Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

(Heiner Bartling [SPD]: Dazu tragen Sie gerade wieder bei!)

- Herr Bartling, ich will mich ungern mit Ihnen vergleichen. Aber ich glaube, meine Rede unterscheidet sich, was den sachlichen Aspekt angeht, merklich von dem, was Sie ausgeführt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Worüber Sie sich freuen können, ist, dass Sie jetzt schon zitiert werden. Das mache ich jetzt nämlich. Herr Bartling, in der letzten Woche haben Sie sich zu den Onlinedurchsuchungen geäußert.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sehr gut!)

Sie machen das ja immer sehr markant, weil Sie hoffen, dass sozusagen jeder den Charme Ihrer Worte gleich versteht. Ich rate Ihnen aber - das ist ja gerade die Krux in der SPD -: Zunächst sollten Sie einmal klären, was bei Ihnen sozusagen sachlich und fachlich geht. Sie haben in Ihrer Pressemitteilung ausgeführt, Onlinedurchsuchungen seien unmöglich, das könne man nicht machen. - Ich frage Sie: Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihr SPD-Bundesvorsitzender, Herr Beck, fast zeitgleich öffentlich erklärt hat, dass er sich durchaus vorstellen kann, Onlinedurchsuchungen durchzuführen? - Sie müssen auch einmal innerhalb Ihrer eigenen Reihen die Position klären, die irgendwann verbindlich gilt. Das ist jetzt nicht Polemik, sondern ein Aufruf zur Sachlichkeit, nichts anderes.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ein Hilfsange- bot!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang weiterhin zur Versachlichung beitragen, indem ich kurz aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. September 2007 zitiere. Ich möchte hier aus dem Beitrag unter der Überschrift „Neu nachdenken“ einige Zeilen vortragen. Es heißt dort:

„Auch eine gesetzliche Regelung von Onlinedurchsuchungen hat eine er

zieherische Bedeutung - so oder so. Angesichts der Drohung, von Terroristen in einen Verzicht auf die Demokratie hineingebombt zu werden, dürften die Aussicht und die Wahrscheinlichkeit, durch einen Computertrojaner in seiner Freiheit eingeschränkt zu werden, erträglicher sein. Ein Terrorismus, der nach sechs Jahren noch immer nicht besiegt ist, lässt über die Verhältnismäßigkeit zwischen Bürgerfreiheit und Sicherheit neu nachdenken.“

Um nichts anderes geht es. Lieber Herr Bartling und liebe SPD, lasst uns doch einmal neu nachdenken! Das hat noch nie geschadet.

(Beifall bei der CDU)

Was nicht geht, Herr Bartling - dazu neigen Sie -, ist, dass Sie uns in diesem Hause immer nur erklären, was nicht geht. Erklären Sie auch den Menschen, wie Sie vorhaben, die innere Sicherheit zu gewährleisten! Die Sicherheitslage auch in Niedersachsen hat sich geändert. Ohne konkrete Vorschläge, wie man den Terrorismus besser bekämpfen kann, erweisen Sie sich jedenfalls nicht als Sachwalter der inneren Sicherheit.

Meine Damen und Herren, sämtliche Vertreter der Sicherheitsbehörden wie BKA-Präsident Ziercke, der Direktor des Landeskriminalamtes, Herr Kolmey, und der Verfassungsschutzpräsident Fromm haben eindeutig erklärt, dass wir mit dem technischen Fortschritt der Terroristen mithalten müssen. Im Juni waren wir mit dem Innenausschuss unterwegs - das ist noch nicht lange her; auch viele Abgeordnete der SPD-Fraktion waren dabei - und haben dem Bundeskriminalamt einen Besuch abgestattet. Dabei hat Herr Ziercke uns ausdrücklich gebeten, in unseren Parteien dafür zu sorgen, dass es eine rechtsstaatliche Möglichkeit gibt, in diesem Spektrum zu ermitteln. Er hat auch gesagt: Dazu gehört der Richtervorbehalt, dazu gehört der Verdacht auf Begehung einer allerschwersten Straftat. Das heißt, es ging nicht darum, jeden und jede per Internet auszuschnüffeln.

Meine Damen und Herren, der generelle Verzicht auf die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung hätte tatsächlich zur Folge, dass wir potenziellen Attentätern als Gesetzgeber garantieren, dass sie per Internet schwerste Straftaten vorbereiten können in der Gewissheit und quasi mit der Zusage des Ge

setzgebers, dabei immer ausdrücklich völlig unbeobachtet zu bleiben. Diesen rechtsfreien Raum können wir so nicht stehen lassen. Das ist das Thema.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen haben, wie erwähnt, ausländische Ermittlungsbehörden bei der Festnahme der Terrorverdächtigen in der letzten Woche einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. Ich frage mal: Wer garantiert uns eigentlich, dass sie nur die Möglichkeiten ausgeschöpft haben, die nach unserem Recht in Deutschland zulässig sind? Auch das weiß noch niemand zu beantworten.

Meine Damen und Herren, für eine vernunftgesteuerte Debatte ist es wichtig zu wissen: Die Onlineüberwachung beträfe ausdrücklich wenige Fälle. Sie wäre - um das ganz deutlich zu sagen die absolute Ausnahme und müsste im Einzelnen gerade wegen der verfassungsrechtlich hohen Schranken, die es ohnehin gibt, diesen Schranken standhalten. Damit ist auch deutlich, dass es jetzt nicht genügt zu sagen „Die CDU sagt es so und die FDP so“. An dieser Stelle geht es jetzt nicht darum, zu zementieren, was der eine oder andere denkt, auch bei der SPD nicht, sondern man muss sich einmal darauf einlassen und genau hingucken, wo die verfassungsrechtlichen Grenzen sind und was innerhalb derselben machbar ist. Hier können wir uns durchaus auf eine Debatte verständigen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe trotz allem die vorsichtige Hoffnung, dass die SPD doch noch zur Gesprächsbereitschaft findet. Mich freut, dass sie jedenfalls in Berlin bei dem längst überfälligen BKA-Gesetz bereit ist, die präventive Telefonüberwachung zu regeln. Sorgen Sie mit dafür, Herr Bartling, dass man auf Bundesebene nun endlich in die Gesetzesberatung einsteigt! Innerhalb des Beratungsverfahrens - der Innenminister hat das ja schon gesagt - kann dann durchaus noch eingearbeitet werden, was sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über eine Regelung im Verfassungsschutzgesetz des Landes NordrheinWestfalen ergibt.

Meine Damen und Herren, weitere Vorschläge, wie die Registrierung von Chemikalienkäufern und Konvertiten, lehnen wir ausdrücklich ab. Wer im Chemieunterricht aufgepasst hat, weiß, dass selbst Mehlstaub eine hoch explosive Wirkung entfalten

kann. Wenn man jetzt anfangen wollte, alle diese Dinge akribisch zu katalogisieren, dann wäre das, meine ich, zu viel des Nötigen. Statt der gesonderten Erstellung einer Konvertitendatei kann auf die Antiterrordatei zurückgegriffen werden.

Meine Damen und Herren, zurzeit werden viele Vorschläge diskutiert. Dem Sicherheitsbedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürger werden wir nur gerecht, wenn wir eine vernünftige, sachorientierte Diskussion führen. Herr Bartling, ich habe wirklich Verständnis für den Wahlkampf. Ich habe auch schon mal sozusagen auf Ihrer Seite Wahlkampf gemacht.

(Widerspruch bei der SPD - Wolfgang Jüttner [SPD]: Nein, auf unserer Seite nicht! - Heiner Bartling [SPD]: Damit hätten wir unsere Probleme!)

- Auf der Seite der Opposition! Sie würden mich wahrscheinlich auch gar nicht in Ihre Partei aufnehmen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Nein, wir haben bei uns einen Mindeststan- dard!)

Ich würde diesen Versuch auch nicht unternehmen.

Ich wollte sagen: Es geht darum, dass man sich - auch wenn dies schwierig ist - dieses Problem jenseits des Wahlkampfes vornimmt und eine Lösung sucht, mit der wir alle vernünftig leben können. Dann können Sie den Krawall überall woanders machen, Herr Bartling. Aber hier bei diesem Thema ist Krawall unangemessen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Da war doch gar kein Krawall!)

Deshalb ist es auch wichtig, nicht immer voreilig den Verdacht zu äußern, der Staat neige grundsätzlich zum Missbrauch seiner Befugnisse und man lehne deshalb weitere Eingriffe ab, weil man denkt, immer wenn etwas seitens des Staates passiert, geht das immer gegen die Bürgerrechte. Hier geht es zuerst einmal um die Bekämpfung schwerster Kriminalität und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor weiteren Attentaten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der Gelehrte Wilhelm von Humboldt hat einmal gesagt: Ohne Sicherheit ist keine Freiheit. Für die CDU-Fraktion erkläre ich abschließend: Wir

stehen an der Seite derjenigen, die für die Sicherheit und Freiheit unseres Landes und unserer Mitmenschen eintreten. Wir stehen an der Seite dieser Landesregierung und insbesondere an der Seite von Innenminister Uwe Schünemann, gerade dann, wenn alle genau das tun, was sie anlässlich der Ablegung ihres Amtseides fest zugesagt haben, nämlich Schaden von den Menschen in diesem Land fernzuhalten. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Professor Lennartz, Sie haben jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann nachvollziehen, weshalb die Landesregierung hier zu diesem Thema eine Regierungserklärung abgibt. Das ist ein Thema, das die Öffentlichkeit hochgradig interessiert und bewegt. Ich glaube, allen ging es so, als in der vergangenen Woche in den Medien über diese Festnahmen berichtet wurde, dass man sagte: Gut, dass diese Tatverdächtigen festgenommen worden sind!

In dem Zusammenhang möchte ich am Rande eine Anmerkung zur Frage der Verschluderung der Sprache machen. Herr Minister, man spricht in diesen Fällen nicht von Tätern, sondern von Tatverdächtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung von Tätern gesprochen. Das wird noch zu beweisen sein. Es kann gut sein, dass das bewiesen werden wird. Bislang aber handelt es sich um Tatverdächtige. Das jedoch nur als Nebenbemerkung.

Die Rede von Herrn Biallas, die ich kurz würdigen will, ist mir dadurch aufgefallen, dass er heute offensichtlich - in Anführungszeichen - Kreide gefressen hat.

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Genau!)

Es war bemerkenswert, dass er um Sachlichkeit bemüht war, was ihm jedoch nicht während der gesamten Rede, aber doch in einigen Passagen gelungen ist, und dass er sozusagen wegen der Interessenlage, bestimmte neue Ermittlungsmethoden durchzusetzen, dafür warb, die SPD für ein sachliches Gespräch zu gewinnen.

Herr Schünemann, nun spreche ich zur Regierungserklärung. An der Regierungserklärung ist mir zunächst Folgendes aufgefallen: Ich hätte nicht 30 Minuten gebraucht, um Ihre Botschaften zu platzieren. Aber das ist Geschmacksache, und das macht jeder anders. Wenn ich es richtig sehe, haben Sie drei zentrale Botschaften übermitteln wollen.

Die erste Botschaft lautete: Die Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus ist unmittelbar und gegenwärtig. - Wenn ich es richtig wahrgenommen habe, haben Sie weiter gesagt: Niedersachsen ist nicht Zentrum dieser islamistischen Bedrohung. - Herr Wulff hat soeben in seiner kurzen Intervention andeutungsweise Beispiele dafür genannt, dass Leute aus dieser Szene, die in Niedersachsen leben, unauffindbar verschwinden oder - dann doch auffindbar - in Ausbildungslagern gewesen sein sollen. Ich sage Ihnen, Herr Ministerpräsident: Ich als einfacher Abgeordneter, der aber auch dem Ausschuss für Verfassungsschutzangelegenheiten, also dem Ausschuss angehört, in dem am ehesten eine präzise Information des Parlaments auch über diese Bedrohungssituationen zu geben wäre, bin gar nicht in der Lage nachzuvollziehen, ob das, was Sie angedeutet haben und was Herr Schünemann nicht einmal anhand von Beispielen angedeutet hat, zutreffend ist oder nicht. Deswegen wäre für meine Begriffe ein Appell an diese Regierung zu richten, dass sie das Parlament in Zukunft so informiert, dass sich alle Fraktionen - auch Oppositionsfraktionen - in der Lage sehen, zu beurteilen, in welchem Maße es eine Bedrohungslage gibt und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Auch das wäre ein Beitrag zur Versachlichung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Schünemann, Ihre zweite Botschaft lautete: Wir haben die operative Schlagkraft unserer Sicherheitsbehörden durch Strukturreformen im Bereich Polizei und Verfassungsschutz erhöht. Ich finde, diese Aussage ist einfach falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu mache ich nur eine kurze Bemerkung. Die Strukturreformen im Bereich der Polizei und die Tatsache, dass Sie den Verfassungsschutz in das Innenministerium geholt haben, erschließen sich für mich in Bezug auf erfolgreichere Arbeit gegen terroristische Bedrohungen in keiner Weise.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Aufstockung des Personals im Bereich des Verfassungsschutzes oder der Staatsschutzabteilungen der Polizei mag dazu einen Beitrag liefern können. Das gilt aber nicht für Strukturreformen.

Dritter und zentraler Punkt: Sie sagen, wir brauchen effektive Aufklärungsinstrumente, und das sind die Onlinedurchsuchung von Computern und die präventive Telekommunikationsüberwachung. Die schnelle Bereitstellung der rechtlichen Befugnisse ist alternativlos. - Bemerkenswert ist, dass das Stichwort „präventive Telefonüberwachung“ heute in Ihrer Rede anders als in ihrer schriftlichen Fassung nur einmal vorkam. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Ich könnte dafür eine Erklärung anbieten, komme aber gleich noch einmal darauf zurück. Es gibt gar keinen Zweifel: Die Festnahme der Tatverdächtigen in der vergangenen Woche war ein Erfolg der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Er ist mutmaßlich ohne Onlinedurchsuchungen und wahrscheinlich auch ohne präventive Telefonüberwachungsmaßnahmen zustande gekommen. Herr Innenminister, es bleibt Ihr Geheimnis, warum Sie dann die Einführung dieser beiden technischen Instrumente als alternativlos bezeichnen.