Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Ich bin froh darüber, dass der sozialdemokratische Bundesfinanzminister auf Druck unserer Bundesfamilienministerin und der familienpolitischen

Sprecher der CDU-Landtagsfraktionen seine Pläne zur Besteuerung der Tagesmütter zunächst auf Eis gelegt hat, meine Damen und Herren.

Der Bereich des Ehrenamtes und des bürgerschaftlichen Engagements wird von uns auch im nächsten Jahr weiter ausgebaut. Unter unserer Regierung ist Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern auf die notwendigen Plätze aufgerückt. Wir können wirklich stolz auf unsere Bürger sein, die sich auf so vielfältige Weise engagieren und sich in ihre Gesellschaft einbringen. Dieses Engagement wollen wir auch im nächsten Jahr mit mehr als 1,5 Millionen Euro unterstützen und Projekte wie beispielsweise „ELFEN“ und „Juleica“ sowie die Freiwilligenagenturen weiter ausbauen und fördern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich beende meine Ausführungen an dieser Stelle und übergebe das Wort zu anderen Themenstellungen der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Frau Mundlos.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Gesine Meißner [FDP])

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Wenzel gemeldet. - Herr Wenzel, Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Böhlke, ich habe neulich in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gelesen, dass Frau Bundesministerin von der Leyen gesagt hat, dass sie das Betreuungsgeld für eine Katastrophe halte. Können Sie mir vielleicht erklären, wie Frau von der Leyen zu einer solchen harten Einschätzung kommt, die eigentlich fast noch härter als die ist, die Herr Schwarz hier formuliert hat?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Möchten Sie antworten, Herr Böhlke?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erstens wissen wir doch, was der Bundesparteitag der CDU in Hannover beschlossen hat.

(David McAllister [CDU]: Das gilt!)

Zweitens kann ich Ihnen nur sagen, dass das, was die familienpolitischen Sprecher der CDU auf Landesebene deutlich gemacht haben, Gültigkeit hat. In diesem Sinne werden wir an diesem Thema weiterarbeiten.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke. - Nächste Rednerin ist jetzt Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Herr Böhlke hat doch Frau Mundlos aufge- rufen!)

- Frau Helmhold, die Reihenfolge lege ich fest und nicht Herr Böhlke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Plenum ist die Zeit, um neben anderen Feldern auch über fast fünf Jahre schwarz-gelbe Sozialpolitik Bilanz zu ziehen.

(David McAllister [CDU]: Sehr gute Politik!)

Erinnern wir uns daran zurück, wie es 2003 mit Ihrer sozialpolitischen Dramaturgie anfing:

(David McAllister [CDU]: Sehr gut!)

Der Finanzminister hatte sein Image als harter Maxe fest im Blick und hat das gesamte Kabinett zur Ablieferung hoher Millionenbeträge gezwungen. Das war im Sozialhaushalt, in dem der Anteil der freiwilligen Leistungen naturgemäß prozentual sehr gering ist, allerdings ganz besonders

schlimm. Das Motto war: Was wir zu Beginn einer Wahlperiode an Schweinereien durchziehen, wird am Schluss vielleicht vergessen sein. Die damalige Sozialministerin musste im Prinzip mit der Ketten

säge durch die sozialpolitische Landschaft in Niedersachsen gehen.

Der härteste Schnitt war die nahezu komplette Streichung des Landesblindengeldes. Ausgerechnet an den blinden Menschen wollten Sie ein symbolisches Exempel äußerster Sparsamkeit statuieren, meine Damen und Herren. Sie wollten blinde Menschen wieder zu Fürsorgeempfängern machen, machten aber glücklicherweise die Rechnung ohne die beispiellose Solidarität der Niedersächsinnen und Niedersachsen, die Sie dazu

zwangen, diese Beschlüsse wieder zurückzunehmen. So musste Frau Ross-Luttmann den Trümmerhaufen, der ihr hinterlassen wurde, auffegen und den Kompromiss eingehen, den sie mit uns und dem Landesblindenverband schon anderthalb Jahr vorher hätte finden können.

Sie haben den Einrichtungen der Behindertenhilfe eine harte Nulldiät verordnet. Behinderte Menschen wurden zur Sparbüchse Ihrer Haushaltspolitik. Das ist mehr als schäbig gewesen. Dass Sie sich heute damit brüsten, das Gleichstellungsgesetz für Behinderte quasi in letzter Minute im letzten Monat hier beschlossen zu haben, gereicht Ihnen doch wahrlich nicht zur Ehre.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Ihnen mit der Föderalismusreform ebenfalls zufallende Aufgabe, das Heimgesetz auf Landesebene neu zu regeln, haben Sie vorsichtshalber nicht einmal angefasst.

Der Verkauf der Landeskrankenhäuser sollte weitere Haushaltslöcher stopfen. Es gab dafür weder ein psychiatriepolitisches Konzept noch eine psychiatriepolitische Notwendigkeit. Auch hier haben wir Ihnen Brücke über Brücke gebaut, Sie sind aber nicht darüber gegangen. Ob am Ende Ihre fiskalische Rechnung aufgeht, wage ich angesichts der weitgehenden Zusagen, die Sie den Investoren gemacht haben, deutlich zu bezweifeln. Es bleibt dabei: Der Verkauf war haushaltspolitisch überflüssig, psychiatriepolitisch mehr als leichtfertig und verfassungsrechtlich höchst bedenklich, meine

Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber an Watschen von Verfassungsgerichten haben Sie sich ja zwischenzeitlich geradezu gewöhnt.

Mit der Abschaffung und Kommunalisierung des Pflegewohngeldes gaben Sie dem Drängen des Landkreistages nach, und die Folgen für die alten Menschen in Niedersachsen nahmen Sie leichtfertig in Kauf. Sie geben jede Steuerungsmöglichkeit aus der Hand, ebenso die Möglichkeit einheitlicher landesweiter Standards. Viel mehr Menschen - es sind über 12 000 - fallen in die Sozialhilfeabhängigkeit. Genau das sollte eigentlich im Alter vermieden werden. Die Sozialhilfeträger zwingen

zunehmend weniger betuchte alte Menschen in Mehrbettzimmer. Meine Damen und Herren, es ist unwürdig, im Alter zwangsweise in einem Mehrbettzimmer leben zu müssen. Dies haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Um die Sicherung der Zahl der Fachkräfte in der Altenpflege drücken Sie sich sehenden Auges. Dass Sie sich weigern, mit der Wiedereinführung der Umlagefinanzierung für gerechte Bedingungen innerhalb der Ausbildungsbetriebe zu sorgen und vor allen Dingen die Ausbildung langfristig zu sichern, wird sich noch bitter rächen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das ist doch ein rechtliches Problem!)

- Das ist kein rechtliches Problem, Herr Böhlke. Es ist inzwischen ausgeklagt, dass die Umlage erhoben werden kann.

Überhaupt haben Sie das rechtzeitige Umsteuern vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung verschlafen. Das zeigte sich nicht nur in der Ablehnung zahlreicher Anträge unserer Fraktion zur demografischen Entwicklung, das zeigt sich am deutlichsten in Ihrer fünf Jahre währenden Weigerung, in das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau West“ einzusteigen. Gerade hier hätten Sie beweisen können, dass Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Kommunen aktiv auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten wollen. Stattdessen haben Sie viel Zeit, Geld und Energie in eine Demografie-Enquetekommission gesteckt, die letztlich bereits bekannte Erkenntnisse zusam

mengetragen hat, was in eine Enzyklopädie der Unverbindlichkeiten mündete.

Zu Ihrer Negativbilanz gehört auch die Aufkündigung der von Ihnen immer so bezeichneten partnerschaftlichen Sozialpolitik mit den Wohlfahrtsverbänden; Herr Schwarz hat darauf hingewiesen. Sie haben mehrmals die Lotto- und Toto-Mittel um

insgesamt 25 % gekürzt. Jetzt legen Sie 5 % drauf und brüsten sich damit.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Typische Masche!)

Sie haben allein bei den globalen Minderausgaben über 100 Millionen Euro aus dem Sozialhaushalt genommen und brüsten sich jetzt damit, 50 Millionen Euro draufgelegt zu haben. Meine Damen und Herren, Sie verhalten sich doch so wie jemand, der einem das Schwein wegnimmt und einen Monat später ein Kotelett zurückgibt. So kann man mit den Verbänden nicht umgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Den Witz haben Sie gestern schon gemacht!)

Wir haben Ihnen gesagt, dass die Einstellung der landesweiten Fachstelle für Wohnraumberatung falsch ist. Jetzt haben Sie sie zurückgenommen und wollen das unter dem neuen Emblem Niedersachsenbüro wiederbeleben. Ich freue mich ja, dass Sie unsere Vorschläge aufnehmen und jetzt den von uns geforderten Sozialfonds umsetzen wollen, den wir Ihnen im Juni zum ersten Mal vorgeschlagen haben. Sie haben sich ja sechs Monate lang in dieser Frage tot gestellt, sodass wir uns schon gewundert haben, ob Sie sich dazu noch jemals mucksen wollen. Ansonsten interessiert Sie, meine Damen und Herren, die zunehmende Armut in diesem Land jedoch herzlich wenig. Sie wollen davon so wenig wie möglich wissen. Deswegen gibt es mit Ihnen keine Sozialberichterstattung. Wie die Koalitionsfraktionen hier mit den Wohlfahrtsverbänden umgegangen sind - Sie haben sie über ein Jahr lang hingehalten, immer wieder einmal Gespräche geführt und versichert, sie dächten darüber nach; passiert ist aber nichts -, das ist mehr als schäbig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf eine Initiative zur Erhöhung der Regelsätze wenigstens für Kinder können wir noch lange warten. Aber dies passt natürlich zu Ihrer Schulpolitik insgesamt.

Dass Ihre frauenpolitische Bilanz im tiefroten Bereich landet, können Sie nicht bestreiten. Herr Schwarz hat dazu bereits einiges gesagt. Bei Ihnen wird eben aus Frauenpolitik Familienpolitik. Dies greift zu kurz. Warme Worte ersetzen nicht Gleichstellungsstrukturen, die wir noch dringend brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden die Zeit bis zum 27. Januar nutzen, das kollektive Gedächtnis der Niedersächsinnen und Niedersachsen in der Frage Ihrer sozialpolitischen Bilanz aufzufrischen. Darauf seien Sie gefasst! - Herzlichen Dank.