Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Meine Damen und Herren, wir werden die Zeit bis zum 27. Januar nutzen, das kollektive Gedächtnis der Niedersächsinnen und Niedersachsen in der Frage Ihrer sozialpolitischen Bilanz aufzufrischen. Darauf seien Sie gefasst! - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt erteile ich Frau Meißner von der FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle zunächst ebenso wie Herr Schwarz den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums aussprechen, die uns über die Jahre hinweg sehr gut begleitet haben.

Nun eine Vorbemerkung, die ähnlich wie bei Herrn Böhlke ausfällt: Sozialpolitik ist in diesem Land ein ganz wichtiger Bestandteil der Politik. Es ist aber auch für die Sozialpolitik wichtig, bei einem Haushalt darauf zu achten, dass es uns auch in Zukunft ermöglicht wird, für die nächste und übernächste Generation Geld für diesen Bereich auszugeben. Von daher gesehen ist es - so schmerzlich das für uns teilweise auch war - erforderlich gewesen, auch im Sozialhaushalt Einsparungen und Kürzungen vorzunehmen. Dies war im Interesse der nachfolgenden Generationen erforderlich. Das war nicht einfach. Für die Opposition ist es jetzt natürlich einfach, alles, was jemals gekürzt worden ist, wieder einzufordern. Das ist vollkommen klar. Als Opposition kann man das vielleicht tun. Wer Regierungsverantwortung hat, muss aber darauf achten, dass er mit dem Geld vernünftig haushaltet. Das tun wir. Wir haben trotzdem in allen Bereichen gute Politik gemacht. - Dies als Vorbemerkung.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte jetzt auf die einzelnen Bereiche zu sprechen kommen. Ich fange mit dem Bereich Kinderbetreuung an. Bei der Kinderbetreuung sind wir, wie ich denke, viel besser aufgestellt als vorher. Wir haben in diesem Bereich in Deutschland und auch in Niedersachsen immer noch viel zu tun. Das wissen wir. Wir sind aber auf einem sehr gu

ten Wege, u. a. mit unserem Programm „Familien mit Zukunft - Kinder bilden und betreuen“, weil wir bei diesem Programm gerade auf das setzen, was die Menschen heutzutage brauchen, nämlich auf eine Flexibilität bei der Kinderbetreuung, auf

Wahlmöglichkeiten für die Mütter und die Väter, auf Einbeziehung von Vätern in stärkerem Maße, auf Betriebskindergärten, privatgewerbliche Initiativen und anderes mehr. Wir geben dafür pro Jahr 20 Millionen Euro aus, wie Sie wissen. Ich denke, das ist eine gute Variante.

Herr Schwarz, Sie sprachen hier von der Herdprämie. Wir haben hier schon darüber gesprochen, dass keiner von uns eine solche Prämie will. Meine Fraktion will sie mit Sicherheit nicht. Wir wollen im Gegenteil sogar, dass das Geld, das wir im gesamten Bereich für Kinderbildung und -betreuung ausgeben, per Betreuungsgutschein direkt den Kindern zugute kommen kann. Es darf nicht in falsche Kanäle kommen. Vielmehr muss dafür Sorge getragen werden, dass die entsprechenden Maßnahmen den Kindern nützen.

Über Kinderschutz und Kindergesundheit werden wir uns, wie ich denke, morgen noch ausführlich unterhalten. Ich will hier nur noch eine Richtigstellung vornehmen. Bei der Frühförderungsverordnung - das hat Herr Böhlke auch schon gesagt kann man nicht sagen, dass die Regierung in irgendeiner Weise etwas vorgegeben habe, was gegen die Leistungsanbieter sei. Es gibt hier den Versuch, einen Kompromiss zu erreichen, der noch im Gange ist.

Als einen Schwerpunkt möchte ich jetzt die Kinderarmut herausgreifen. Kinderarmut gibt es zusehends mehr. Das lässt keinen von uns kalt. Wenn Eltern den Kindern bei einer Ganztagsbetreuung kein Geld für das Mittagessen mitgeben können, ist das schlimm. Wenn Eltern den Kindern zum Schulbeginn keine Lernmittel kaufen können, ist das genauso schlimm. Es gibt - z. B. in Kommunen - viele Initiativen, die versuchen, den Kindern in diesem Bereich zu helfen. Diese haben teilweise auch schon gegriffen. Ich denke, wir müssen auf allen Ebenen - auf der Ebene des Bundes, des Landes und der Kommunen - darauf schauen, wie wir dieses Problem in den Griff bekommen können. Wir haben, was konkret den Haushalt angeht, jetzt einiges getan, was in diese Richtung geht. So haben wir zwar nicht im Sozialhaushalt, aber im Kultushaushalt 3 Millionen Euro eingesetzt, die als Unterstützung für das Mittagessen an Ganztagsschulen vorgesehen sind. Ich denke, es ist egal, in

welchem Haushalt diese Mittel veranschlagt werden. Entscheidend ist, dass wir im Sinne einer Querschnittaufgabe wirklich etwas tun, um die Kinderarmut zu beheben. Das tun wir.

Im Sozialhaushalt werden 300 000 Euro mehr für Familienbildungsstätten ausgewiesen, die dazu

verwendet werden sollen, die Familien zu erreichen, die normalerweise aufgrund von Teilnehmergebühren, welche sie nicht bezahlen können, diese Bildungsstätten nicht besuchen können. Die Angebote sind speziell auf - auch von den Inhalten her - niedrigschwellige Hilfen angelegt. Das ist eine gute Investition.

Bei dem Programm „Familien mit Zukunft“ haben wir übrigens die Möglichkeit, auf Antrag soziale Brennpunktarbeit zu unterstützen. Auch das ist etwas, womit man gerade Kinderarmut entgegenarbeiten kann.

Nun zum Thema Armut generell. Im Hinblick auf dieses Thema habe ich eine ganz andere Auffassung als Sie, Herr Schwarz. Wir müssen versuchen, die Armutsspirale zu durchbrechen. Ich denke, dass wir mit einer endlosen Diskussion über den Mindestlohn keinen Deut weiterkommen. Es ist im Gegenteil so, dass in Wirklichkeit derjenige, der durch einen Mindestlohn Menschen vom Arbeitsmarkt abkoppelt, weil mit dem Mindestlohn zu hoch gegriffen wird, unsolidarisch ist. Ich habe lange mit Langzeitarbeitslosen zu tun gehabt. Wer arbeitslos ist, hat nicht nur wenig Geld. Er verliert auch Kontakte, er verliert an Gesundheit, er hat kein Selbstwertgefühl mehr, und er verliert den Lebensmut. Es ist unsolidarisch, so etwas überhaupt zuzulassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Beste, was wir tun können, um die Armutsspirale zu durchbrechen, ist deshalb, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Unter diesem Aspekt ist die von Ihnen geführte Diskussion wirklich absolut kontraproduktiv.

Was Frauenpolitik angeht, so wurde hier so getan, als würden wir uns bei Frauenpolitik auf Familienpolitik beschränken. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema für Frauen und für Männer, für junge Eltern von heute.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieses Thema gehen wir natürlich auch in diesem Bereich an. Ich sage bewusst: Dieses Thema ist auch für Männer wichtig. Man erwirbt eine ganze Menge an Vereinbarkeitskompetenz, wenn man zu Hause Familienarbeit macht. Das muss viel stärker berücksichtigt werden. Es gibt Managementseminare in der Wirtschaft, in denen entsprechende Kompetenz für viel Geld vermittelt wird. Im Grunde genommen haben diejenigen, die ihr Erwerbsleben für Familienarbeit unterbrechen, Vereinbarkeitskompetenz bereits erworben.

Wir haben auch im Bereich des Gewaltschutzes für Frauen schon eine ganze Menge getan, und zwar mehr als die vorige Regierung.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wir haben die BISS-Stellen, die zunächst als Projekt eingerichtet wurden, flächendeckend ausgebaut. Das hat natürlich Geld gekostet. Betreffend Zwangsheirat gab es einen fraktionsübergreifenden Beschluss. Wir haben jetzt ein Aktionsprogramm gestartet. Im nächsten Haushalt sind

131 000 Euro an Mehrausgaben für diesen Zweck vorgesehen.

Bezüglich Senioren und Ehrenamt hat Herr Böhlke schon vieles gesagt, was richtig ist. Dazu muss ich also nicht mehr viel berichten. Es ist wichtig, die vorhandenen Potenziale zu heben und die alten Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten einzubinden.

Es ist mir wichtig, jetzt auf besondere Zielgruppen zu sprechen zu kommen, für die wir uns sehr eingesetzt haben. Hier ist zunächst der gesamte Bereich Aids zu nennen. Es ist richtig, dass die Infektionsgefahr bei Weitem nicht gebannt ist. Es ist wichtig, weitere Beratungsangebote zu unterbreiten. Sie wissen, wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Kürzungen im Haushalt geringer ausfielen, sodass keine Strukturen zerschlagen wurden. Wir haben später sogar eine Aufstockung der Mittel erreicht. Auch im nächsten Haushalt gibt es mehr Geld für diesen Bereich.

Bei dem Heroinprojekt haben wir uns ebenfalls dafür eingesetzt, dass es fortgesetzt wird. Wir wollen weiter daran arbeiten - das werden wir auch in der nächsten Legislaturperiode tun -, dass es in die Regelversorgung übernommen werden kann. Wir geben dabei nicht auf. Es ist wichtig, dass wir für diesen Bereich weiterhin Mittel im Haushalt haben - und das haben wir.

Homosexuelle müssen weiter Beratungsangebote bekommen. Dafür haben wir immer gesorgt. Das werden wir auch in Zukunft tun, ganz im Sinne von Diversity, die Herr McAllister vorhin ansprach. Die Menschen sind sehr unterschiedlich, und wir wollen alle Menschen bei uns in der Gesellschaft haben.

Die Obdachlosen wurden hier ebenfalls angesprochen. Für sie ist das Wirtschaftsministerium das zuständige Ressort; früher war es einmal das Sozialministerium. Entscheidend ist, dass für diese Menschen zielgerichtet etwas getan wird. Auch dieses haben wir weiterhin im Auge.

Ein Schwerpunkt im Haushalt ist für uns die Gesundheitsförderung von Migranten. Uns ist sehr daran gelegen, diese Menschen besser zu integrieren, die Menschen, die hier leben wollen, so zu versorgen, wie sie es brauchen. Wir haben bei uns das Ethnomedizinische Zentrum, das europaweit einmalig ist und schon viele Preise gewonnen hat. Wir werden für den Bereich der Gesundheitsförderung von Migranten auch in Abstimmung mit Frau Deihimi vom Innenministerium 200 000 Euro mehr einstellen. 60 000 Euro sind für institutionelle Förderung gedacht. 140 000 Euro sind speziell für Projekte vorgesehen. Diese Projekte werden darauf ausgerichtet sein, dass im Alter z. B. auf kultursensible Pflege geachtet wird, dass bei Kindern im Hinblick auf Adipositas und Zahngesundheit Prävention betrieben wird und bei Frauen die Brustkrebsfrüherkennung besser durchgeführt

werden kann.

Jetzt will ich einige weitere Bereiche noch kurz ansprechen. Was den Gesundheitsbereich angeht, so ist es mir wichtig zu sagen, dass die Privatisierung der Landeskrankenhäuser richtig war. Wir haben dabei verfassungsrechtlich alles richtig gemacht.

Das Maßregelvollzugsgesetz ist bei uns vorbildlich und viel besser als die entsprechenden Gesetze in anderen Ländern, auch in denen mit SPD-Regierung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Krankenhausinvestitionsprogramm, das gut gegriffen hat, werden wir fortsetzen. Auch das war erfolgreiche Politik.

Im Blick auf die Pflege kann ich nur eines sagen: Wir wollen mit Sicherheit keine Pflegeumlage. Wir wollen junge Menschen weiter motivieren, eine

Pflegeausbildung zu absolvieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir das durch eine Umlage überhaupt nicht erreichen können.

Das NBGG und Menschen mit Behinderung wurden hier angesprochen. Das Behindertengleichstellungsgesetz ist von allen Verbänden gelobt worden. Wenn Sie jetzt sagen, es sei armselig, so kann ich nur sagen: Es ist armselig, so zu argumentieren. Fragen Sie einmal die Betroffenen!

Die Eingliederungshilfe ist ein großer Bereich, der uns in Zukunft beschäftigen wird. Von der FDP aus haben wir dazu vor kurzem eine große bundesweite Tagung durchgeführt und mit Betroffenen darüber diskutiert, wie man eine Weiterentwicklung gestalten kann.

Am Lebensende ist es wichtig, palliativmedizinisch und hospizlich gut begleitet zu werden. In diesem Bereich haben wir - auch im Haushalt - Zeichen gesetzt. Für uns als Fraktion ist es wichtig, dass man auch am Lebensende über Selbstbestimmung verfügt. Wir sind zwar keine Freunde von Dignitas, halten es aber für wichtig, bei Beratungsgesprächen, die erforderlich sind, keine Verbote auszusprechen.

(Beifall bei der FDP)

Als Letztes möchte ich den Städtebau ansprechen, für den wir ja ebenfalls zuständig sind. Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir die Zweckentfremdungsverordnung abgeschafft. Dann haben wir 1 Million Euro für die Belebung der Innenstädte bereitgestellt. Nun kommt noch die energetische Gebäudesanierung hinzu. Ebenso steigen wir jetzt in den Stadtumbau West ein. Wir hätten dies gern früher getan, hatten aber bislang nicht die Mittel dafür.

Ich möchte mich bei allen Menschen, die hier in Niedersachsen im Sozialbereich arbeiten, bedanken. Ich weiß, dass sie eine zum Teil sehr schwierige, auch psychisch belastende Arbeit leisten, die nicht immer gut bezahlt wird. Es ist aber ganz wichtig, dass diese Arbeit engagiert geleistet wird. Entscheidend ist, dass die Menschen wissen, dass sie hier gut betreut werden.

Abschließend möchte ich ein Resümee meiner Arbeit im Sozialausschuss ziehen. Ich habe dem Sozialausschuss in dieser Legislaturperiode ja

vorgesessen. Ich weiß, dass insbesondere die Ausschussmitglieder der Oppositionsfraktionen zu Beginn sehr skeptisch waren, als plötzlich eine

Liberale auftauchte und dem Ausschuss vorsaß. Wir haben uns aber zusammengerauft und an vielen Stellen gut zusammengearbeitet. Die Probleme in der Sozialpolitik sind nämlich allen gleichermaßen bewusst, und alle sehen sie auch an der gleichen Stelle. Dass wir unterschiedliche Wege zur Lösung dieser Probleme gehen, ist das Wesen der Demokratie. Auch in der nächsten Wahlperiode werden wir uns sicherlich demokratisch streiten. Noch einmal vielen Dank an alle für die Zusammenarbeit im Ausschuss!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächste Rednerin ist Frau Mundlos von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einmal mit dem Samariterimage aufräumen, das sich Herr Schwarz immer so gern anheftet.