Meiner Meinung nach gibt es mehrere Strategien. Eine Strategie ist, dass man den harten Kern vom Verfassungsschutz, aber auch von der Polizei kontrolliert und dort, wo es möglich ist, strafrechtlich und ordnungsrechtlich vorgeht, beispielsweise bei Grunderwerb, Gebäudeerwerb und Ähnlichem.
Das hat aber auch eine langfristige Perspektive. Diese Frage stellt sich schon in den Familien. Wenn sich Leute in Familien verächtlich über Min
derheiten äußern, dann müssen sie sich nicht wundern, dass die Kinder, die so aufwachsen, anfällig werden. Über dieses Thema hat man sich nicht verächtlich zu äußern, ganz gleich in welcher Situation man selbst ist. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Das gilt auch schon für die Bildung im Kindergarten.
Bei der Frage der Toleranz sowie bei der Frage, wie man beispielsweise diese Intoleranz, diese Unduldsamkeit und diesen rassistischen Überlegenheitsdünkel bei der NPD bekämpft, kann man nur gute Ergebnisse erreichen, indem man Toleranz übt und indem man miteinander vernünftig umgeht.
Weil die drei Minuten Redezeit gleich um sind, betone ich: Das ist eine Frage, die sich auch hier an das Parlament richtet. Da schließe ich mich selbst nicht aus. Aber wenn man die Zuhörer einmal fragt, was sie von dieser reflexartigen Streitkultur „Hier sind die Guten und dort die Bösen“ - je nach dem, wer gerade redet - halten, dann merkt man, dass die Zuhörer damit längst fertig sind. Wir könnten auch ein Beispiel geben, indem wir hier eine vernünftige demokratische Streitkultur pflegen. Das würde auch eine gewisse Ausstrahlung haben. Ich finde, wir müssen uns auch mit dem nötigen Mut und mit Gesichtzeigen diesen im Grunde unsäglichen Kadetten entgegenstellen. Das müssen wir überall im Lande mit Beharrlichkeit tun. Dann wollen wir doch einmal sehen, ob wir Erfolg haben.
Wir werden der Bevölkerung auch noch klarmachen können, dass die keine einzige Stimme verdient haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann Gesellschaften, Organisationen und auch Parteien verbieten - Gesinnungen kann man nicht verbieten.
Deshalb haben wir alle gemeinsam eine einzige Aufgabe: Wir müssen gemeinsam den Kampf gegen den Rechtsradikalismus führen,
und zwar gesellschaftspolitisch und auch bildungspolitisch. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in der Bundesrepublik gemeinsam die demokratische Kraft haben, dass wir das schaffen und diesen Kampf gewinnen können.
Ich bin sehr skeptisch, ob man bei der NPD zum letzten Mittel, nämlich dem Verbot der Partei, greifen sollte und greifen kann, ohne die viel zu hohe Gefahr des Scheiterns vor dem Bundesverfassungsgericht einzugehen. Denn was würde passieren, wenn wir bei einem zweiten NPD-Verbotsverfahren scheitern? - Dann würde das geschehen, was wir hier eben zu Recht von Herrn Bartling und Frau Helmhold gehört haben, nämlich die insgeheime Legitimation des Gedankenguts der NPD. Es wäre genau das Gegenteil dessen, was wir so dringend brauchen und bei dem wir in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht haben. Verschließen wir nicht davor die Augen, dass wir in den letzten Jahren sehr viel bürgerschaftliches Engagement erlebt haben: Bürger, die sich zusammengetan haben, um gegen rechts zu demonstrieren, um Herrn Rieger und seine Gefolgsleute aus ihren Orten, aus ihren Städten zu vertreiben,. Es gab auch sehr viele Gastwirte, die auf eigenes Risiko - und zwar sowohl körperlicher als auch finanzieller Art - Konzerte von Rechten bzw. nicht haben stattfinden lassen, indem sie die Mietverträge, wenn sie scheinheilig geschlossen worden waren, aufgehoben haben, sodass die Veranstaltungen nicht stattfinden konnten. Das alles sind positive Zeichen dafür, dass die Gesellschaft die Gefahr erkannt hat und bereit ist, dagegen zu kämpfen.
Wenn wir über die Verbote reden, Herr Bartling - Sie haben Hetendorf und anderes erwähnt -, dann muss man auch einmal ganz ehrlich konstatieren, dass unsere Skepsis auch deshalb besteht, weil die verhängten Verbote schlicht und ergreifend nicht zu dem Erfolg geführt haben, den wir uns alle vorgestellt haben. Natürlich sind diese Verbände dann aufgelöst worden. Aber Menschen mit dieser Gesinnung haben sich in anderen, neu gegründeten Vereinen und Kameradschaften wieder zusammengefunden, haben sich einen neuen Ort für die Treffen gesucht. Wir sind dem Problem auf diesem Weg in der Tat nicht Herr geworden.
Man kann natürlich sagen: Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand, deshalb sollte man auch beim NPD-Verbot weitergehen. - Aber, Herr Bartling, ich sage Ihnen auch: Vor Gericht hat man einen entscheidenden Vorteil. Man kann aufgrund der vorhergehenden Urteile die Entscheidung ungefähr abschätzen. Das Bundesverfassungsgericht hat mehr gesagt als das, was Sie hier erzählt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich auch gesagt, dass für die Frage eines Parteienverbots auch der Zeitraum von der Einreichung des Verbotsantrages bis hin zum Urteilsspruch entscheidend ist. Genau in dieser Zeit müssten alle Länder und auch der Bund alle V-Leute und verdeckten Ermittler aus der NPD abziehen. Wenn dann die NPD einfach zum Schein die Internetseiten säuberte, die Veranstaltungen bzw. Aufmärsche nicht mehr selber durchführte, sondern von Kameradschaften und anderen durchführen ließe, hätten wir keine Chance zu beweisen, dass das neue Bild, das sie sich während des Verfahrens gibt, nur vorgetäuscht ist. Deshalb sind die Risiken, die mit einem NPD-Verbotsverfahren verbunden sind, ganz enorm.
Angesichts dessen möchte ich Sie, Frau Helmhold, einmal an Ihren Kollegen Briese verweisen, der hier im Plenum einige sehr bedeutende Reden dazu gehalten hat, die ich als sehr nachlesenswert empfinde. Herr Bartling, Ihnen möchte ich einmal den Bericht des NDR - ich glaube, vor zwei Tagen wurde er gesendet - zur NPD empfehlen. Wir haben ihn aufgezeichnet und können Ihnen den gerne zur Verfügung stellen. Da hat man sich nämlich mit dem Verhalten der NPD in MecklenburgVorpommern auseinandergesetzt. Es war manchmal nur sehr schwer erträglich, diese Bilder zu sehen und zu sehen, wie sich die Nazis dort verhalten haben. Aber die Schlussfolgerungen, die dort auch von den Wissenschaftlern gezogen worden sind, sollten wir ernster nehmen und in unse
ren Herzen bewegen. Wir haben die gleichen Schlussfolgerungen gezogen wie der NDR mit den zitierten Experten. Wir halten das NPD-Verbotsverfahren nicht für geeignet. Wir setzen auf die Gesellschaft, darauf, dass sie sich der NPD und den Rechten entgegenstellt. Darum wollen wir gemeinsam weiterkämpfen. Dafür bitten wir um Ihre Unterstützung. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kern sind wir uns alle hier im Parlament einig: Wir wären sehr froh gewesen, wenn das NPD-Verbotsverfahren im Jahre 2003 erfolgreich verlaufen wäre. Wir alle haben das gleiche schreckliche Unbehagen, wenn wir jeden Monat wieder die Demonstrationen der Rechtsextremisten sehen müssen, wenn wir sehen, dass die Gerichte diese Demonstrationen genehmigen müssen. Herr Bartling, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, wie sich die Beamtinnen und Beamten der Polizei fühlen, wenn sie das Verfassungsrecht auf Demonstration bei Verfassungsfeinden durchsetzen müssen.
Vor diesem Hintergrund ist der Ruf nach einem neuen Verbotsverfahren mehr als verständlich. Aber diese Wut im Bauch - das will ich einmal klar darstellen - darf nicht dazu führen, dass wir die Augen davor verschließen, dass die Fakten leider auch anders aussehen können.
Herr Kollege Bode, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, was das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil festgelegt hat, nämlich nicht nur, dass aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung vorgegangen werden muss und dieses aus freien Quellen abgesichert sein muss, sondern es wird auch die Vergangenheit mit überprüft. Insofern ist das Risiko eines Verbotsverfahrens ganz genau abzuschätzen. Denn eines muss uns doch klar sein: Wenn das Verbotsverfahren noch einmal scheitert, dann werden wir dadurch keinen Erfolg haben, sondern, im Gegenteil, wir würden den Rechtsextremisten in die Hände spielen. Das darf auf gar keinen Fall passieren.
Herr Bode hat schon auf die NDR-Reportage hingewiesen. Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Parlament in Mecklenburg-Vorpommern hat gesagt, er ist in die NPD eingetreten, nachdem das Verbotsverfahren gescheitert ist. Allein dies zeigt, welche Folgen daraus entstehen können.
Zu glauben, dass wir einen Großteil der Probleme beseitigt haben, wenn wir die NPD verboten haben, ist schlichtweg falsch. Wir müssen uns vor Augen führen, wie der Rechtsextremismus in Deutschland bzw. in Niedersachsen aufgebaut ist. Seit über 20 Jahren haben wir rechtsextremistische Subkulturen mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen und Konzerten. Wir haben die neonazistischen Kameradschaften in Niedersachsen, die übrigens gegründet wurden, nachdem rechtsextremistische Organisationen verboten worden sind. Wir haben natürlich auch die NPD. Insofern müssen wir uns auch angucken, wer die Genehmigungen für die rechtsextremistischen Demonstrationen beantragt. Bei den neuen Demonstrationen in diesem Jahr waren zwei von der NPD und sieben von anderen rechtsextremistischen Organisationen. Insofern ist für mich völlig klar: Wir müssen die Fachleute von Verfassungsschutz und Staatsschutz beauftragen zu prüfen, ob ein Verbotsverfahren der NPD erfolgreich sein kann oder nicht. Übrigens, Herr Bartling - das wissen Sie -, ist dies ständig auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenzen. Aber ich sage Ihnen auch: In jedem Quartal eine öffentliche Diskussion über ein NPD-Verbot zu führen, hilft keineswegs weiter; im Gegenteil: Auch hierdurch entstehen Probleme. Lassen Sie das die Fachleute, die Innenministerkonferenz vernünftig prüfen. Da gehört es hin. Ich glaube, Vertrauen in diese Organe sollten wir auf jeden Fall haben. Eine öffentliche Diskussion darüber schadet; davon bin ich fest überzeugt.
Was müssen wir also tun? Was können wir tun? Was haben wir getan? - Frau Helmhold, ich muss Ihnen sagen: Ich bin wirklich froh, dass auf allen Ebenen, auch bei allen gesellschaftlichen Gruppen die Anstrengungen gegen den Rechtsextremismus verstärkt worden sind. Das war auf der kommunalen Ebene, bei den gesellschaftlichen Gruppen, aber auch bei der Landesregierung der Fall. Ich wehre mich dagegen, wenn hier der Eindruck geschürt wird, diese Aktivitäten hätten nichts genutzt. Ich bin froh, dass der Rechtsextremismus weder in
kommunalen Parlamenten noch hier im Landtag eine Rolle spielt. Wenn wir die Aufklärungsarbeit so betreiben, dann - dessen bin ich sicher - wird er hier niemals irgendeine Rolle spielen können. Das ist das Wichtigste.
Wir müssen die Aktivitäten auch bündeln. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr Regionalkonferenzen mit den Kommunen durchführen, auf denen wir die Beispiele sammeln und sehen können, welche Aktivitäten wir noch starten können, wenn Demonstrationen angemeldet werden.
Wir haben auf Landesebene viele Präventionsmaßnahmen durchgeführt, gerade auch durch die neue Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium. Wir haben ein Referat Prävention. Sie kennen alle diese Maßnahmen.
Deshalb ist der richtige Weg: Alles muss sorgsam geprüft werden. - Ich freue mich auch über die Überschrift der Aktuellen Stunde. Dagegen, dass etwas geprüft werden muss, wird sich niemand in irgendeiner Weise wehren. Aber es muss da geprüft werden, wo es hingehört, wo die Fachleute sitzen.
Ich habe mich damals als Oppositionspolitiker zum Parteiverbotsverfahren sehr vorsichtig geäußert, weil man nicht alle Erkenntnisse haben kann. Auch die Erkenntnisse aus Niedersachsen reichen nicht aus. Insofern müssen wir alles daransetzen, dass wir die gesellschaftlichen Kräfte weiter stärken, um gegen den Rechtsextremismus weiter so erfolgreich zu arbeiten. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen sicherlich noch einiges verstärken. Darüber sollten wir diskutieren, statt immer wieder durch Verbotsdiskussionen den Rechtsextremisten in die Hände zu spielen. Das wäre falsch, und dagegen wehre ich mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich bemüht, in meiner Einbringungsrede zur Aktuellen Stunde keine Schärfe in die Debatte zu bringen; denn ich glaube, dafür ist dieses Thema
zu wichtig. Aber wenn der Innenminister hier geradezu versucht, den Eindruck zu erwecken, wir hätten kein Problem,
dann kann ich das nicht unwidersprochen lassen. Ich sage nur: Wir haben in letzter Zeit eine Häufung des Problems.
Ich sage nur die Stichworte Bad Lauterberg, Schaumburg, Kameradschaften, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Dörverden, Melle. Es gibt eine steigende Zahl von rechtsextremen Gewalttaten. Wir können doch nicht so tun, als ob das, was hier bislang passiert ist, ausreicht! Die Zivilgesellschaft ist wichtig. Aber ganz offensichtlich reicht das nicht aus.
Ich sage Ihnen eines: Dass der Verbotsantrag vor dem Verfassungsgericht gescheitert ist, hat nichts damit zu tun, dass diese Partei nicht verfassungsfeindlich wäre. Das ist nie geprüft worden. Das war nie Gegenstand der Verhandlungen. Der Antrag ist doch nur formal abgelehnt worden. Wir können doch nicht aus Angst vor dem Scheitern eines zweiten Verbotsverfahrens nur dasitzen wie das Kaninchen vor der Schlange und sagen: „Da können wir jetzt aber nichts mehr machen, weil wir Angst haben, dass das nicht klappt“. Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen alles tun, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es beim nächsten Mal klappt.
Dazu gehört natürlich auch, dass der Innenminister und diese Landesregierung ihre Hausaufgaben machen.