Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Jetzt hat der Innenminister das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade wenn es um die Verkehrssicherheit geht, ist es ganz wichtig, dass wir uns an Fakten orientieren. Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, was heute in der Mittagszeit passiert ist: Es hat eine Pressekonferenz gegeben, an der der Verkehrsminister, der Innenminister, aber auch Herr Dr. Schultze von der Verkehrswacht und - dies hat mich besonders gefreut - Herr Siegfried Brockmann teilgenommen haben. Er ist von der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin.

Auf der Pressekonferenz ist u. a. die Frage gestellt worden, ob ein allgemeines Tempolimit von 120 oder 130 km/h tatsächlich zu einer höheren Verkehrssicherheit beitragen würde. Dabei ist die klare Aussage gefallen, dass dies nicht zur Verkehrssicherheit beitragen würde, sondern dass intelligentere Lösungen sehr viel sinnvoller wären.

Gerade auf Autobahnen gibt es die wenigsten Verkehrstote. Wenn Sie sich einmal angucken, welche Ursachen eine Rolle dafür gespielt haben, dann werden Sie feststellen, dass es zu einem Großteil nichts damit zu tun hat, dass dort kein generelles Tempolimit geherrscht hat.

Herr Schünemann, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Hagenah?

Wenn ich diesen Satz zu Ende gesagt habe, gerne.

Es ist noch einmal klar dargestellt worden, insbesondere von Herrn Dr. Schultze, aber auch von Herrn Brockmann, dass durch das, was Verkehrsminister Hirche auf den Weg gebracht hat, bei jungen Fahrern, die mit 17 Jahren gerade ihren Führerschein bekommen haben, nicht nur in Niedersachsen, sondern mittlerweile bundesweit auf jeden Fall eine größere Verkehrssicherheit gegeben ist, als wenn ein Limit von 120 oder 130 km/h auf Autobahnen eingeführt werden würde.

Dem Verkehrsminister ist gerade von diesem Verkehrsforscher ein großes Lob ausgesprochen worden. - Das wollte ich Ihnen noch mitgeteilt haben, weil das meiner Ansicht nach in dieser Debatte wichtig ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie wollten aber noch die Frage von Herrn Hagenah zulassen.

Gerne. Deshalb bleibe ich stehen.

Herr Minister, können Sie bestätigen, dass der Polizeipräsident von Hannover, anders als der von Ihnen eingeladene Verkehrswissenschaftler, in

seiner Sorge um die Verkehrssituation auf der A 2 aus seiner Beobachtung heraus sehr wohl der Meinung ist, dass ein durchgehendes Tempolimit sehr viel zur Verkehrssicherheit auf dieser Autobahn beitragen würde?

(Dr. Harald Noack [CDU]: Das ist doch kein generelles Tempolimit!)

Können Sie zudem bestätigen, dass es bei dem Thema, über das Sie heute Mittag gesprochen haben, nämlich der bedauerlich hohen Zahl an

Verkehrsunfällen auf Landstraßen, wo gegen

Bäume gefahren wird - das war ja der Kern Ihres Themas -, in der Summe nicht mehr Unfälle gibt als auf dem kleinen Teilstück der A 2 in einem Jahr in Niedersachsen, dass das Thema Autobahnunfälle deswegen sehr wohl ein sehr relevantes Thema ist und dass Geschwindigkeitseinschränkungen dort helfen könnten?

Die Baumunfälle haben nichts mit einem Tempolimit zu tun,

(Zurufe von der SPD: Was?)

weil auf Landstraßen ohnehin nicht schneller als 100 km/h gefahren werden darf. Das hat damit nichts zu tun. Mit einem allgemeinen Tempolimit von 130 km/h kann bei den Landstraßen überhaupt nichts erreicht werden; das ist doch völlig klar.

Ansonsten ist es richtig, dass bei der A 2 Sondersituationen bestehen. Deshalb hat Verkehrsminister Hirche ja auch eine Konzeption vorgestellt, dass z. B. das Überholen von Lkws an gewissen Stellen verboten sein soll. Viel wichtiger ist aber, dass es ein intelligentes System gibt. Da, wo es notwendig ist, wo das Verkehrsaufkommen besonders hoch ist, sollte es zu gewissen Zeiten, aber nicht generell für 24 Stunden, ein Tempolimit geben. Entsprechend dem Verkehrsaufkommen muss es

intelligente Lösungen geben. Zum Teil soll nur 120 km/h gefahren werden dürfen, zum Teil soll aber auch die Möglichkeit bestehen, schneller fahren zu dürfen.

Es muss hier eine differenzierte Betrachtung geben. Ein generelles Tempolimit wird noch nicht einmal von der Verkehrsforschung befürwortet, weil es nicht zur allgemeinen Sicherheit beiträgt. Dies ist heute noch einmal dargestellt worden. Dies sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun ist Herr Minister Sander an der Reihe.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SPD-Parteitag hat ja eine sehr inte

ressante Strategie verfolgt. Als Erstes hat man die Minister abgewatscht: erst Herrn Müntefering mit dem ALG I, dann Herrn Tiefensee mit der Bahnprivatisierung und zum Schluss Herrn Gabriel, der die Zwangsbeglückung ertragen musste, dass der

Parteitag ein Tempolimit von 130 km/h beschlossen hat. Insofern, Herr Wenzel und Herr Hagenah, verstehe ich es, dass Sie die SPD hier in gewisser Weise vorführen wollen, ob sie zu dem steht, was auf dem Parteitag beschlossen worden ist.

Meine Damen und Herren, Sie haben dieses Thema unter den Gesichtspunkt Klimawandel gestellt. Eben waren aber auch andere Fragen dabei von Bedeutung. Das ist absolut richtig; das muss man mit betrachten. Aber wenn Sie es auf den Klimaschutz beziehen, dann ist es klar - darin sind wir uns einig -, dass die Erderwärmung ein besonderes Problem ist und dass wir alles unternehmen müssen, um den CO2-Ausstoß zu vermindern.

Allerdings muss man auch verlässliche Daten haben, um dann wirklich an der Wurzel anzupacken. Man darf nicht mit irgendwelchen Vermutungen arbeiten. Im Wesentlichen geht es in diesem Falle um CO2. Es geht aber auch noch um andere Gase wie Methan, Lachgas und Fluorkohlenwasserstoffe.

Meine Damen und Herren, es ist auch richtig - das können Sie nicht bestreiten -, dass nur 17 % der Emissionen den Verkehr betreffen. Bei diesen 17 % müssen Sie zudem noch zwischen Lkw, die sowieso nicht schneller fahren können, und Pkw unterscheiden.

Herr Kollege Hagenah, Sie haben hier GEO zitiert. Die ganzen Fragen, die dort gestellt worden sind, haben wir zur Kenntnis genommen. Eines hätten Sie eigentlich auch sagen müssen, nämlich dass Niedersachsen bei der CO2-Reduzierung unter den westdeutschen Ländern nach Schleswig-Holstein absolut Spitze ist. Wir können mit einer Einsparungsquote von immerhin 16,7 % aufwarten. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit der damals noch amtierenden Landwirtschafts- und Umweltministerin Frau Höhn sind hingegen lediglich 7 % eingespart worden. In Niedersachsen ist also mehr als doppelt so viel wie in Nordrhein-Westfalen eingespart worden.

Meine Damen und Herren, Sie müssen auch dies betrachten: Von den 17 %, die auf den Verkehr entfallen, sind 13 % dem Kraftfahrzeugverkehr,

0,5 % dem Luftverkehr und 3,5 % dem Bereich von Schiene und Binnenschifffahrt zuzuschreiben.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Wenn man eine Beurteilung unter Klimagesichtspunkten vornehmen will, muss man auch Folgendes berücksichtigen. Seit 1999 ist im Verkehrssektor trotz der Zunahme des Individualverkehrs ein Rückgang der CO2-Emissionen auf 170 Millionen t festzustellen. Trotz der Zunahme des Verkehrs ist also eine Reduzierung erfolgt. Herr Will, das

spricht dafür, dass die Automobilindustrie gerade in Niedersachsen sehr innovativ ist und sich zum Ziel gesetzt hat, die CO2-Emissionen und den Spritverbrauch, der in gewisser Weise damit korreliert, zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, mit Vermutungen kommen wir nicht weiter. Wir brauchen belastbare Zahlen, weil das Thema natürlich immer wieder diskutiert werden wird. Unser Verkehrsminister, Herr Hirche, hat vor rund 14 Tagen gesagt, wir müssten auf die Verkehrssituation und auf besonders gefährdete Strecken mit Einzelmaßnahmen, mit Verkehrslenkung reagieren. Ich glaube, das ist der Weg, den wir auch bei anderen Strecken auf der Autobahn ins Auge fassen müssen. Dazu gehört, unter Umständen nicht nur Streckenabschnitte zu beachten, sondern auch Tag- und Nachtzeit mit einzubeziehen.

Die Zielrichtung, dass wir die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs dabei berücksichtigen müssen, ist klar. Daher wird das Verkehrsministerium Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen an den niedersächsischen Autobahnen weiter verstärken. Damit wäre dann eine flexiblere, den Verkehrsverhältnissen gegebenenfalls auch unterhalb des

Tempos von 130 km/h angepasste Steuerung der Verkehrsabläufe möglich, wie sie in dem angesprochenen Fall mit dem Tempo von 120 km/h ja auch erfolgt ist, weil dies so geboten war.

Herr Hagenah und Herr Wenzel, Ihnen ist auch bekannt, warum der Antrag hier gestellt worden ist, ohne irgendeine Wirkung haben zu können. Weder die Straßenverkehrsordnung bietet im Augenblick aus allgemeinen Klimaschutzgründen eine

Rechtsgrundlage für ein Tempolimit noch ist ein Tempolimit objektiv als Klimaschutzmaßnahme

geeignet. Aus den von mir hier vorgetragenen Zahlen können Sie eine solche Maßnahme nicht ableiten. Es ist auch bemerkenswert, dass sogar

Umweltminister Gabriel dem Antrag nicht nur nicht zugestimmt hat, sondern den Argumenten, die von der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion vorgetragen worden sind und die von der Landesregierung geteilt werden, zustimmt. Ein Tempolimit ist also keine geeignete Maßnahme, um den Klimawandel entscheidend zu begrenzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Wenzel, ich erteile Ihnen das Wort für zwei Minuten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema rührt offenbar sehr an den Emotionen. Deswegen möchte ich dazu noch vier Bemerkungen machen.

Erstens. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, Sie gehen hier immer mit den Errungenschaften Ihres Wirtschaftsministers hausieren. Es war Herr Ministerialdirigent Hartmann, der die Einführung des Führerscheins mit 17 mit großer Vehemenz vorangetrieben hat. Ministerin

Knorre hat das Vorhaben damals unterstützt. Auch die anderen Fraktionen hier im Hause - auch unsere Fraktion - haben es damals unterstützt. Das ist dann von Herrn Minister Hirche weitergeführt worden. Es ist aber falsch, hier immer so zu tun, als sei das ein Baby von Herrn Hirche.

Zweitens. Herr Schünemann, das Problem der Verkehrssicherheit auf der A 2 bekommen Sie seit Monaten nicht in den Griff. Es handelt sich wirklich um ein Problem, bei dem man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Man könnte ein allgemeines Tempolimit einführen. Darunter kann man vieles auch mit Telematik regeln. Hören Sie auf, hier weiter auf Zeit zu spielen. Es ist einfach nicht mehr auszuhalten, was es auf diesen wenigen Kilometern, die hier betroffen sind, an Unfällen gibt. Insofern braucht es jetzt Regelungen.

Drittens komme ich auf den GEO-Test zu sprechen. Herr Minister, heute war bei dpa die Überschrift zu lesen: Bremen und Niedersachsen