Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

dieser zivilisierten Gesellschaft zu kommen. Auch in Europa ist über Jahrhunderte manches geschehen, das aus heutiger Sicht als geradezu unverständlich erscheint. Aber das, was diese völlig verdrehten Geister jetzt in unser Land, in die zivilisierte Welt bringen, ob in Madrid, London, New York oder irgendwo auf der Welt, das hat auch uns hier im Parlament zu beschäftigen. Wir sind für jeden Vorschlag, für jede Anregung, für jeden Diskussionsbeitrag dankbar. Aber vor dem Hintergrund dieser Bedrohung anderen zu sagen, sie wollten nur von einem anderen Thema ablenken, das ist derart billig, dass ich mich dazu zu Wort melden musste.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Biallas das Wort.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Meine Damen und Herren, wir hatten uns einmal darauf geeinigt, nicht schon den bloßen Namensaufruf mit Zurufen zu kommentieren. Ich glaube, das war ein guter Beschluss, den wir alle zusammen gefasst haben. An ihn sollten wir uns auch halten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal dem Herrn Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er hier einige sehr sachliche Bemerkungen gemacht hat. Zu dieser Sachlichkeit wäre ich nicht in der Lage gewesen, nachdem ich Ihre Rede, Herr Bartling, gehört habe. Um es aber auf den Punkt zu bringen: Es geht hier um ein sehr ernstes Thema; es geht nicht um SPD oder CDU, sondern um Leben oder Tod.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Rede hat eindeutig unter Beweis gestellt: Sie, Herr Bartling, sind wirklich zu allem fähig, nur nicht zum Regieren.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, ich möchte Ihnen namens der CDUFraktion für Ihre detaillierten Ausführungen zur Sicherheitslage in Niedersachsen ausdrücklich

danken. Ich danke Ihnen auch für die Darstellung der umfangreichen Maßnahmen, die die CDUgeführte Landesregierung in diesem Zusammenhang ergriffen hat. Ich stelle fest: Die innere Sicherheit in Niedersachsen ist bei dieser Landesregierung und bei diesem Innenminister in guten Händen, und es wird nichts unterlassen, um die innere Sicherheit auch weiterhin zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Meine Damen und Herren, vor wenigen Tagen haben deutsche Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder in Zusammenhang mit amerikanischen Dienststellen die womöglich schwersten Terroranschläge seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verhindert. Allen Beteiligten, die in monatelanger akribischer Arbeit rund um die Uhr die Terrorverdächtigen beobachtet, ihr Vorhaben ausgewertet und sie letztlich festgenommen haben, danke ich im Namen der gesamten CDULandtagsfraktion sehr herzlich und spreche ihnen unsere Anerkennung für die in hervorragender Weise geleistete Arbeit aus.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Meine Damen und Herren: Auch Deutschland - das ist deutlich geworden - ist Zielgebiet von Terroristen und ihrem Wahn. Die vereitelten Anschläge, zu denen sich vorgestern die Islamische Dschihad Union bekannt hat, belegen dies. Die glücklicherweise fehlgeschlagenen Kofferbombenattentate in Nahverkehrszügen im Sommer 2006 waren leider keine Einzelfälle. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist eine reale Bedrohung. Das müssen auch diejenigen einsehen, die in den letzten Monaten unseren Bundesinnenminister, aber auch unseren Landesinnenminister belächelt und teilweise in übelster Weise verbal attackiert haben.

Meine Damen und Herren, die Attentäter von New York, London und Madrid und auch die nun festgenommenen Terrorverdächtigten geben vor, Anhänger des islamischen Glaubens zu sein. Ich unterstreiche ausdrücklich: Die Muslime dürfen nicht kollektiv verdächtigt werden, womöglich etwas mit den Attentätern oder den Attentaten zu tun zu haben. Wer so etwas behauptet, verkennt die Friedfertigkeit des weit überwiegenden Teils der Menschen islamischen Glaubens.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage aber auch: Der Terrorismus scheint derzeit vor allem ein Problem des islamischen Bereichs zu sein. Die verantwortlichen Religionsführer des Islam sind in erster Linie gefragt, uns im Kampf gegen den religiös motivierten Terrorismus zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind jedenfalls bereit, gemeinsam mit den friedfertigen Anhängern des Islam den Kampf gegen religiös verirrte Terroristen zu führen. Daher setzen wir weiterhin auf den Dialog mit dem Islam. Gelegentlich beschleichen mich aber Zweifel - auch dies will ich hier deutlich sagen -, ob der Dialog wirklich von allen weiterhin gewollt ist. Wenn zum Beispiel selbsternannte Vertreter großer Teile des Islam die Einladung zum Integrationsgipfel ausschlagen, weil sie mit einem demokratisch beschlossenen Gesetz nicht einverstanden sind, dann zeugt dies jedenfalls nicht von einem angemessenen Verhältnis zu den Regeln des demokratischen Rechtsstaats.

Meine Damen und Herren, gerade von den islamischen Interessenvertretern erwarten wir, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen. Genauso müssen wir ein klares öffentliches Bekenntnis gegen den Terrorismus einfordern. Eine verdeckte Duldung darf es nicht geben. Wir würden es in diesem Zusammenhang begrüßen - der Herr Ministerpräsident hat das auch schon öffentlich ausgeführt -, wenn Predigten in Moscheen in deutscher Sprache gehalten würden; denn das wäre ein Zeichen anerkannter Glaubensfreiheit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, hier lebende friedliche Muslime sind - wie jeder andere Bürger auch aufgerufen und verpflichtet, die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Extremismus zu unterstützen. Dazu zählt auch, Herr Bartling, die Anzeige gewaltbereiter Islamisten. Das hat nichts mit Denunziantentum zu tun. Im Gegenteil: Die Nichtanzeige geplanter Straftaten ist nach geltendem Recht sogar eine Straftat, und zwar für jeden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, jeder Bürger - ob Muslim, Christ oder Mitglied anderer Religionsgemeinschaften - kann sich auf den Schutz des Staates verlassen. Der Staat ist aber auch auf die Mithilfe

seiner Bürger angewiesen. Vorbehalte gegen unsere Sicherheitsbehörden sind völlig fehl am Platze.

Man mag jetzt noch fordern, dass das Staat mehr für die Integration tun soll. Ich gebe zu: Sicherlich ist manches ausbaufähig. Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgeführte Integrationsgipfel bietet hierfür zahlreiche Anhaltspunkte, die nun angegangen werden müssen. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang auch der vom Bundesinnenminister veranstaltete Islamgipfel. Nur so kann das Verständnis füreinander wachsen. Fest steht wohl: Es wird schon viel getan, auf jeden Fall eine ganze Menge mehr als noch vor einigen Jahren.

Fest steht aber auch: Integration ist keine Einbahnstraße. Die Zugewanderten sind aufgerufen, die Integrationsangebote auch tatsächlich zu nutzen. Integration ist aber kein Allheilmittel, wenn die Bereitschaft zur Eingliederung nicht gewollt ist. Zudem belegt der Fall der beiden terrorverdächtigen deutschen Konvertiten, dass sämtliche Integrationsbemühungen nicht alle Fälle erfassen können. Wir sind auf die aktive Mithilfe der gesamten Gesellschaft im Kampf gegen den alle bedrohenden Terrorismus angewiesen.

Meine Damen und Herren, terrorbereiten Personen, die wir trotz aller Integrationsmaßnahmen nicht erreichen, müssen wir auf anderen Wegen zuvorkommen. Der Rechtsstaat muss von sich aus wehrhaft bleiben. Dafür stehen unserem Staat und seinen Sicherheitsbehörden schon jetzt einige geeignete Instrumente zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, für Niedersachsen halte ich nach dieser Regierungserklärung fest: CDU und FDP haben die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz unter Beachtung des Trennungsgebots verbessert. Das Gemeinsame Informations- und Analysezentrum hilft u. a. bei der gezielten Beobachtung des islamistischen Terrorismus. Nach den aktuellen Ereignissen bestreitet die Opposition sicherlich nicht länger - sicherlich nicht einmal Herr Bartling - die Notwendigkeit dieser Einrichtung, die im Übrigen ein Vorbild für den Bund und viele andere Länder geworden ist.

Wir haben die Analysekompetenz im Bereich Islamismus beim Verfassungsschutz durch die Bildung eines speziellen Dezernates gestärkt. Personell haben wir Anfang 2005 aufgestockt: Wir haben zusätzlich 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Polizei und LKA haben im letzten Herbst

zusätzlich insgesamt 31 Mitarbeiter im Bereich Staatsschutz erhalten. Diese Maßnahme, Herr Bartling, wurde damals von der SPD ja immer kritisch hinterfragt. Daher wundert es mich schon, dass ausgerechnet Sie nun mehr Personal fordern. Umso mehr wundert es mich aufgrund der folgenden Tatsache, Herr Bartling: Ich halte fest - das ist der Vorteil, wenn man schon etwas länger dabei ist -: Ab 1990 haben Sie in Niedersachsen zusammen mit den Grünen regiert. Ein Ergebnis 1994 war, dass Sie es zusammen mit den Grünen als Erfolg gefeiert haben, dass Sie die Personalstärke des Niedersächsischen Verfassungsschutzes halbiert haben. So ist es gewesen, und jetzt fordern Sie mehr Personal!

(Zustimmung bei der CDU)

Ich gebe aber zu, Herr Bartling, dass Sie - aus Ihrer Sicht - einen Erfolg erreicht haben: Sie konnten den Bestrebungen der Grünen, die den Verfassungsschutz ganz abschaffen wollten, doch noch ein wenig widerstehen. Das ist die Wahrheit, die einmal klar ausgesprochen werden muss.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Im Rahmen der Haushaltsberatungen werden wir prüfen, ob eine weitere Aufstockung der personellen und sachlichen Ausstattung nötig ist. Wir werden auch weiterhin für eine optimale und bedarfsgerechte Ausstattung von Polizei, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz sorgen. Wenn die Herausforderungen wachsen, dann müssen auch die Abwehrmöglichkeiten in personeller und sachlicher Hinsicht ausgebaut werden. So sind wir bereits in der Vergangenheit verfahren - dazu bedarf es Ihrer Empfehlung, Herr Bartling, in keiner Weise.

Meine Damen und Herren, wie vom Innenminister und von mir selbst gerade dargestellt, verfügen wir schon jetzt über einige geeignete Mittel zur Terrorabwehr und -bekämpfung. Dennoch müssen wir uns immer wieder die Frage stellen, ob die Möglichkeiten ausreichen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der schnell voranschreitenden technischen Neuerungen. Daher muss es auch erlaubt sein, zu prüfen, ob das Mittel der Onlinedurchsuchung helfen kann, frühzeitig Gefahren für unser Land und unsere Bürger zu erkennen, auszuwerten und abzuwehren. Es geht darum, sich sachlich über dieses Thema zu unterhalten und sich nicht

immer die parteipolitischen Birnen an die Köpfe zu werfen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wichtig ist zunächst eine Versachlichung der Debatte. In diesem Zusammenhang möchte ich darum bitten, dass sich das, was wir in den letzten Wochen andauernd erfahren mussten, nicht wiederholt, nämlich dass sozusagen mit der persönlichen Herabsetzung von Politikern der jeweils anderen Couleur - -

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! - Ur- sula Helmhold [GRÜNE]: Haben Sie eigentlich heute Morgen Kreide ge- frühstückt, Herr Biallas?)

- Frau Wörmer-Zimmermann, ich ertrage das jetzt noch drei Monate, aber ich bin froh, dass es dann vorbei ist.

(Zustimmung bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Das ist ein Beispiel für persönliche Herabsetzung, was Sie eben gesagt haben!)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, weil Sie mir ja vorwerfen, ich denke mir das aus. Ich zitiere aus dem Friesischen Tageblatt vom 10. September, als Ihr Parteitag stattgefunden hat. Dort steht: SPD legt politischen Fahrplan fest. - Es ist ja gut, wenn man erfährt, wie der aussieht. Das ist ja alles in Ordnung. Aber dort steht auch: Peter Struck - SPD-Mann - unterstellt Schäuble, dass ihm ein Anschlag gar nicht so unrecht wäre.

(Ursula Körtner [CDU]: Ungeheuer- lich!)

Das wollte ich damit sagen: Das ist doch kein Beitrag zur Versachlichung der Debatte! Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie. Das ist dem Ernst der Lage unangemessen. Das ist peinlich. Herr Bartling, ich bitte Sie, daran mitzuwirken, dass die SPD aus dieser Peinlichkeit herausfindet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nicht diejenigen sind die Feinde des Rechtsstaates, die immer wieder prüfen, wie der Staat uns besser schützen kann. Es ist im Übrigen die Aufgabe und die Pflicht der Innenminister, alles zu tun, um die innere Sicherheit zu gewährleisten. Ich stelle fest: Dieser Aufgabe kommen zumindest die

CDU-Innenminister - und auch der nordrheinwestfälische Innenminister, Herr Wolf - in vorbildlicher Weise nach. Bei den wenigen SPDInnenministern bin ich mir da nicht mehr so ganz sicher.

Herr Bartling, ich habe eben von der Versachlichung der Atmosphäre gesprochen.

(Heiner Bartling [SPD]: Dazu tragen Sie gerade wieder bei!)