Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das müssen Sie nicht mir sagen, sondern Ihrem Ministerpräsidenten!)

Das würde Christian Wulff als Allererstes tun. Das hat er immer so gesagt. Aber die Realität ist - ich weiß nicht, wie oft ich es noch sagen soll -, dass wir dieses zusätzliche Geld nicht haben. Wir müssen mit weniger Geld auskommen. Wenn ich weniger Geld habe, muss ich es gezielter, klüger einsetzen. Das ist die schlichte Botschaft: Aus der Not eine Tugend machen! - Das haben wir getan. Wir werden sicherlich auch Fehler begehen. Dafür sind wir Menschen. Aber jede Entscheidung, die nicht getroffen wird aus der Angst heraus, dass man auch fehlerhafte Entscheidungen treffen könnte, ist eine falsche Entscheidung. Wir handeln, und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Harms, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst etwas richtig stellen, damit Herrn Daxner, dem ehemaligen Präsidenten der Universität Oldenburg, nicht die Haare zu Berge stehen, weil er hier falsch zitiert worden ist. Dabei geht es um das Thema erstklassig und zweitklassig. In einer Klausur zur Hochschulpolitik, auf der wir mehrere Vertreter aus Hochschulen und Universitäten und im Übrigen auch den Landesrechnungshof angehört haben, ist das Motto geprägt worden: Zweitklassig ist nicht zweitklassig. Als zweitklassig gilt eine Hochschule dann, wenn sie wenig Forschung, aber trotzdem eine ausgezeichnete Lehre hat. Das Ziel, das Herr Daxner mit uns gemeinsam entwickelt hat für ein Hochschulland, wie Niedersachsen es heute ist, lautet: Das, was als zweitklassig gilt, muss erstklassig werden. Wir wollen in Niedersachsen in der Lehre an unseren Hochschulen und Universitäten erstklassig werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn Sie das aus der Sicht der Jugend für ein falsches Ziel halten, Herr Rösler, dann kann ich Sie nicht verstehen. Erstklassig im Bereich Forschung sind wir an einigen Universitäten und in einigen Bereichen schon. Wir glauben aber, dass wir gerade angesichts der Kürzungspolitik, die jetzt betrieben wird, nie mit den „Leuchtturm“-Universitäten mithalten können, an denen Sie sich offensichtlich orientieren, weil sich eine Hochschule in Niedersachsen nie mit einem Etat messen können wird, wie Harvard oder andere „Leuchtturm“-Universitäten ihn haben; denn der gesamte Etat aller Hochschulen Niedersachsens verschwindet in den Etats solcher „Leuchtturm“-Universitäten, und die Zahl der Studenten, die dort sicherlich gut ausgebildet werden, ist nur ein klitzekleiner Bruchteil der Zahl der Studenten, die in Niedersachsen ausgebildet werden. Erstklassige Lehre in Niedersachsen halte ich also für ein gutes Ziel.

Herr Minister, ich glaube, ich bin bisher einem Missverständnis aufgesessen. Ich habe in Erinnerung, dass Sie auf der Kabinettsklausur, die damals auf einer Burg in Niedersachsen stattgefunden hat, kurz vor dem Rücktritt standen, weil Sie von Ihrem Ministerpräsidenten auf ein aus Ihrer Sicht damals nicht akzeptables Einsparungsziel festgelegt werden sollten. Das müssen wir oder Sie oder auch die Berichterstatter geträumt haben;

denn heute verteidigen Sie genau dieses strikte Einsparziel als das Optimum von Hochschulentwicklung.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Ich kann Ihnen da nicht mehr folgen.

Ich möchte das Angebot nochmals unterstützen, das Sigmar Gabriel Ihnen zum Nutzen derjenigen, die in Niedersachsen an Hochschulen und Universitäten studieren und lehren, unterbreitet hat. Auch meine Fraktion hat einen gedeckten Gegenantrag zum Haushaltsentwurf der Landesregierung erarbeitet. Diesen Antrag werden wir während des nächsten Plenums vorstellen. Auch dieser Entwurf enthält für Sie die Möglichkeit, in diesem Haushalt nicht Bildung gegen Bildung zu kürzen, sondern im Hochschulbereich erst einmal sachorientiert an einem Konzept zu arbeiten, bevor Sie die Strukturen zerschlagen, die Sie vorfinden. Meiner Meinung nach sind Sie bei den Kriterien, die Sie anlegen, nicht konsequent, sondern Sie nehmen doch Rücksicht auf Wahlkreise und auf Regionalinteressen. Wenn Sie unseren Antrag aber annehmen würden, wenn Sie ihn für dieses Haushaltsjahr akzeptieren würden, dann würde sich an der Haushaltsplanung gar nichts ändern; Sie hätten aber ein Jahr Zeit, um mit den Hochschulen und ihren Vertretern ein wirklich belastbares Hochschulentwicklungskonzept für Niedersachsen zu entwickeln. Wenn Sie dazu nein sagen, dann sind Sie tatsächlich kein guter Interessenvertreter der Universitäten und Hochschulen in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege McAllister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Sigmar Gabriel, vielen Dank für die wirklich freundlichen Worte in meine Richtung.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich habe nur zitiert!)

Das mit dem Bockbieranstich erzähle ich vielleicht nachher. Wir hatten uns ohnehin, glaube ich, für heute oder morgen verabredet. Das ist übrigens eine sehr schöne Veranstaltung in Stadthagen. Ich

habe dort Karl-Heinz Funke getroffen. Er ist dort begeistert begrüßt worden als einer der wenigen Sozialdemokraten, die es in Niedersachsen noch gibt, zumindest einer der wenigen, die begeistert begrüßt werden. Alfred Reckmann ist auch dort gewesen - ein netter Kollege aus der letzten Wahlperiode, der auch wegen Ihres Wahlkampfes leider nicht mehr dabei sein kann.

(Heiterkeit bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Aber das am Rande. Das werde ich Ihnen dann noch erläutern.

Ich möchte noch vier Punkte anmerken, die mir in der Diskussion aufgefallen sind.

Erstens. Ich zitiere Herrn Oppermann aus der Hannoverschen Allgemeinen vom 24. Juli 2003:

„Der Vorwurf von McAllister, zu Oppermanns Zeiten seien wichtige Strukturveränderungen an den Hochschulen vernachlässigt worden, stimme nicht. ‚Ich habe diese Dinge vorbereitet. Sie wären geschehen, wenn ich Minister geblieben wäre‘, sagte Oppermann. Er hätte auch versucht, 20 Millionen bei den Hochschulen zu sparen...“

(Zuruf von Thomas Oppermann [SPD])

Wir haben also zunächst einmal festzuhalten, dass die grundsätzliche Notwendigkeit von Kürzungen auch im Hochschulbereich von Ihnen nicht bestritten wird.

Zweitens. Dank Ihrer Haushaltspolitik haben Sie es uns ja nicht leicht gemacht. Das hat der Minister eingehend dargestellt. Sie haben beim Fachhochschulentwicklungsprogramm II zwar an der mittelfristigen Finanzplanung festgehalten, aber sie haben es in keiner Form finanziell abgesichert. Sie haben noch vier Tage vor der Wahl in Wolfsburg einen Vertrag über den Ausbau der dortigen Fachhochschule unterzeichnet, der keiner rechtlichen Überprüfung standhält. Auch wir wollen die Fachhochschule in Wolfsburg unterstützen, aber bitte auf rechtlich sauberen Grundlagen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Mittel aus dem so genannten niedersächsischen Vorab der Volkswagenstiftung bis

2004 überbucht. Auch damit haben Sie den Gestaltungsspielraum der neuen Landesregierung nicht gerade erhöht, sondern verkleinert. Wenn Sie das wollten, ist Ihnen das zumindest gelungen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Es däm- mert!)

Wir stellen also fest, meine Damen und Herren: Erstens gab es offensichtlich auch eine Bereitschaft der alten Regierung, zu kürzen, und zweitens wächst bei Ihnen aufgrund der haushaltsrechtlichen Probleme, die nach dem 2. Februar 2003 aufgetreten sind, vielleicht sogar die Bereitschaft, auch in solchen Summen einzusparen und zu kürzen, wie wir das machen.

Nun hat Herr Gabriel unser Angebot angenommen. Sie haben uns kein Angebot unterbreitet - Antrag und Annahme, Vertragsschluss, BGB. Sie haben heute ein Angebot der Fraktionen der CDU und der FDP angenommen. Auch Frau Harms hat dies getan. Das ist in Ordnung, das ist okay. Diese Worte haben wir auch gern gehört. Die Grünen kündigen dazu einen Haushaltsantrag an. Wir sind gespannt, was da kommen wird. Sie, Herr Gabriel, haben ein Konzept angekündigt, sagen aber im nächsten Satz auch, es seien fünf oder zehn Vorschläge. Sie müssen sich schon entscheiden, ob es fünf oder zehn Vorschläge sind.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Je nachdem, wie viel Sie mitmachen!)

Wenn Sie ein Konzept haben, dann müssen Sie die Zahl Ihrer Vorschläge kennen. Wie auch immer - wir sind gespannt, was da kommt. Nur, eines ist für uns als CDU und FDP wichtig: Von Ihnen müssen konkrete Vorschläge auf den Tisch und nicht das, was in den letzten Wochen im Ausschuss und heute im Plenum passiert ist: dass Sie immer nur kritisieren und keine Fakten nennen. So funktioniert die Zusammenarbeit nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben noch einige Wochen Zeit. Wir werden alle Argumente, die vorgetragen werden, sorgfältig prüfen. Das machen wir übrigens nicht nur bei Ihren Vorschlägen, sondern das machen wir auch bei den anderen Vorschlägen.

Lutz Stratmann hat zu Recht gesagt, wie schwierig die Debatte um die Standorte Buxtehude und Nienburg ist - um nur zwei Beispiele zu nennen; man könnte noch viele andere aufführen. Wir wer

den das alles im Einzelnen sauber überprüfen. Wir werden schauen, ob wir Strukturentscheidungen, die jenseits von 2008 Wirkung haben, mit Ihnen oder ohne Sie beschließen können und müssen.

Ich muss Ihnen aber eines sagen, Herr Kollege Gabriel: Beim Thema Hochschulpolitik ist unsere Seite des Hauses empfindlich, wenn es um zu weit gehende Belehrungen geht. Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie haben 1995 den Studiengang Informatik in Hildesheim geschlossen. Anschließend haben Sie den Mangel an IT-Spezialisten in Deutschland beklagt und die Green Card für Inder eingeführt. Das war Ihre Hochschulpolitik in Niedersachsen, die Sie mitzuverantworten haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb sind wir zögerlich und skeptisch, wenn es um Ihre klugen Vorschläge in diesem Bereich geht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Es geht um Redlichkeit!)

Aber wir wollen das alles ernsthaft und sauber prüfen.

Ich schließe mit einem schönen Zitat des MHHPräsidenten Professor Horst von der Hardt, das ich in der Neuen Presse vom 23. Oktober gefunden habe: Es ist notwendig, dass Sparmaßnahmen durchgeführt werden ohne Rücksicht auf das große Geschrei. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat noch einmal Herr Kollege Gabriel.

(Reinhold Coenen [CDU]: Er hat ja sonst nichts zu sagen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass der Herr Kollege McAllister - anders als der zuständige Minister - eben erklärt hat, dass er dann, wenn es im Rahmen von Haushaltsanträgen der Grünen und der SPD reale Kürzungsvorschläge zum Haushalt gebe, die nicht dazu führen, dass man Ihnen Luftbuchungen vorwerfen könne, bereit sei, darüber zu diskutieren.

Das war auch unser Angebot. Es geht hier nicht um Vertragsabschlüsse, sondern um Haushaltsplanberatungen. Man muss wissen, ob man sich im Zusammenhang mit der Frage ernst nehmen will, die Kürzungsmaßnahmen so zu reduzieren, dass die Hochschulen selbst in der Lage sind, die verbleibenden Kürzungen durch eine qualifizierte Arbeit vorzunehmen, und nicht sozusagen von jetzt auf gleich durch Management by Zufall oder Management by Pensionsalter reagieren müssen. Das ist das, was wir gesagt haben! Sie haben geantwortet: Wir nehmen das an. - Wir, die Grünen und die SPD, werden uns der Aufgabe stellen. Wir werden konkrete Kürzungsvorschläge zum Haushalt unterbreiten.