Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

Ergänzend möchte ich sagen, Herr Kollege Jüttner: Wir werden nicht nur reden und die Verwaltungen damit beschäftigen, neue Konzepte zu erarbeiten, so wie Sie es in den vergangenen neun Jahren gemacht haben,

(Zuruf von der SPD: Unterstellung!)

sondern wir werden auch Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Die Rolle, die Sie dabei spielen, Herr Kollege Jüttner, bestimmen Sie selbst. Sie können natürlich noch in Erinnerungen an so genannte bessere Zeiten schwelgen.

(Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜ- NE])

Sie können auch die Gegenwart beklagen, Frau Steiner, das sehe ich alles ein. Aber - dazu fordere ich Sie auf - Sie können auch den Weg einschlagen, die Zukunft konstruktiv mit uns zu gestalten. Eines sollten Sie aber nicht tun, nämlich mit dem erhobenen Zeigefinger immer auf diejenigen zeigen, die sich auf den Weg gemacht haben, das lahmende Niedersachsenpferd wieder auf Trab zu bringen. - Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich der Kollegin Frau Harms zusätzliche Redezeit von bis zu anderthalb Minuten.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Anderthalb Minuten halten wir durch!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie kennen mich noch nicht so lange, sonst wüssten Sie, dass ich sehr gut an einem Abend eine Rede in Stade halten kann und trotzdem am nächsten Morgen so früh im Büro bin, dass noch nicht einmal die Zeitungen da sind. Der Pförtner wird Ihnen das gerne bestätigen. Wir haben sie zusammen gesucht. Beim MU war es, als ich an der Ecke vorbeigekommen bin, im Übrigen noch dunkel.

Meine Damen und Herren, mir liegt sehr am Herzen, noch einmal das Thema Umweltbingo aufzugreifen. In den letzten Jahren sind in Niedersachsen im Einvernehmen von Politik, Verbänden und Vertretern der Lotterie Umweltschutz- und auch Entwicklungshilfeprojekte vom Umweltrat vorangetrieben worden - gestützt auf die Erlöse der Bingo-Lotterie. Ich wünsche mir sehr, dass das - meiner Meinung nach fast erfolgreichste - Projekt, bei dem Politik, Bürger, ausgewiesene Umweltschützer, Fachleute aus dem Ministerium, hervorragend zusammengearbeitet haben, eine Zukunft hat, und das gerade für dieses Projekt die Staatsferne erhalten bleibt. Ich wünsche mir sehr, dass die Initiative, die u. a. Frau Pawelski ergriffen hat, nicht ausgebremst wird. Ich glaube nicht, dass die Zustimmung zu Umweltbingo wächst, wenn man den Einfluss in der Lotterie von Verbänden, Interessensvertretern und des Naturschutzes vor Ort bei der Vergabe der Mittel ausbremst. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, diesen Antrag federführend dem Umweltausschuss und mitberatend den Ausschüssen für Inneres und Sport und für Haushalt und Finan

zen zu übertragen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das sehe ich nicht. Dann haben Sie so beschlossen.

Ich rufe vereinbarungsgemäß zusammen auf

Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Vorfahrt für die Zukunft: Rücknahme der Kürzungen bei den niedersächsischen Hochschulen - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/549

und

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Keine Schließung der Fachhochschulstandorte Buxtehude und Nienburg - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/548

Zur Einbringung erteile ich der Kollegin Frau Dr. Andretta das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch keine vier Wochen her, dass der Wissenschaftsminister an dieser Stelle stolz sein so genanntes Hochschuloptimierungskonzept präsentiert hat: Sparen als Chance, mit Kürzungen zur Exzellenz, Streichungen ausschließlich nach Qualitäts- und Leistungskriterien - so tönt es noch in unseren Ohren. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Es vergeht kein Tag, an dem nicht neue Ungereimtheiten, unhaltbare Zahlen, falsche Angaben und wahrheitswidrige Behauptungen ans Licht kommen. Selbst Ihre eigenen Truppen, Herr Minister, reiben sich verwundert die Augen, wenn sie vor Ort auf andere Realitäten treffen als auf die von Ihnen geschilderten. So stellt der Wissenschaftsarbeitskreis der CDU bei seinem Besuch in Nienburg fest, dass es dort weder das baufällige Fachhochschulgebäude gibt, noch millionenschwere Investitionsforderungen existieren und schon gar nicht die Architektenausbildung so miserabel dasteht wie behauptet. Fakten werden unterdrückt - ich zitiere die CDU-Abgeordneten des Facharbeitskreises aus Die Harke vom 9. November -, weil das „so gewünscht“ wird.

(Zuruf von der SPD: Hoho!)

In Clausthal-Zellerfeld hören die gleichen Kollegen dann mit Erstaunen, dass die Universität schon lange mit der im HOK geforderten Neuausrichtung begonnen hat und die überproportionalen Kürzungen von 9 % jedenfalls nicht mit mangelnder Leistungsfähigkeit und Exzellenz begründet werden können - womit sonst bleibt bis heute im Dunkeln.

Für die Schließung von Buxtehude wird der Wissenschaftsrat bemüht, der angeblich die Förderung von Investitionen an Fachhochschulen mit weniger als 1 500 Studierenden ausschließt. Herr Minister, haben Sie denn einmal die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Entwicklung von Hochschulen gelesen? - Zumindest Ihr Staatssekretär weiß genau, dass das Kriterium der 1 000 flächenbezogenen Studienplätze nur für Neugründungen selbstständiger Fachhochschulen gilt. Für den Ausbau bestehender Fachhochschulen werden explizit keine Studienplatzzahlen, sondern Kriterien wie z. B. die Stärkung der Forschungsintensität oder die Erweiterung des Fächerspektrums genannt. Bauvorhaben von Fachhochschulen und ihren Standorten, die in die Anlage zum HBFG aufgenommen sind - und um solche handelt es sich bei den Fachhochschulen Hannover und Nordostniedersachsen -, können unabhängig von der Zahl der Studienplätze gefördert werden.

Meine Damen und Herren, die falschen Behauptungen gehen weiter. Im letzten Plenum rechtfertigten Sie, Herr Minister, die massiven Kürzungen bei den Forstwissenschaften in Göttingen damit, dass sie von der wissenschaftlichen Kommission schlecht bewertet und obendrein mit nur 25 bis 35 % nicht genug ausgelastet seien. Diese Behauptungen sind nachweislich falsch. Die Forstwissenschaften in Göttingen sind durchweg als „exzellent“ evaluiert worden; und laut amtlicher Statistik aus Ihrem eigenen Hause, Herr Minister, beträgt die Auslastung nicht 25 %, sondern exakt 67,85 %.

(Thomas Oppermann [SPD]: Hört, hört!)

Anstatt sich bei der Universität für die rufschädigenden Behauptungen zu entschuldigen, wird noch eins drauf gesetzt: In einer bundesweiten Fachzeitschrift, der Deutschen Hochschulzeitung, war jüngst nachzulesen: Göttingen muss sparen. „Die für die Evaluation eingesetzte Kommission bewertete ein Drittel der Studiengänge als

‚schwach‘.“ Die Quelle solcher Verleumdungen ist schnell ausfindig gemacht: die Pressestelle des Ministers. So etwas nenne ich Rufmord.

(Beifall bei der SPD)

Die Beispiele lassen sich leider beliebig fortsetzen. Auch anderswo wird gekürzt, werden Fächer dicht gemacht, Studiengänge verlagert oder geschlossen, weil angeblich die Qualität nicht stimmt. Gefragt nach der Quelle der Erkenntnisse, wird dann auf unveröffentlichte Vorabberichte der Wissenschaftlichen Kommission verwiesen. Berichte, die keiner kennt und die für niemanden überprüfbar sind, am allerwenigsten von den Betroffenen selbst. Nennen Sie das redlich, Herr Minister? Wir nicht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens schaden Sie mit diesen Äußerungen nicht nur den Universitäten, sondern auch dem Ansehen der Wissenschaftlichen Kommission. Um ihre Reputation zu wahren, darf sie nicht dem Verdacht ausgesetzt werden, Steigbügelhalter Ihrer konzeptlosen Sparpolitik zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was hier unter dem Deckmäntelchen der Optimierung angepriesen wird, ist beispiellos. Da, wo nachprüfbare Argumente fehlen, werden Zahlen manipuliert und fragwürdige Begründungen nachgeschoben, wird diffamiert und denunziert

(David McAllister [CDU]: Was denn noch alles?)

mit dem einzigen Ziel, konzeptionslose Kürzungen durchzusetzen und fragwürdige Strukturentscheidungen im Nachhinein zu legitimieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier bleibt leider mehr als die Wahrheit auf der Strecke. Der gute Ruf niedersächsischer Hochschulen wird vorsätzlich geschädigt, international angesehene Hochschulen werden gedemütigt, und das durch den eigenen Minister.

Herr Stratmann, Sie preisen sich Ihres Mutes, Kürzungen kompromisslos durchzusetzen. Beweisen Sie jetzt Größe, und nehmen Sie Kürzungsvorgaben, die nachweislich auf falschen Zahlen und Be

hauptungen basieren, zurück. Hören Sie endlich damit auf, ganze Fakultäten und Standorte kaputt zu reden. Korrigieren Sie falsche Zahlen, und beenden Sie die Rufschädigung der Hochschulen unseres Landes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Hochschulen sind bereit, ihren Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts zu leisten; sie verweigern sich nicht. Aber viele haben gesagt, nicht nur uns, auch Ihnen: Wir schaffen nicht die ganze Summe, und wir schaffen es nicht so schnell. Die Hochschulen brauchen deshalb unsere Unterstützung. Die geplanten Kürzungen sind zu hoch, und die Zeit für ihre Umsetzung ist zu kurz. Wir wissen doch alle: Die Hochschulen haben keine Chance, darauf mit qualitativen Strukturreformen zu reagieren. Um das Geld irgendwie aufzutreiben, werden die Hochschulen gezwungen sein, ihre Berufungstöpfe zu plündern, Rücklagen für wichtige Investitionen aufzulösen und jede frei werdende Stelle dem Finanzminister abzuliefern, selbst dann, wenn die Wiederbesetzung für die Profilbildung in der Forschung, die Aufrechterhaltung des Lehrangebots oder die Nachwuchsförderung dringend erforderlich ist.

Meine Damen und Herren, wo aber nicht Strukturplanung, sondern nur noch der Zufall Regie führt, ist Qualität nicht zu sichern, geschweige denn Motivation für Reformen zu schaffen. Schon jetzt herrschen an den Hochschulen die Gesetze des Dschungels - die Großen fressen die Kleinen -, und dort, wo früher in den Universitätsfluren Aufbruchstimmung herrschte, machen sich längst Resignation und Frust breit. Die größte Sorge an den Hochschulen ist, dass mit den massiven Kürzungen eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird, die nicht mehr zu stoppen sein wird. Genau dies wollen wir mit unserem Antrag verhindern. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung.

Damit den Hochschulen Handlungsspielräume verbleiben, müssen die Kürzungen deutlich reduziert werden. Wir wollen den Hochschulen helfen und die Kürzungen im Haushaltsjahr 2004 um 23 Millionen Euro und im Jahr 2005 um 26 Millionen Euro zurücknehmen. Damit Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, zustimmen können, werden wir im Haushalt eine Gegenfinanzierung aufbringen, die nicht den Kern Ihrer Koalitionsvereinbarung berührt. Die von uns vorgeschlagene Reduzierung der Kürzungen verschafft den

Hochschulen Luft, um bei wichtigen Berufungen verhandeln zu können und damit begonnene Profilbildungen weiter auszubauen.

Zweitens wird den Hochschulen ermöglicht, ihr Studienangebot aufrechtzuerhalten. Tausenden von studierwilligen jungen Talenten kann so in Niedersachsen eine Perspektive gegeben und Innovationspotenzial kann im Lande gehalten werden.

Drittens. Die Fachhochschulstandorte Nienburg und Buxtehude können gerettet werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur notwendig, die Kürzungen deutlich zurückzunehmen. Auch die Autonomie der Hochschulen muss erhalten bleiben. Die Hochschulen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Verantwortung zu übernehmen bereit sind und Reformen voranbringen können. Alle Hochschulen haben Maßnahmen vorgeschlagen, die Einsparungen ermöglichen, ohne dass Strukturen nachhaltig geschädigt werden. Diesen Nachweis sind Sie, Herr Minister, bis heute schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)