Protokoll der Sitzung vom 31.10.2003

Gerade dieses Vorgehen der Europäischen Kommission, die zeitlichen Abläufe und die dahinter steckenden Absichten tragen dazu bei, die Zweifel an den bürokratischen und politischen Abläufen in Brüssel zu verstärken und nicht abzuschwächen. Dies zeigen der vorliegende Antrag der SPDFraktion und der jetzt modifiziert vorliegende Antrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen.

Wie wir bereits im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien von der Chefin der Staatskanzlei, Frau Dr. Wurzel, sehr deutlich erfahren haben, hat unsere Landesregierung diesen skandalösen Vorgang nicht tatenlos betrachtet.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Vielmehr ist die Landesregierung bereits aktiv geworden und hat sich dabei der Unterstützung anderer Bundesländer versichert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nunmehr ist der Präsident der EU-Kommission Romano Prodi gefordert, Übergangsregelungen für die Informationszentren zu finden und die finanzielle Ausstattung dieser Einrichtungen für die nächsten Jahre zu sichern. Die Position der CDUund der FDP-Fraktion lässt sich auch aus dem Haushaltsentwurf 2004 ersehen. Trotz schwieriger finanzieller Rahmendaten werden wie bisher rund 70 % der Gesamtkosten getragen. Darüber hinaus sollen im Haushaltsjahr 2004 weitere Mittel in Höhe von 65 000 Euro für diese wichtige Arbeit bereitgestellt werden.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, auch wenn er vielleicht die Einigkeit ein bisschen stört.

Sie wissen, dass ich vom Dorf komme, und da pflegen wir eine offene Aussprache.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wo waren eigentlich die deutschen Vertreter in der EU, als das Kind in den Brunnen fiel oder vielmehr die Zuschüsse den Bach runtergingen?

(David McAllister [CDU]: Ja, das wol- len wir mal wissen!)

Welche Unterstützung kommt in diesem Anliegen eigentlich aus Berlin?

(David McAllister [CDU]: Wenig!)

Zumindest mir sind diesbezüglich keine gesteigerten Aktivitäten bekannt.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das soll nichts heißen!)

Es kann zwischenzeitlich festgestellt werden, dass nun auch andere Regierungen von EU-Mitgliedsländern aufgewacht sind; denn der von der EUKommission geplante Kahlschlag trifft auch die übrigen Mitgliedstaaten.

Ich fasse zusammen: Es herrscht Einigkeit darüber, dass der EU-Kommission klar gemacht werden muss, dass sie sich nicht völlig aus der Unterstützung dieser Einrichtungen zurückziehen kann und dass Aufklärung und Information der Bevölkerung sehr wohl Aufgabe der EU und eben nicht vollständig Sache der Länder sind. Europa wird auf Dauer seine Ziele nur dann verwirklichen können, wenn die Bürgerinnen und Bürger durch Aufklärung und Information unterstützt werden, diesen Weg mitzugehen. In diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn der vorliegende Änderungsantrag einstimmig verabschiedet würde.

Ich möchte mit der Bemerkung des EUMitgliedslandes Griechenland schließen, das vor kurzem in Brüssel erklärt hat, dass das, was die Europäische Kommission dort beschlossen hat, dem Geist der Europäischen Gemeinschaft widerspricht. - Ich bedanke mich.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Frau Kuhlo von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In großen Zügen besteht ja Einigkeit. Insofern möchte ich Ihre Geduld nicht übermäßig strapazieren. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige wichtige Punkte wiederholen.

Der Vollzug der EU-Erweiterung, die Ratifizierung des Verfassungsentwurfes und die Europawahl sind wichtige Kerndaten des nächsten Jahres, des Jahres 2004. Damit verbunden geht eine Notwendigkeit einher: die verstärkte Information der Bevölkerung. Das Bewusstsein für die Bedeutung europäischer Themen und die Rolle der Europäischen Union, aber auch die Informationen über die Strukturen der EU, über die anstehenden Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Menschen in unserem Lande sind zu fördern.

Wir haben in Niedersachsen mit dem EIZ, dem Europäischen Informations-Zentrum, und mit dem lokalen Carrefours in Lüneburg Einrichtungen, die diese so wichtige Informationsarbeit leisten. Das EIZ nutzt vielfältige Wege, um europabezogene Themen darzustellen, wie Infobus-Auftritte auf landesweiten lokalen Events, z. B. dem Emdener Matjestag, dem Bauerntag in Mardorf und dem Tag der Niedersachsen. Eigene auf spezifische Zielgruppen, z. B. Jugendliche oder Handwerker, ausgerichtete Veranstaltungen gehören ebenso dazu wie diverse Publikationen. Die FDP-Fraktion unterstützt diese Arbeit ausdrücklich.

Die Europäische Kommission bezuschusst das EIZ und das Carrefours mit einer institutionellen Förderung von jährlich 40 000 Euro; dazu kommen Zuschüsse für eine Projektförderung, die derzeit aber nicht gefährdet sind. Überraschend und sehr kurzfristig hat die EU-Kommission die institutionelle Förderung der Informationsstellen für 2004 gekürzt. Grund für die Streichung der Mittel für 2004 sind nicht Überlegungen zur Haushaltssanierung, sondern technische Änderungen der Rechtsgrundlage durch eine neue Haushaltsordnung. Diese Kürzungen sind gerade jetzt ein falsches Signal für Europa. Die EU-Kommission darf sich nicht der Verantwortung entziehen. Einrichtungen wie das EIZ benötigen Planungssicherheit. Betriebskosten wie z. B. Raummieten lassen sich nicht kurzfristig reduzieren.

Übergangsregelungen sind vonseiten der EU aber bisher nicht vorgesehen. Im Zweifelsfall müsste das Land die Mehrkosten übernehmen. Angesichts der prekären Haushaltslage unmöglich! Frau Tinius, eine Aufstockung ist leider auch nicht möglich. Die angesprochenen Umschichtungen innerhalb der Budgets der Staatskanzlei sind im Rahmen der Haushaltsberatungen geprüft worden und werden auch noch weiterhin geprüft. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass wir für das EIZ und für Carrefours weitere Mittel umschichten können.

Gott sei Dank hat die Landesregierung diese Problematik rechtzeitig erkannt. Wir haben es bereits gehört; Herr Schobert hat es angesprochen. Unser Ministerpräsident hat sich zusammen mit seinen Kollegen aus Hessen und Thüringen an den Kommissionspräsidenten gewandt. Zudem laufen auf anderen Kanälen Bemühungen, um eine sinnvolle Regelung für 2004 zu finden.

Als FDP-Fraktion unterstützen wir diese Aktivitäten. Wir sollten mit einem Beschluss des Landtages dem Ministerpräsidenten Rückendeckung geben und verdeutlichen, dass Niedersachsen die vorgesehenen Kürzungen nicht akzeptieren kann. Daher werden wir dem vorliegenden Änderungsantrag zustimmen. Wir hoffen, dass sich dem alle Fraktionen anschließen können. - Danke.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Frau Kuhlo. - Herr Hirche, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung ist froh darüber, dass sich die Fraktionen in diesem Punkt 100-prozentig einig sind. Die Landesregierung hat den Auftrag, der aus den Beratungen der Fraktionen herausgeht, sich für die weitere Finanzierung des EIZ intensiv einzusetzen, auch schon aufgenommen.

Ministerpräsident Christian Wulff hat zusammen mit seinen Kollegen Koch und Althaus einen gemeinsamen Brief an den Kommissionspräsidenten Prodi geschrieben und dagegen protestiert, dass Mittel auf diese Art und Weise gekürzt werden. Für Niedersachsen kommt hinzu, dass in der letzten Zeit zweimal vonseiten der Generaldirektion für Presse und Kommunikation ausdrücklich nicht nur

die Sache bestätigt, sondern auch speziell die Arbeit des niedersächsischen EIZ als Beispiel für die Arbeit in anderen Bundesländern und in der EU gelobt worden ist. Dann aber kommt Knall auf Fall eine Mitteilung, dass diese Betriebsmittelzuschüsse gekürzt bzw. gestrichen werden. Meine Damen und Herren, das ist völlig inakzeptabel. Die Argumente, die von Vertretern aller Fraktionen genannt worden sind, sind in sich stichhaltig. Die Landesregierung macht nur noch ein dickes Ausrufezeichen dahinter. Ich brauche mir jetzt nicht neue Vokabeln auszudenken; denn Sie haben alles schon gesagt, meine Damen und Herren.

Ich möchte nur noch deutlich machen: Wir zahlen gegenwärtig 70 % der Kosten und haben trotz der Haushaltssituation zusätzlich zu den Kosten für Miet- und Personalaufwendungen noch 65 000 Euro oben drauf getan. All das ist eine große Leistung des Landes. Es ist aber inakzeptabel, wenn die EU die Arbeit zur Unterstützung und Vervielfältigung der Informationen über die eigene Arbeit anderen überlässt. Da muss sie sich schon selbst beteiligen. Wer so arrogant Informationen durch Streichung von Mitteln abschneidet, der darf sich nicht wundern, wenn anschließend die Wahlbeteiligung zurückgeht und eine Verdrossenheit gegenüber dem Thema Europa in der Landschaft entsteht. Das wollen wir nicht hinnehmen. Wir wollen, dass sich die EU auch in Zukunft beteiligt. Ich hoffe sehr, dass die Parlamentarier dazu beitragen, dass diese Maßnahme korrigiert wird. Ich setze auch darauf, dass durch die Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung im Ministerrat noch einiges passiert.

Insgesamt möchte die Landesregierung die Werbemaßnahmen in dem Bereich Jugend und in dem Bereich Mittelstand deutlich verstärken. Ich bin der Meinung, dass das EIZ auf einem guten Weg ist. Wir werden allen in den Arm fallen, die versuchen, diese Arbeit einzuschränken oder zu behindern. Vielen Dank für die Unterstützung. Wir kämpfen weiter!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wie angekündigt, schließen wir die zweite Beratung unmittelbar an und stimmen nun über den Antrag in der Fassung

des interfraktionellen Änderungsantrages ab. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 44: Erste Beratung: Einführung von Ausbildungsberufen für praktisch begabte Jugendliche - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/488

Gemeldet hat sich Herr Hermann von der FDPFraktion. Ich erteile ihm das Wort. - Er ist nicht da. Dann rufe ich die Wortmeldung von Herrn Bley von der CDU-Fraktion auf.

(Zurufe)

- Ich vermute, dass Herr Bley jetzt für Herrn Hermann verzichtet und als Zweiter sprechen möchte. Wir hören Herrn Hermann.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Auch in diesem Jahr wurde wieder viel über die Situation am Ausbildungsmarkt berichtet. Als Folge der mittelschwachen wirtschaftlichen Entwicklung fällt es vielen Unternehmen schwer, Ausbildungsplätze in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Dennoch wurden große Anstrengungen unternommen, um möglichst allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen mit übrigens mittlerem Erfolg in Deutschland, aber mit recht großem Erfolg in Niedersachsen.

Ende September waren noch 2 000 Jugendliche ohne eine Stelle. Dagegen standen 1 300 freie Ausbildungsplätze. Auch wenn man das nicht verzahnen kann, so sind es netto immerhin 700 noch nicht besetzte Ausbildungsplätze. In Deutschland ist es ganz anders. Den insgesamt 35 000 noch nicht vermittelten Bewerbern stehen 15 000 freie Ausbildungsplätze gegenüber. Das ergibt netto 20 000. Das heißt, Niedersachsen hat einen Anteil von ungefähr 3,5 %.

Verehrte Damen, meine Herren, hier gilt es, ein Dankeschön an alle zu sagen, also an die Ge

werkschaften, an Unternehmerinnen und Unternehmer, an die Verbände, an die Kammern, auch an die vielen Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Haus sowie alle, die mitgeholfen haben, die Lehrstellenlücke fast zu schließen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Doch leider gibt es auch Menschen, die, statt Anerkennung für diese Mühe zu zeigen, die Unternehmen noch mit einer Ausbildungsplatzabgabe belasten möchten. Interessant ist dabei, dass Behörden, Parteien und Verbände in der Regel eine geringere Ausbildungsquote haben als die Wirtschaft und daher übrigens als Erste von einer entsprechenden Abgabe betroffen wären. Dies zeigt wieder einmal, dass die Botschaft „schafft Ausbildungsplätze“ nur in den Unternehmen angekommen ist.

Dennoch kann der Staat einiges tun, um die Entstehung von Ausbildungsplätzen zu fördern. So hat der Landtag mit seiner Initiative für mehr Arbeit und Ausbildung für junge Menschen die wichtigsten Handlungsfelder der Politik vorgegeben; denn das Problem der Jugendarbeitslosigkeit hat nicht nur eine Ursache - das ist klar -, sondern viele Ursachen, die jeweils aber nur mit den eigenen Mitteln angegangen werden können.

Die erste Ursache - das ist unumstritten - ist natürlich Wachstum. Nur eine wachsende Wirtschaft schafft neue Arbeits- und Ausbildungsplätze. Leider sind die Handlungsmöglichkeiten des Landes hier sehr begrenzt. Solange der Bund nicht seine Hausaufgaben macht, gibt es nicht viel Hoffnung auf Besserung.