Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

(Zuruf von der CDU: Das ist doch ab- gestimmt! - Zurufe von der SPD)

Die Debatte könnte immer wieder aufgenommen werden. Es gibt keine zeitliche Begrenzung. Es wäre also eine Klärung möglich. Dass Sie das nicht wollen, sondern auch nach der Entschuldigung die Angelegenheit offen halten und eine Besprechung im Ältestenrat wollen, steht Ihnen völlig frei. Wir werden diese durchführen. Aber zu dem Hinweis bezüglich der Meldung zur Geschäftsordnung möchte ich Folgendes anmerken: Im Präsidium sind Mitglieder aller Fraktionen vertreten. Ich gehe davon aus, dass, wenn das Präsidium - auch von Ihrer Fraktion sitzt dort ein Vertreter - Ihre Meldung wahrgenommen hätte, es natürlich auch reagiert hätte. In der Geschäftsordnung steht auch, dass man sich nicht nur melden muss - was Sie getan haben -, sondern dass ein Ruf erfolgen muss.

(David McAllister [CDU]: Der ist er- folgt! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Alt- husmann hat so eine leise Stimme!)

Dieser muss so erfolgen, dass er im Präsidium vernommen werden kann. Wenn niemand diesen Ruf vernommen hat, dann müssen Sie noch einmal rufen. Ihre Kritik können wir nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen sind übereingekommen, dass wir in die Mittagspause gehen, nachdem ich noch ein paar Ansagen gemacht habe, und dass die Sitzung um 14.30 Uhr wieder eröffnet wird.

Der Tagesordnungspunkt 20 - Tierschutz in der Schweinehaltungsverordnung stärken - Gute Erfahrungen des niedersächsischen Weges nutzen! soll ohne Aussprache überwiesen werden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Nein! Der soll nicht ohne Aussprache überwie- sen werden!)

- Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass der Tagesordnungspunkt 20 doch auf der Tagesordnung bleiben soll. Die Tagesordnungspunkte 27 - Programm „n-21: Schulen in Niedersachsen online“ verbessert Modernisierung des Unterrichts -, 30 - Modernisierung der Steuerverwaltung - Oberfinanzdirektion auflösen - und 31 - Kein Zurück zur Käfighaltung - sollen direkt an die Ausschüsse überwiesen werden.

Ich unterbreche die Sitzung und wünsche allen einen guten Appetit.

Unterbrechung: 13.02 Uhr.

Wiederbeginn: 14.32 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 18: Zweite Beratung: Wertgutscheinverfahren - Kosten sparen durch Freiwilligkeit - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/106 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/459

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Es liegt mir die Wortmeldung von Frau Langhans zur Beratung vor. Frau Langhans, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! CDU und FDP haben in den Ausschüssen unseren Antrag, Kommunen die Entscheidung freizustellen, außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen Bargeld auszuzahlen, statt Wertgutscheine an Asylbewerber auszugeben, abgelehnt. Sie haben diese Ablehnung mit der Befürchtung begründet, Schlepperbanden, Drogenhandel werde damit Tür und Tor geöffnet. Diese Begründung, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen, mit Verlaub, ziemlich abenteuerlich. Es gibt keine belegbaren Zahlen aus anderen Bundesländern, die einen sprunghaften Anstieg von Aktivitäten der Schlepperbanden oder gar von Drogenkriminalität nach der Einführung von Bargeldauszahlungen nachweisen.

Meine Damen und Herren, ich meine, hinter Ihrer Ablehnung verbirgt sich ein ganz anderer Beweggrund. Sie wollen mit einem weiteren Mosaikstein Ihre restriktive, diskriminierende und ausgrenzende Asyl- und Ausländerpolitik dokumentieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Das ist doch alles totaler Blödsinn!)

Das machen auch neuerliche Vorhaben aus dem Innenministerium - u. a. die Absicht, Asylbewerber zukünftig in Nacht- und Nebelaktionen abzuschieben, und die Kriminalisierung von in Flüchtlingsarbeit engagierten Personen - deutlich. Meine Damen und Herren, diese Vorhaben sprechen für sich, und sie lassen erhebliche Zweifel aufkommen, ob es der CDU wirklich so ernst ist mit der Integration hier lebender Ausländer

(Zuruf von Hans-Christian Biallas [CDU])

- hören Sie doch erst einmal zu, Herr Biallas! - und ob Sie wirklich an einem gedeihlichen Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in diesem Land interessiert sind. Äußerungen von Herrn Biallas, nachzulesen in den Cuxhavener Nachrichten.

Meine Damen und Herren, Integration erfordert wechselseitige Verständigung und Kompromisse sowie Vertrauen auf beiden Seiten. Die Auszahlung von Bargeld verhindert, dass Asylbewerber, von denen bei weitem nicht alle abgeschoben werden, weiter entmündigt und in ihren Möglichkeiten, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben, eingeschränkt werden.

Frau Langhans, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biallas?

(Unruhe bei der CDU)

Zusätzlich entlastet die Auszahlung von Bargeld Kommunen, und zwar nicht nur finanziell, sondern damit geht auch der Abbau von Verwaltungsmehraufwand einher.

Kirchen und Sozialverbände haben unseren Antrag unterstützt. Sie sind aber in der CDU- und in der FDP-Fraktion auf taube Ohren gestoßen. Wie gesagt, die Haltung der CDU verwundert mich nicht. Was mich allerdings verwundert, ist die Tatsache, dass sich die FDP hier die Freiheit gönnt, ihre angeblich liberale Politik unter das Diktat einer zunehmend dumpfen Asyl- und Ausländerpolitik der CDU zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU)

Nicht einmal Ihr sonst so lauter Ruf nach Verwaltungsabbau, nach Bürokratieabbau konnte Sie, meine Damen und Herren von der FDP, dazu verleiten, unserem Antrag zuzustimmen. Da sind Sie in Ihrer viel beschworenen Freiheit offensichtlich doch sehr eingegrenzt.

(Roland Riese [FDP]: Wir haben ein eigenes Konzept!)

Meine Damen und Herren, gestern ist hier vielfach die Rede vom Mut zum Handeln gewesen. Jetzt sollten Sie an dieser Stelle auch den Mut zum Handeln beweisen, indem Sie wenigstens den Kommunen die Chance einräumen, sich finanziell entlasten zu können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Jutta Rübke. Frau Rübke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Herren, meine Damen! Wertgutscheine - Gutscheine, die Wert für Menschen haben, die uns nur wenig wert sind? Oder auch: Was ist es uns wert, alle Menschen wertzuschätzen? - Meine Fraktion wird dem Antrag zustimmen.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Wir hat- ten nichts anderes erwartet!)

- Danke schön für den Zuruf. Ich habe fast drauf gewartet. Es wäre schade gewesen, er wäre nicht gekommen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wir enttäuschen Sie nicht!)

Nach dem Motto: Aha, die SPD regiert nicht mehr.

Wie Sie der Landtagsstatistik entnehmen können, haben wir in unserer Fraktion das höchste Durchschnittsalter; ich trage selber dazu bei. Aber Jugend ist nicht alles, sondern nur ein vorübergehender Zustand.

(Beifall bei der SPD)

Denn das Alter zeichnet sich besonders durch Lebenserfahrung aus, und dadurch hat meine Fraktion auch die Gelassenheit, einmal gefasste Beschlüsse neu zu überdenken.

Der Niedersächsische Städtetag, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Ausländerverbände unterstützen und befürworten die Abschaffung der Wertgutscheine. Dabei geht es nicht um die grundsätzliche Abschaffung, sondern es geht darum, den Kommunen wieder die Möglichkeit einzuräumen, Bargeld zu geben und nur in besonderen Fällen Wertgutscheine. Die CDU will an den Gut

scheinen festhalten, damit keine Schlepperorganisationen von Sozialhilfe bezahlt werden.

(Beifall bei der CDU - Hans-Christian Biallas [CDU]: Genau deswegen!)

Ich frage: Gibt es nur in Niedersachsen solche Organisationen, oder warum besteht diese Sorgen in den anderen Bundesländern nicht?

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Die CDU behauptet, Bargeld auszuzahlen, bedeute einen ebenso hohen Verwaltungsaufwand wie die Ausgabe von Wertgutscheinen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Nein! Das haben wir nie behauptet! Wir ha- ben sogar gesagt, dass das teurer sei!)

- Herr Biallas wörtlich. - Sie sollten sich einmal mit dem Fachpersonal der Kommunen unterhalten. Das könnte Ihnen sehr genau darlegen, welches Verfahren preiswerter ist. Auch diese Möglichkeit, Geld in den Kommunen zu sparen, sollte neben dem Effekt der Verwaltungsvereinfachung, der Abschaffung von Bürokratie genutzt werden. Dem wollen und können Sie sich von der CDU und von der FDP doch sonst auch nicht verschließen.