Protokoll der Sitzung vom 19.09.2003

Minister Sander hat noch einmal um das Wort gebeten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Harms, Sie haben ausgeführt, ich hätte zu der Einspeisungsvergütung nichts gesagt. Ich habe etwas gesagt, will es aber noch vervollständigen. Alle Parteien, selbst Ihr grüner Umweltminister, sind der Meinung, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz in dieser Form nicht bestehen bleiben kann.

Ich wundere mich manchmal, in welcher Weise Sie von Subventionen und Abschreibungen sprechen. Wahrscheinlich verstehen Sie das nicht alles.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Betreibergesellschaften machen steuerliche Abschreibungen geltend. Wenn die Abschreibungsfristen auslaufen, kommt erst der richtige Hammer, weil wir dann diese erneuerbaren Energien bezuschussen oder subventionieren.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Was ist denn mit der Atomkraft und der Koh- le, Herr Sander?)

Diese Subventionen sind teuer. Über Ihr Argument mit den Arbeitsplätzen wundere ich mich schon. Ich verstehe die Wirtschaft. Wir haben die Unternehmen zu Ihnen geschickt und ihnen gesagt, dass wir nicht die richtigen Ansprechpartner sind. Wir haben gesagt, dass Frau Harms und ihr grüner Umweltminister zu denen gehören, die eine Politik betreiben, die in die falsche Richtung geht.

Diese Landesregierung wird sich für erneuerbare Energien einsetzen, aber für die Energien, die richtig und notwendig sind und für Energiesicherheit in der Zukunft sorgen werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Harms hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Frau Harms, Sie haben eineinhalb Minuten, denn eigentlich sind wir am Ende der Beratungen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Sander, die Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien müssen Sie nicht zu mir schicken, die kenne ich länger als Sie.

Sie haben zwar nachgesetzt, aber mit keinem Wort gesagt, wie nach Ihrer Meinung die zukünftige Einspeisevergütung im Erneuerbare-Energien-Gesetz gestaltet werden soll. Das Bundesumweltministerium hat einen Vorschlag gemacht. Dieser Vorschlag stützt sich auf das Aktionsbündnis zu den erneuerbaren Energien und auf Aussteller aus Hameln. Ich finde diese Vorgaben richtig.

Sie dagegen sagen überhaupt nichts dazu. Sie sind als zuständiger Umweltminister gefragt. Entweder lassen Sie Frau Homburger, Ihre Parteikollegin im Deutschen Bundestag, einen Chaoskurs weiterverfolgen, oder Sie folgen dem Vorschlag des BMU, weil der den niedersächsischen Interessen, den niedersächsischen Unternehmen und dem Standort Niedersachsen dient. Oder Sie sagen etwas anderes. Sie können sich aber nicht konsequent einer Positionierung entziehen, wie Sie das heute tun.

(Beifall bei den GRÜNEN - Hans- Jürgen Klein [GRÜNE]: Wir wollen ihn nicht überfordern!)

Jetzt hat sich Frau Somfleth zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung gemeldet. Frau Somfleth, auch Sie möchte ich an die einschlägigen Bestimmungen erinnern.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, Herr Dr. Runkel, ob Sie das Wort Lobbyist grundsätzlich als Schimpfwort empfinden. Ich kenne es als relativ neutral.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Das ist keine persönliche Erklärung!)

Das ist keine persönlicher Bemerkung.

Ich komme jetzt dazu, das war die Einleitung.

Ich möchte mich dagegen verwahren, dass Sie mir nach meiner Rede fehlenden Sachverstand unterstellen. Das können Sie nach einer Rede überhaupt nicht beurteilen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe es bis jetzt noch nie für nötig gehalten, eine persönliche Bemerkung abzugeben, ich habe es aber getan, weil Sie sich von dem Begriff Lobbyist so angegriffen fühlten und meinten, mir fehlenden Sachverstand unterstellen zu müssen. Sie können überhaupt nicht einschätzen, ob ich Sachverstand habe oder nicht.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Si tacuisses...!)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll sich der Umweltausschuss mit diesem Antrag beschäftigen, mitberatend der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Steueroase Niedersachsen? - Stellenstreichungen auf Kosten der Steuergerechtigkeit - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/384

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Leuschner von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es gut, Herr Minister Schünemann, dass Sie jetzt dieser Debatte folgen. Denn wir haben in den letzten beiden Tagen hier im Plenum viel über die Kernaufgaben des Staates, über die Beschränkung der Staatstätigkeit auf die Kernbereiche geredet. Sie haben gesagt, dass es im Grunde genommen darum geht, die anderen Aufgaben zu privatisieren oder gänzlich zu streichen. Zu meiner Verwunderung haben Sie aber nicht konkret benennen kön

nen, was aus Ihrer Sicht zu den Kernaufgaben des Staates gehört. Darüber wird in der nächsten Zeit wahrscheinlich der politische Streit gehen.

Kommen wir einmal zu einer der Kernaufgaben. Ich denke, Sie werden nicht bezweifeln, dass die Finanzverwaltung eindeutig zum hoheitlichen Bereich und zu den absoluten Kernaufgaben staatlicher Verwaltung gehört. Mich verwundert sehr, dass die Niedersächsische Landesregierung in diesem Bereich der Steuerverwaltung 600 Stellen abbauen will.

Darüber hinaus - das ist aus der Sicht der SPDFraktion noch viel schädlicher - plant das Finanzministerium, lediglich 75 % der Finanzanwärterinnen und -anwärter des mittleren und gehobenen Dienstes nach erfolgreicher Laufbahnprüfung in den Dienst der Steuerverwaltung zu übernehmen. In der Konsequenz bedeutet das für die übrigen 25 %, dass ihnen die Arbeitslosigkeit droht. Sie werden auf dem Arbeitsmarkt in einen Wettbewerb mit ausgebildeten Steuerfachgehilfinnen und -gehilfen getrieben. Angesichts der derzeit bereits 983 arbeitslosen Steuerfachgehilfinnen und -gehilfen haben sie wahrscheinlich keine große Chance. Die Situation für sie ist besonders düster. Dadurch stellt die Landesregierung auch ihre Ausbildungsoffensive in diesem Bereich total in Frage, wenn sie nicht im staatlichen, in ihrem eigenen Bereich dafür sorgt, dass die Auszubildenden übernommen werden, wenn sie sich erfolgreich ausgezeichnet haben. Die Anwärterinnen und Anwärter durften bei ihrer Einstellung davon ausgehen, dass sie übernommen werden. Da ist aus meiner Sicht durchaus ein gewisser Vertrauensschutz gegeben.

Die Einstellung von Nachwuchskräften in der Finanzverwaltung erfolgte in den letzten Jahren unter Anwendung einer Bestandserhaltungsquote. Werden diese Anwärterinnen und Anwärter nun nicht in den Landesdienst übernommen, so führt das zu einem realen Abbau in der Finanzverwaltung. Darüber hinaus gefährden Sie mittelfristig die Funktionsfähigkeit der niedersächsischen Finanzverwaltung durch eine verfehlte Einstellungspolitik.

Sie wissen, Herr Minister, wie die Altersstruktur in diesem Bereich aussieht. Wir brauchen dringend junge, gut ausgebildete Kräfte. Ich halte dieses Vorgehen für kontraproduktiv. Die Folge wird sein: Das Personal ist überaltert, und die durch Pensionierung frei werdenden Stellen können nicht mehr qualifiziert besetzt werden.

Wenn Sie nun noch weiter planen, dass bis zum Jahr 2004 187 Vollzeiteinheiten entfallen, dann führt das zwangsläufig zu einer Verlagerung von bisherigen Außendienststellen in den Innendienst. Die Zahl der Außenprüfungen durch Betriebsprüfer wird daher abnehmen, was tendenziell - ich denke, das ist ganz wichtig für unser Land - zu sinkenden Steuereinnahmen und zu einer Verringerung der Steuergerechtigkeit führen wird.

Wir haben in diesem Hause sehr oft darüber geredet, dass es wichtig ist, gerade den Bereich der Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer zu unterstützen und zu stärken. Wir haben da sehr viele Anstrengungen unternommen. Das ist von Ihrer Seite immer bezweifelt worden, Herr Kollege Althusmann, das sei nicht genug. Ich meine aber, dass das völlig kontraproduktiv ist.

Wenn jetzt noch geplant wird, dass bis zum Jahr 2008 1 455 Stellen aus dem Geschäftsbereich des Finanzministeriums abgebaut werden sollen - davon, wie ich gesagt habe, 600 in der Steuerverwaltung -, dann erleichtert das - im Klartext Steuerhinterziehung und erschwert die Aufdeckung und animiert bisher ehrliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, vielleicht auch noch ein Schlupfloch zu suchen.

Wenn das Hinterziehen der Steuerschuld immer häufiger unerkannt bleibt, dann wird zwingend die notwendige Akzeptanz des Steuersystems durch die Bevölkerung in einer gefährlichen Weise abnehmen.

Meine Damen und Herren, besonders fatal wird diese Personalentscheidung vor dem Hintergrund, dass vor nicht allzu langer Zeit hier im Plenum mehrfach über die Arbeitsbelastung und Personalausstattung debattiert worden ist. Als Sie noch in der Opposition waren, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, kamen Sie in der Debatte zu der Überzeugung, dass die damalige SPDLandesregierung nicht genug für die Steuerverwaltung tue und dass sie nur dann, wenn sie in diesem Bereich entsprechend einstellen würde, in der Lage wäre, diesem Missstand angemessen entgegenzuwirken. Wie sich nach derart kurzer Regierungszeit die Sichtweise geändert hat, entsetzt mich wirklich und erschreckt mich zutiefst. Ich halte das gegenüber den Beschäftigten in der Steuerverwaltung und vor allem gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes für unredlich.

Herr Althusmann, jetzt schaue ich Sie einmal an, weil Sie mir als seinerzeitiger Redner genau gegenübersitzen. Noch im November haben Sie hier Schreckensszenarien für den Fall aufgebaut, dass wir nicht noch mehr Beschäftigte in der Steuerverwaltung einstellen würden. Sie haben hier in diesem Haus von Steuerausfällen für unser Land in Milliardenhöhe gesprochen, wenn wir nicht handeln würden. Ich habe Ihnen entgegnet, dass die Landesregierung gehandelt hat. Wir haben die Auszubildenden übernommen. Wir haben personelle Entlastung im Bereich der Steuerverwaltung geschaffen. Das war Ihnen aber nicht genug. Was machen Sie? - Kaum sind Sie selbst in der Regierungsverantwortung, bauen Sie in diesem Bereich drastisch Stellen ab und schicken Sie junge Menschen in die Arbeitslosigkeit.

Falls Ihr Erinnerungsvermögen nicht mehr so weit reichen sollte, Herr Althusmann, zitiere ich Sie:

„Meine Damen und Herren, wer die Altersstruktur der niedersächsischen Finanzverwaltung etwas näher betrachtet, der wird relativ leicht erkennen, dass hier in Wirklichkeit ein großer Handlungsbedarf besteht, aber dass Sie sich leider dieser Wirklichkeit verweigern.“

Jetzt wird es noch besser:

„Denn in der kommenden Legislaturperiode“

- gemeint ist die jetzige Legislaturperiode

„werden 1 600 Angestellte und Beamte in der niedersächsischen Steuerverwaltung die gesetzliche Altersgrenze erreichen, die große Mehrheit davon im mittleren Dienst der Angestellten und bei den Beamten im gehobenen Dienst.“

Das haben Sie noch am 22. November letzten Jahres gesagt. Ich weiß nicht, weshalb Sie nicht Ihren Einfluss geltend machen, dass sich in diesem Bereich etwas in Ihrem Sinne ändert. Ich meine, dass inzwischen wohl viel geschehen sein muss, dass ein derartiger Bewusstseinswandel zustande kommt. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen trotz knapper Kassen noch im Jahr 2002 in der Steuerverwaltung neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen alle Auszubildenden übernommen.

Um das Ausmaß Ihrer Wende in diesem Bereich noch einmal zu verdeutlichen, möchte ich Sie zum Schluss mit einem Zitat des jetzigen Finanzministers aus einer Zeit erfreuen, als er noch nicht mit der Bürde dieses Amtes belastet war.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Belastet? Er ist doch nicht belastet!)

„Es ist der falsche Weg, dass man in den sowieso überlasteten Finanzämtern Personal abbaut, um woanders etwas Gutes zu tun. Das ist keine gestaltende Politik.“