollegin Modder.

(Beifall im ganzen Hause)

Geburtstag hat heute auch der Kollege Beckmann. Alles Gute!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, im Plenum stehen naturgemäß immer die Abgeordneten im Fokus des Geschehens. Das ist ja auch ganz verständlich. Aber heute möchte ich doch einmal jemand anderen in den Fokus stellen. Wir haben einen Mitarbeiter unter uns, der uns seit vielen, vielen Jahren - nämlich seit 25 Jahren - im Landtag exzellent betreut und das immer sehr sympathisch gemacht hat. Heute betreut er uns zum letzten Mal in einer Plenarsitzung; denn er geht anschließend in Pension. Ich möchte mich ganz herzlich - sicherlich auch in Ihrer aller Namen - bei Herrn Kozik bedanken.

(Starker, lang anhaltender Beifall im ganzen Hause)

Bei so viel Beifall könnten andere hier im Hause ja neidisch werden. Vielen Dank für die gute Betreuung und für Sie alles, alles Gute in der Zukunft!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 38. Es folgt Tagesordnungspunkt 3, also die streitigen Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.15 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst darf ich - wie üblich - erinnern.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. Bitte schön!

Guten Morgen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerpräsident Herr Wulff, von der Fraktion der CDU Herr Thümler, von der Fraktion der FDP Herr Dr. Rösler und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Helmhold.

Meine Damen und Herren, es ist jetzt 9.05 Uhr. Nach viereinhalb Jahren erspare ich es uns, die vielen Vorgaben, die bei der Fragestunde zu beachten sind, noch einmal vorzutragen. Ich meine, wir sollten gleich in die Fragestunde einsteigen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 38: Mündliche Anfragen

Wir beginnen mit

Frage 1: Elternwille erneut mit Füßen getreten?

Diese Frage wird von der Kollegin Eckel gestellt. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Neugründungsverbot für Gesamtschulen übersteigt die Zahl der Anmeldungen bei Weitem die Zahl der freien Schulplätze an Gesamtschulen. Statistische Berechnungen der Schuldaten bestätigen regelmäßig den anhaltenden Erfolgstrend der Gesamtschulen. So gab es im letzten Jahr an den Integrierten Gesamtschulen 6 000 Anmeldungen auf 4 000 Plätze. Ein Drittel der Interessenten musste also abgewiesen werden. Dieser landesweite Trend hält an. Dies wird aktuell im Landkreis Schaumburg belegt: Von 521 Anmeldungen kann die IGS Schaumburg lediglich 112 berücksichtigen. Über 400 Kinder und deren Familien werden also eine Ablehnung erhalten.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie hoch ist die Zügigkeit der Schulen?)

Der Kreiselternrat Schaumburg unterstützt eine Resolution des Schulelternrates der IGS und fordert:

„Die Kinder sind unsere Zukunft! Dass eine derart hohe Zahl von Eltern in der schulisch sehr gut aufgestellten und geformten Struktur des Landkreises Schaumburg diese Schulform für ihre Kinder wünscht, kann nur bedeuten: Die Pflicht aller im Landtag vertretenen, von den Eltern gewählten Parteien muss es sein, das Einrichtungsverbot für Gesamtschulen sofort aus dem Schulgesetz zu streichen.“

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber erst mal die Zügigkeit erhöhen, oder?)

„Der Kreiselternrat Schaumburg erwartet von den im Landtag vertretenen Parteien, entsprechende Initiativen zu ergreifen.“

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Nein! Die erwarten vom Schulträger, dass die Zügigkeit auf acht Züge aufgestockt wird!)

Der am 4. Oktober 2006 eingebrachte Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten, wurde am 6. Dezember 2006 von der CDU und der FDP im Landtag abgelehnt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir fragen die Landesregierung:

1. Kann die Landesregierung die für die IGS Schaumburg berichteten Anmelde- und Aufnahmezahlen für den 5. Schuljahrgang bestätigen, und wie lauten die entsprechenden Zahlen an den anderen IGSen und KGSen des Landes?

2. Plant die Landesregierung, den Elternwillen ernst zu nehmen und eine Gesetzesinitiative zur Streichung des Errichtungsverbots für Gesamtschulen im Schulgesetz in den Landtag einzubringen?

3. Wenn nein, mit welchen Begründungen hält die Landesregierung am Errichtungsverbot fest?

Vielen Dank. - Die Antwort gibt der Kultusminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Landtag hat am 25. Juni 2003 das Gesetz zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurde ein Signal für ein begabungsgerechtes, durchlässiges und wohnortnahes gegliedertes Schulwesen gesetzt. Mit dem Errichtungsverbot für neue Gesamtschulen wurde dem gegliederten und differenzierten Schulsystem der Vorrang gegeben vor dem integrierten und weniger differenzierten Schulsystem.

Der Gesetzgeber hat nach intensiv geführten Beratungen vor vier Jahren die Entscheidung getroffen, dass neben den Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien keine neuen Gesamtschulen zulässig sind. Bestehende Gesamtschulen können aber ihre Arbeit fortsetzen. Das genannte Gesetz stellt die Weichen dafür, dass den Gesamtschulen auch künftig ihre Arbeitsgrundlagen gesichert bleiben und im Rahmen der örtlichen Bedingungen notwendige und sinnvolle pädagogische und organisatorische Weiterentwicklungen ermöglicht werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Gesamtschulen können bis zur vorgeschriebenen Höchstzügigkeit - bei entsprechendem Bedürfnis erweitert werden, sie können Ganztagsschulen werden, und es kann an ihnen auch - wo noch nicht geschehen - bei entsprechenden Schülerzahlen eine gymnasiale Oberstufe eingerichtet werden. Weiterhin können Außenstellen zugelassen werden, wenn eine räumlich getrennte Unterbringung erforderlich ist und das Errichtungsverbot nicht gezielt umgangen werden soll. Die Schulbehörden haben in den vergangenen Jahren diesbezüglich von den Schulträgern gestellten Anträgen immer dann entsprochen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt waren. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele aus allen Landesteilen.

Der Niedersächsische Landtag hat am 6. Dezember 2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Verbots, Gesamtschulen zu errichten - Landtagsdrucksache 15/3201 -, nach ausführlicher parlamentarischer Beratung abgelehnt.

Die Landesregierung beabsichtigt keine neue Schulstrukturdebatte.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu Frage 1: Die für die IGS Schaumburg genannten Daten können gegenwärtig nur unter Vorbehalt kommentiert werden. Die endgültigen Aufnahmezahlen - tatsächlichen Übergänge - für den 5. Schuljahrgang an den Integrierten Gesamtschulen sowie an den Kooperativen Gesamtschulen im Schuljahr 2007/2008 sind erst nach der Erhebung zur Unterrichtsversorgung zum Stichtag 13. September 2007, mit der auch die Empfehlungen der Grundschulen für den 5. Schuljahrgang der weiterführenden Schulen abgefragt werden, zu berichten. Erfahrungsgemäß werden die Daten hierzu voraussichtlich Ende Oktober 2007 vorliegen. Nach den dem Kultusministerium zurzeit vorliegenden Informationen trifft es aber zu, dass wegen der geringen Zügigkeit der IGS Schaumburg - vierzügig - und der Führung einer Integrationsklasse von ca. 520 Anmeldungen bisher nur knapp 120 berücksichtigt werden konnten.

Zu Frage 2: Die Landesregierung nimmt den Elternwillen ernst. Sie setzt - dem Willen des weit überwiegenden Teils der Elternschaft entsprechend - nach wie vor auf ein modernisiertes und zukunftsfähiges gegliedertes Schulwesen. Es ist jedoch an der Zeit, dass die Integrierten Gesamtschulen und die entsprechenden Schulträger auch ihrerseits alles unternehmen, um dem Elternwillen zu entsprechen. Dies ist leider nicht an allen Standorten der Fall. Die Landesregierung hat wiederholt betont, dass die Weiterentwicklung der bestehenden Gesamtschulen zugelassen ist. Dem Willen der Eltern vieler der abgewiesenen Schülerinnen und Schüler könnte bei entsprechenden organisatorischen Maßnahmen der Schulträger - insbesondere durch Ausschöpfung der zulässigen Höchstzügigkeit - entsprochen werden. Nach der vom Kultusministerium erlassenen Verordnung zur Schulentwicklungsplanung können Integrierte Gesamtschulen in den Schuljahrgängen 5 bis 10 achtzügig geführt werden. Von den insgesamt 28 Integrierten Gesamtschulen des Landes werden jedoch lediglich zwei achtzügig, aber vierzehn nur vierzügig geführt! Rein rechnerisch könnten bei Ausnutzung der möglichen Höchstzügigkeit 77 zusätzliche Klassen mit insgesamt ca. 2 300 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern an den Integrierten Gesamtschulen geführt werden. Mit dem bewussten Verzicht auf eine Erweiterung der Zügigkeit setzen sich viele Integrierte Gesamtschulen über den Elternwillen hinweg.

(Lachen bei der SPD)

Dies gilt auch für die in der Anfrage in den Mittelpunkt gestellte IGS Schaumburg, die achtzügig geführt werden könnte, ihre Vierzügigkeit offensichtlich aber nicht aufgeben möchte.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum wohl nicht?)

Bei ihr könnten die Aufnahmekapazitäten verdoppelt werden.

Zu Frage 3: Die Landesregierung sieht keinen Grund, den eingeschlagenen Weg zu einem begabungsgerechten und durchlässig gegliederten Schulsystem, den Weg zur Verbesserung und Sicherung der Qualität unserer Schulen infrage zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine erste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock.