Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

(Beifall bei der SPD)

Meine verehrten Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, jetzt liegt es an Ihnen. Respektieren Sie endlich die Eigenverantwortung der Hochschulen! Geben Sie guten Argumenten eine Chance. Lassen Sie unsere Hochschulen, lassen Sie Buxtehude und Nienburg nicht im Regen stehen! Unterstützen Sie unseren Antrag!

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann, bitte schön!

(Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt wollt ihr das richtig inszenieren!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Eine Region kämpft“, so stand es auf der ersten Seite der Sonderausgabe des Buxtehuder Tageblattes vom 21. Oktober, die Ihnen allen zugegangen ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es tatsächlich. Die gesamte Elbe-Weser-Region kämpft für

den Erhalt der Buxtehuder Fachhochschule, die seit fast 130 Jahren erfolgreich Architekten und Bauingenieure ausbildet.

(Beifall bei der SPD)

Nicht nur die Professoren, die Angestellten und die Studierenden der Fachhochschule verstehen die Schließungspläne der Landesregierung nicht, Herr Minister Stratmann. Ich kenne wirklich niemanden, aber auch niemanden aus meiner Heimatstadt Buxtehude und Umgebung, der nicht hierüber den Kopf schüttelt.

Die Buxtehuder haben die Arbeit der Fachhochschule immer mit großem Interesse verfolgt. Sie wissen, dass ein neuer Studiengang „Bau- und Immobilienwirtschaft“ eingerichtet wurde und dass der Studiengang „Bauingenieurwesen dual“, der in Kooperation mit der Handwerkskammer LüneburgStade eingerichtet wurde, sehr gut angenommen wird und mit seiner ständigen Aktualisierung des Aus- und Weiterbildungsangebotes große Innovationskraft in unserer Region bewiesen hat.

(Beifall bei der SPD)

Gerade die Bauwirtschaft ist daher besonders empört und sieht durch die Schließung große negative Auswirkungen auf die Wirtschaft der gesamten Region. Das kann doch eigentlich auch ein Wirtschaftsminister nicht wollen. Ich würde ihn gern heute fragen, ob für ihn so die Stärkung des ländlichen Raumes aussieht.

(Thomas Oppermann [SPD]: Der ist im Krankenhaus!)

Meine Damen und Herren, viele fragen sich auch, worin bei einer Schließung der Fachhochschule Buxtehude wirklich der Spareffekt liegen soll. Es besteht kein Investitionsbedarf, die SPD-Landesregierung hatte noch 10 Millionen DM in einen Anbau investiert. Sie sollten auch nicht darauf hoffen, durch den Verkauf der Gebäude zu Geld zu kommen. Da muss ich Sie enttäuschen. Die Gebäude gehören der Stadt Buxtehude; so ist das vor vielen Jahren einmal vertraglich festgelegt worden.

Fakt ist auch, dass die Ausbildung in Buxtehude kostengünstig ist. Lediglich 4 015 Euro kostet ein Studierender das Land pro Jahr. Sie wissen, dass vergleichbare Studiengänge in Niedersachsen den Landeshaushalt deutlich mehr belasten.

Bei diesen Gegebenheiten, Herr Minister Stratmann, ist von einer Optimierung nun wirklich nichts zu erkennen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine faire Chance hat Buxtehude auch nicht gehabt. Die haben aber Sie, Herr Ministerpräsident Wulff, anlässlich Ihres Besuches in Buxtehude versprochen. Nein, es gab keine faire Chance. Drei Tage später hat das Kabinett sich für die Schließung ausgesprochen, ohne dass sich irgendjemand von der Regierung jemals noch einmal mit der Fachhochschule in Verbindung gesetzt hätte. Herr Ministerpräsident Wulff, ich empfinde das als Arroganz der Macht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

- Hören Sie doch einmal ruhig zu! - Aber, meine Damen und Herren, die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik der Buxtehuder Region geben ihren Kampf gegen die Schließung nicht auf. Sie wollen diese auf jeden Fall verhindern. Es gibt viele Ideen hierzu. Auf Initiative eines großen Bauunternehmers und der Sparkasse HarburgBuxtehude wurde jetzt eine große Spendensammlung für die Fachhochschule gestartet. Die Aktion läuft unter der Überschrift: Wir bewegen was. - Die ersten 400 000 Euro sind bereits gesichert, wobei - um Ihnen das gleich zu sagen - die Spenden erst eingezogen werden, wenn die Landesregierung ihre Schließungspläne zurücknimmt.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die SPD-Fraktion gegen die Schließung ist. Ich fordere Sie deshalb auf: Ändern Sie Ihr Konzept, nehmen Sie die Schließung zurück! - Ich habe in der Buxtehuder Zeitung fast jeden Tag lesen können, wie betroffen die Abgeordneten der CDU und der FDP aus unserer Region über die Schließung sind und dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dagegen kämpfen wollen. Sie können das heute tun. Sie können beweisen, dass das nicht nur Lippenbekenntnisse waren. Ich beantrage für die SPDFraktion sofortige namentliche Abstimmung. Stimmen Sie einfach unserem Antrag zu! - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank.

(Zuruf von der CDU)

- Zur Geschäftsordnung habe ich keine Wortmeldung gesehen. - Eine weitere Wortmeldung liegt mir vor von Frau Dr. Heinen-Kljajić.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Egal, welche Hochschule man zurzeit aufsucht: Überall sind Präsidien, Professoren und Studierende verärgert und reagieren mit Unverständnis und beklagen, dass die Sinnhaftigkeit der Kürzungsmaßnahmen absolut nicht nachvollziehbar sei. Tatsächlich enttarnen sich die Entscheidungsgrundlagen für das HOK mehr und mehr als fragwürdig. So wurde teilweise mit falschen Fakten argumentiert, die inzwischen zurückgenommen werden müssen. Etwa im Falle der Auslastungszahlen in Nienburg oder der Agrar- und Forststudiengänge in Göttingen oder im Falle der nachweislich falschen Auslegung von Empfehlungen des Wissenschaftsrates, wo die Mindestkriterien für Hochschulbauförderung bei Neugründungen selbstständiger Fachhochschulen ohne Not auf bereits bestehende Hochschulen übertragen werden, oder im Falle der Angabe falscher Prozentzahlen zum Gesamtvolumen der Kürzungen, um nur einige Beispiele zu nennen.

An anderer Stelle tauchen plötzlich, angeblich ganz unverhofft, 21,4 Millionen Euro an Bundeszuschüssen für den Hochschulbau auf, die man bis vor kurzem übersehen hatte - ein, wie ich finde, unglaublicher Vorgang. Oder, vorläufiger Höhepunkt einer Serie von Ungereimtheiten: Der Universität Göttingen, der Hochschule mit dem landesweit höchsten Renommee, wird von Minister Stratmann öffentlich Drittklassigkeit attestiert. Dort, wo es um Schließungen oder Streichungen von Fachbereichen geht, sind es ebenfalls nicht inhaltliche Begründungen, sondern kurzfristige Umsetzungsmöglichkeiten in der Personalpolitik, die Entscheidungsgrundlage sind. Jenseits von Begründungszusammenhängen laufen die Kürzungsvorgaben konträr zu allen Empfehlungen einschlägiger Expertengremien, die eine Steigerung der Anzahl der Hochschulabsolventen einfordern.

Die Ressource Wissen ist für einen Standort wie Deutschland der Schlüssel zu wirtschaftlichem Wachstum. Was macht die Landesregierung in

dieser Situation? - Sie baut mehrere tausend Studienplätze ab, obwohl allein schon demographisch, ohne jede Reformbestrebung im Bildungsbereich, mit einem Anstieg der Zahl von Studienanfängerinnen und –anfängern zu rechnen ist. Würde sich das HOK einer zukunftsorientierten Hochschulplanung verpflichtet fühlen, dann müsste die Zahl der Fachhochschulplätze - auch das ist übereinstimmende Empfehlung aller Experten, vom OECD bis zum Institut der deutschen Wirtschaft - dringend ausgebaut werden.

Was ist das Ergebnis des HOK? - Fachhochschulplätze werden abgebaut, mit Buxtehude und Nienburg werden ganze Standorte dichtgemacht. Auch hier scheint die Devise zu gelten: Guter Rat ist teuer, ihn ignorieren ist billiger. - Nur, liebe Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, was Sie da aufmachen, ist eine Milchmädchenrechnung;

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

denn Sie setzen die Zukunftsfähigkeit und das Renommee des Wissenschaftsstandortes und damit auch des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen aufs Spiel und behindern notwendige Reformen. Dabei wäre eine Strukturreform, die sich allerdings an einer inhaltlich begründeten Hochschulplanung ausrichten müsste und nicht an der Umsetzbarkeit einer vom Finanzminister vorgegebenen Einsparsumme, dringend nötig. Denn trotz knapper Kassen müssen wir die Qualität in Lehre und Forschung verbessern, müssen wir die durchschnittliche Studiendauer verkürzen und die Abbrecherquote senken, müssen wir insgesamt die Zahl der Hochschulabsolventen steigern und müssen wir den Vorsprung, den andere Bundesländer in der Forschung haben, dringend aufholen. Stattdessen wird das HOK die Studien- und Forschungsbedingungen in vielen Fällen aufgrund unzureichender Stellenausstattung der Fachbereiche oder infolge zwangsläufiger Verhängung von Wiederbesetzungssperren dramatisch verschlechtern. Das ist kein Optimierungskonzept, sondern Demontage des Hochschulstandortes Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir meinen allerdings auch nicht, dass den Hochschulen durch eine Reduzierung der Kürzungssumme, wie sie in dem SPD-Antrag vorgeschlagen wird, wirklich geholfen wäre. Denn auch eine hälftige Rücknahme der Kürzungen würde nicht verhindern können, dass deren Realisierung vor Ort

nur nach dem Prinzip der personalpolitischen Praktikabilität umgesetzt werden könnte. Die Flurschäden wären zugegebenermaßen abgeschwächt. Aber auch so käme es zu Fehlsteuerungen, die einer zielorientierten Hochschulplanung und zukunftsweisenden Strukturreform zuwiderlaufen.

Wir setzen stattdessen auf die leistungsbezogene Vergabe von Hochschulmitteln. Das würde sicherlich in der Konsequenz auch an der einen oder anderen Stelle dazu führen, dass Fachbereiche zur Disposition gestellt würden. Aber eine stärkere formelgebundene Mittelvergabe würde dazu führen, dass Eingriffe in die Struktur der Hochschullandschaft nach klar nachvollziehbaren Qualitätsund Effizienzkriterien geschehen würden.

Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Wir haben in unseren Anträgen zum Haushalt daher eine andere Schwerpunktsetzung vorgenommen und den Einspardruck vom Hochschulbereich komplett auf andere Bereiche umgelenkt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es bleibt dem Land zu wünschen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sich unseren Argumenten, vor allem aber auch den Argumenten der Hochschulen, nicht länger verschließen und doch noch einsehen, dass man Haushaltslöcher nicht mit Bildungslücken schließen kann, und diese Einsicht nicht nur in Ihrem Wahlkreis vor Ort zeigen, sondern auch hier im Landtag. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Hemme das Wort. Bitte schön!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die anderen haben auch nichts zu sagen! Das ver- stehe ich!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 150 Jahre Architektur und Bauingenieurwesen in Nienburg, dokumentiert durch meinen Anstecker, den ich seitdem trage, das ist nichts Gestriges, sondern sind 150 Jahre Qualität und Innovation in der Region.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

150 Jahre Qualität, das ist heute z. B. die Führung im bundesweiten - ich sage extra: bundesweiten Ranking, das ist die kürzeste Studiendauer weit unter dem Durchschnitt, das ist der Bildungsort als Eignungsmerkmal und als Qualitätsmerkmal bei Einstellungen, das ist die Führung bei der Verleihung der Preise des Baugewerbes für hervorragende Diplomarbeiten. Keine Hochschule hat so viele Preisträger wie die Außenstelle Nienburg. 150 Jahre Innovation, das ist heute der Studiengang „Bauen im Bestand“ - das gibt es nur in Nienburg -, das ist das Nienburger Modell, dessen Synergieeffekte die geforderten Einsparungen bringen, das ist eine Senkung der Professorenstelle ohne Minderung der Qualität. Innovation heute, das ist der neue Master-Studiengang „Baurecht und Bauökonomie“, der als Zielvereinbarung zwischen dem Ministerium und der Fachhochschule beschlossen worden ist. Dieser Studiengang wäre einmalig in der Bundesrepublik, wenn nicht sogar europaweit. Für diesen neuen Studiengang bringt die Region 1 Million Euro auf. Zehn Jahre lang werden 100 000 Euro jährlich zur Verfügung gestellt. Diese Stiftungsprofessur zeigt, wie wichtig die Bildungsstätte für die Region ist.

Es hat viele Behauptungen dazu gegeben, warum diese Außenstelle geschlossen werden sollte. Alle Behauptungen haben sich als unwahr erwiesen und sind konkret sachlich widerlegt worden. Herr Minister, ich möchte Sie deshalb ermuntern: Gucken Sie sozusagen auch einmal hinter die Behauptungen aus Ihrem eigenen Hause,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und hinterfragen Sie kritisch, ob wirklich alles, was gesagt wird, stimmt!

Das CDU-Wahlprogramm beinhaltete die Forderung nach einer Stärkung des ländlichen Raumes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es aber eine Stärkung des ländlichen Raumes, wenn den Kommunen vor Ort die Möglichkeit der kompetenten Beratung z. B. für Stadtplanung genommen wird? Ist es eine Stärkung des ländlichen Raumes, wenn eine Bildungsstätte von anerkannt hoher Qualität geschlossen wird? Ist es eine Stärkung des ländlichen Raumes, wenn der Wirtschaft mehr als 2 Millionen Euro jährlich entzogen werden?

Ich fordere die Landesregierung auf, die politische Leitlinie betreffend Stärkung des ländlichen Rau

mes wirklich konkret umzusetzen. Mit der Schließung der Außenstelle Nienburg schwächen Sie die Region. Damit handeln Sie konträr zu Ihren Versprechungen!