Protokoll der Sitzung vom 19.09.2003

„Es ist der falsche Weg, dass man in den sowieso überlasteten Finanzämtern Personal abbaut, um woanders etwas Gutes zu tun. Das ist keine gestaltende Politik.“

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das stammt vom 31. März 2000 hier in diesem Plenum.

Die SPD-Landtagsfraktion wird die Kürzungen in der Steuerverwaltung nicht mittragen. Das verspreche ich Ihnen. Ich freue mich wirklich auf die Beratungen im Fachausschuss und dann im Plenum. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Wir auch!)

Danke, Frau Leuschner. - Jetzt hat Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einnahmeverwaltung des Landes wurde und wird von den Finanzministern in Niedersachsen offensichtlich nicht so ausgestattet, wie es den Notwendigkeiten entspricht. Das ist fahrlässig und führt dazu, dass nicht alle Einnahmepotenziale ausgeschöpft werden.

Was Herr Aller als Finanzminister schon angefangen hatte, setzen Sie, Herr Möllring, jetzt fort. Vor knapp einem Jahr haben wir einen ähnlichen Antrag diskutiert, der von uns eingebracht wurde. Dabei hatten wir Unterstützung der CDU-Fraktion. Ziel war es, die Anzahl der auszubildenden Anwärter mittelfristig zu erhöhen. Dafür gab es von dieser Seite des Hauses, von der CDU-Seite, Applaus. Die SPD-Fraktion hat den Antrag damals abgelehnt.

Jetzt sollen 600 Stellen in den Finanzämtern abgebaut werden, und ein Teil der ausgebildeten Finanzanwärter soll in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Das geht zulasten der Steuereinnahmen, zulasten der Gerechtigkeit, zulasten der Beschäftigten in den Finanzämtern und auch zulasten der jungen Menschen, die im Berufsleben nur wenig Alternativen haben, an anderer Stelle einen Job zu bekommen.

Die Initiative zur Verwaltungsvereinfachung bei der Kraftfahrzeugsteuer wird dazu führen, dass es Arbeitsentlastungen in der Finanzverwaltung gibt. Die frei werdenden Kapazitäten werden aber dringend an anderer Stelle gebraucht. Weitergehende Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung sind sowohl aus der Sicht der Beschäftigten als auch aus der Sicht der Steuerpflichtigen sicher notwendig.

Meine Damen und Herren, vor kurzem hat der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Ondracek, in der Nordwest-Zeitung festgestellt: „Uns entgehen jährlich etwa 2 bis 3 Milliarden Euro an Steuern, weil beispielsweise die Kontrollen bei den Einkommensmillionären zu lax sind.“ In Nordrhein-Westfalen hat man eine entsprechende Überprüfung vorgenommen und hat dort mit dieser Sonderprüfung 32 Millionen Euro vereinnahmt, die an Steuern nachgezahlt werden mussten. Allein das ergibt ein Stellenäquivalent von 900 Stellen. Nachfragen der Nordwest-Zeitung beim Finanzministerium haben ergeben, dass es in Niedersachsen keine Neigung gibt, die Erfolgszahlen aus dem Nachbarland in eigene Bemühungen umzusetzen. Im Gegenteil: Im Prüfdienst soll Personal abgebaut werden.

Wir verschließen uns nicht der Aufgabe, im Bereich der Finanzverwaltung Personal einzusparen. So unterstützen wir z. B. im Bereich der Oberfinanzdirektionen ausdrücklich eine Überprüfung. Wenn aber die Finanzämter die geplanten 600 Stellen bringen müssen, dann wird meines Erachtens unweigerlich die Qualität der Arbeit leiden. Schon jetzt wird in den Finanzämtern nicht alles getan, was notwendig wäre.

Wir möchten, dass zu diesem Antrag im Ausschuss eine Anhörung stattfindet. Wir halten es für dringend geboten zu prüfen, welche Auswirkungen die geplanten Maßnahmen auf die Einnahmen des Landes und auf den Umfang von Steuerprüfungen haben. Herr Möllring, ich glaube nicht, dass Sie diesen Kürzungsvorschlag durchhalten. Wenn

unsere Befürchtungen zutreffen, ist es nämlich kein Vorschlag zur Entlastung der Landesfinanzen, sondern ganz im Gegenteil.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Notwendigkeit zur Sanierung der Landesfinanzen ist völlig unbestritten. Aber Sie setzen die falschen Akzente. Wir werden Ihnen deshalb im Herbst einen Antrag zum Haushaltsplanentwurf vorlegen, der deutlich andere Schwerpunkte setzt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Möllring, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genauso, wie Herr Wenzel es eben gesagt hat, muss es dann auch aussehen. Wenn man eine Änderung der Politik der Regierung will, muss man zum Haushalt entsprechende Änderungsvorschläge machen, und dort müssen sich dann die gesamten Einzelanträge, die wir gestern und heute diskutiert haben und wahrscheinlich in der Zukunft diskutieren werden, wiederfinden. Man kann nicht, wie es die SPD macht, auf der einen Seite sagen, es müsse gespart werden, es müssten noch mehr Schulden abgebaut werden und das Ziel, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen, müsse noch schneller erreicht werden, dann aber auf der anderen Seite bei jedem einzelnen Punkt, ob es beim Theater oder bei sozialen Sachen ist, sagen: „Aber da nicht, da nicht und da nicht.“ So wird das nicht gehen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Nein, nein!)

Ich will Ihnen eines sagen, liebe Frau Kollegin: Sie haben eine Falschaussage getroffen. Im Jahre 2002 hat es nicht eine einzige zusätzliche Stelle für Steuerbeamte gegeben. Es ist richtig, dass bisher - das haben wir im Jahre 2003 auch gemacht - jeder, der seine Ausbildung erfolgreich bestanden hat, übernommen worden ist. Das haben wir auch für 2003 durchgehalten. Sie können aber nicht sagen, dass jemand, der auf eine zukünftig frei werdende Stelle eingestellt wird und der die Stelle dann auch bekommt, zusätzlich ist. So haben Sie bereits 1990 die Bürger belogen,

(Widerspruch bei der SPD)

als Sie gesagt haben: „Wir stellen zusätzliche, neue Lehrer ein.“ Dann haben Sie gesagt: „Wenn ich auf eine Stelle, die infolge einer Pensionierung frei geworden ist, einen neuen Lehrer einstelle, ist das doch ein neuer Lehrer!“ Aber die Leute sind Ihnen natürlich auf die Schliche gekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heinrich Aller [SPD]: Jetzt haben Sie wieder Hildesheimer Niveau)

Eines ist auch unwahr: Natürlich habe ich im Jahr 2002 gesagt - dagegen würde ich mich auch heute noch jederzeit wehren -, es wird keine Stelle in den Finanzämtern abgebaut, um dieses Geld an anderer Stelle auszugeben. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben unseren Anteil für die Finanzierung der Lehrer und der Polizisten erbracht, und zwar aus Sachmitteln, aber wir haben dafür nicht eine einzige Personalstelle hergegeben. Ich würde mich weigern, das zu tun. Aber, meine lieben Damen und Herren, wir können Geld, das wir nicht haben, nicht ausgeben.

Ich habe gerade die Finanzplanung des Landes Berlin vom Kollegen Sarrazin zugeschickt bekommen. Er hat sie unter das Motto von Mark Twain gestellt: „Von jetzt an werde ich nur so viel ausgeben, wie ich einnehme“. Das ist der richtige Grundsatz. Mark Twain hat den Satz aber noch vervollständigt. Er hat nämlich nicht nur gesagt, er werde von jetzt an nur so viel ausgeben, wie er einnehme, sondern der Satz geht weiter: „selbst dann, wenn ich mir Geld borgen muss, damit ich das schaffe.“ Das heißt, er macht Schulden, damit er nur das ausgeben kann, was er einnimmt. Der Kollege Sarrazin hat darauf hingewiesen, dass er das in Berlin nicht machen will. Wir wollen es auch nicht machen, aber wir sind im Moment in einer Situation, in der es nicht anders geht. Es wäre ja schön gewesen, wenn wir diese Verpflichtungen nicht übernommen hätten, Frau Leuschner, sondern wenn Sie im Jahre 2002, im Jahre 2001 oder im Jahre 2000 gesagt hätten: „Nun lasst uns den Haushalt endlich einmal konsolidieren“; denn diese Schuldenmacherei von Gabriel und Aller kostet uns im Jahre 2004 400 Millionen Euro allein an Zinsen, die dann an anderer Stelle eingespart werden müssen.

Deswegen stehe ich dafür - das vertrete ich auch in den Personalversammlungen; einmal war Herr Aller ja dabei -: Der Einzelplan 04, den ich zu vertreten habe, wird von den Einsparmaßnahmen, von den Streichmaßnahmen nicht ausgenommen.

Er wird nicht ausgenommen, sondern wir werden genau das Gleiche bringen wie die anderen auch. Das gilt für die Justiz, das gilt für die Hochschulen, das gilt für den Kultusbereich, und das gilt auch für uns. Keiner kann sich angesichts dieser Haushaltssituation ausnehmen. Das ist die Konsequenz aus Ihren 13 Jahren Schuldenpolitik,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt tragen müssen. Das müssen Sie sich vorhalten lassen. Ich bin gespannt auf Ihren Antrag zum Haushalt und darauf, wie Sie die 12,5 Millionen Euro darstellen, die mir im nächsten Jahr fehlen, um Personal bezahlen zu können.

Eines muss man den Leuten sagen: Ihnen allen ist bei der Einstellung gesagt worden, dass die Beschäftigung mit bestandener Prüfung endet. Keiner hat einen Übernahmeanspruch.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das ist doch eine Verschwendung von Ressour- cen!)

- Ja, die Verschwendung haben Sie doch gemacht, weil Sie mehr eingestellt haben, als Sie uns Geld hinterlassen haben. Wir fangen jetzt an, den Haushalt zu konsolidieren, und werden damit auch weitermachen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Sie haben von allem nichts gewusst!)

Herr Hilbers von der CDU-Fraktion!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Leuschner, wenn ich die Überschrift Ihres Antrags lese: „Steueroase Niedersachsen Stellenstreichungen auf Kosten der Steuergerechtigkeit“, dann fällt mir bei „Oase“ immer „Fata Morgana“ ein. Dazu scheinen Sie einen Bezug zu haben. Der gesamte Antrag scheint, was die Steuergerechtigkeit angeht, eine große Fata Morgana zu sein. Im Übrigen noch zur Fata Morgana: Sie haben immer Geld gesehen, das offensichtlich nicht mehr da war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich mir den Landeshaushalt anschaue, sind Sie wahrscheinlich auch immer einer Fata Morgana aufgesessen.

Wenn ich heute diesen Antrag lese, muss ich feststellen, dass er in den Kontext der Dinge passt, die Sie in den letzten Tagen dargestellt haben. Sie werfen uns vor, wir kürzten nicht genug. Sie werfen uns vor, der Haushalt sei verfassungswidrig. Sie werfen uns vor, wir machten Luftbuchungen. Sie werfen uns vor, man könne noch viel mehr sparen. Aber immer dann, wenn es wirklich einmal konkret wird, sagen Sie: „Hier kann gerade nicht gespart werden, und hier werden wir nicht einschneiden.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Ich erinne- re Sie nur an Ihre Versprechungen vom November letzten Jahres!)

Sie haben die Finanzen des Landes zerrüttet wie niemand zuvor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Falsch! Falsch!)

2,5 Milliarden Kapitaldienst jährlich! 13 Jahre Schröder, Glogowski und Gabriel haben mehr Schulden verursacht als alle Vorgänger zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie uns nicht den gigantischen Fehlbetrag von 386 Millionen hinterlassen hätten, dann müssten wir heute nicht über solche Themen diskutieren. Das ist die Ursache dafür, dass wir solche einschneidenden Maßnahmen vornehmen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Schauen Sie sich doch Ihre Haushaltsanträge der letzten Jahre an!)

Jetzt fangen wir mühsam an, die Kasse zu sanieren. Jeder ist davon überzeugt, dass das notwendig ist. Wir haben Sie herzlich eingeladen, dabei mitzumachen. Sie täten gut daran, konstruktiv daran mitzuarbeiten, anstatt alles zu stören.

Sie machen Politik nach dem Motto: Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass. - Liebe

Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht mit Jammern saniert man einen Haushalt, sondern mit Taten, mit Beschlüssen und vor allem mit Mut zu Entscheidungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Insofern haben unsere Landesregierung und unser Finanzminister bei der Sanierung der Finanzen unsere volle Unterstützung. Wir führen die Maßnahmen in der Personalwirtschaft auch nicht gern durch. Auch wir würden viel lieber alle Anwärter übernehmen und mehr Personal einstellen. Wir wissen, dass wir unseren Beamtinnen und Beamten in Niedersachsen in diesen Tagen einiges zumuten, aber wir werben für unsere Maßnahmen. Eines muss uns bei einem Personalkostenanteil von über 45 % im Landeshaushalt jedoch klar sein: Eine Sanierung kann uns nur gelingen, wenn auch der Personalkostenblock entscheidend dazu beiträgt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)