Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

(Unruhe)

Wir kommen zur Beratung, wenn es ein bisschen ruhiger geworden ist. - Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Harms. Frau Harms, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man dem Landwirtschaftsminister Heiner Ehlen und auch einigen Kollegen, die im Landwirtschaftsausschuss tätig sind - insbesondere den CDU-Kollegen -, glauben soll, dann gibt es ein gemeines deutsches Käfighuhn, das in der Regel ein glückliches Huhn ist. Es legt ab und zu ein Ei, und ansonsten genießt es in niedersächsischen und anderen Käfigen ein glückliches und sorgenfreies Leben. Ein Kommentator hat es vor kurzem auf die Formel gebracht: Um es mit Camus zu sagen, das Huhn muss man sich in Niedersachsen vorstellen als besonders glücklichen Menschen. Es ist wohl behütet, kennt keine Alltagssorgen, und eigentlich gibt es nur eine Gefahr - ich glaube, das war für die Kollegen der FDP geschrieben -: Die einzige Gefahr für das gemeine deutsche Käfighuhn ist die Freiheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach Jahrzehnten im Hühnerknast - wenn ich dem Kollegen Ehlen folge - lauern für dieses Huhn Gefahren, mit denen es einfach nicht mehr zurechtkommen kann: Fuchs und Habicht, Eifersucht von anderen Hühnern, Sonnenbrand, Milben und Dreck. Das deutsche Huhn ist nicht mehr in der Lage, außerhalb von Käfigen zu überleben. Aber, Kollege Ehlen, es naht die Rettung für das Huhn. Die TiHo hat mit Unterstützung durch Eierproduzenten ein interessantes Gutachten vorgelegt. Dieses Gutachten weist nach: Hühner außerhalb von Käfigen - das widerspricht allen Grundsätzen des Tierschutzes.

Meine Damen und Herren, das alles mag jetzt scherzhaft klingen, sollte es auch. Ich kann dieses Gutachten und die neue Linie des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums überhaupt nicht ernst nehmen.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Weil Sie es nicht gesehen haben! Weil Sie es gar nicht kennen!)

Ernst nehmen kann ich diese Linie nur unter dem Vorzeichen, dass Lobbyisten derzeit dabei sind, die Käfighaltung in Deutschland erneut schönzureden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, einer der größten Erfolge der Tierschutzbewegung in der Bundesrepublik Deutschland war für mich, dass das Verbot der Käfighaltung nach 30 Jahren Auseinandersetzung vor zwei Jahren endlich länder- und parteiübergreifend vereinbart worden ist. Dass diese Zustimmung jetzt zurückgenommen und dass dieser Rückschritt als Fortschritt für den Tierschutz verkauft wird, Herr Ehlen, ist zynisch. Die Studie, die unter Mitwirkung eben der Geflügelwirtschaft entstanden ist, können Sie ganz getrost in die Tonne treten. Das ist ein sehr durchsichtiges Manöver, das nicht dem Tierschutz dient.

(Zuruf von der CDU)

- Natürlich kenne ich diese Studie, Herr Kollege! In Ihrem Mittelpunkt stehen nicht der Tierschutz und das Huhn, sondern diese Studie und Sie mit Ihrer Politik vertreten einzig und allein die Interessen von Käfigherstellern und von Hühnerhaltern, die nicht kleine Hühnerhalter sind, sondern z. B. in Niedersachsen Millionen von Hennen halten. Ich glaube, dass es sehr gut war, dass die Tierschutzverbände gestern diese Aktion durchgeführt haben. Denn jetzt stellt sich nur eine Frage: Wollen Sie in Niedersachsen die Verantwortung dafür übernehmen, dass Hühner weiterhin gequält werden, oder wollen Sie das nicht? Darum geht es, meine Damen und Herren, und um nichts anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Oetjen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Harms, als allererstes Folgendes vorweg: Ich finde es unglaublich, wie Sie hier wissenschaftliche Ausarbeitungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Und der Geflügelwirtschaft!)

abqualifizieren. Unglaublich!

(Beifall bei der FDP - Rebecca Harms [GRÜNE]: Unterschlagen Sie nicht die Geflügelwirtschaft!)

Wir merken an dieser Stelle ja, dass die Änderung der Hühnerhaltungsverordnung momentan eine der strittigsten Debatten in der Agrarpolitik ist.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Seit neu- estem, Herr Kollege!)

Für die FDP-Fraktion stelle ich hier fest: Frau Bundesministerin Künast bringt mit ihrer Politik in Niedersachsen tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr, ohne jedoch die Situation von Hühnern zu verbessern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb fordere ich hier für die FDP-Fraktion eine grundlegende Kurskorrektur in der deutschen Agrarpolitik von Frau Künast.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Zurück zum Käfig!)

Hin zu mehr Marktwirtschaft. „Mehr Marktwirtschaft“ heißt für uns auch,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Mehr Kä- fige!)

dass wir unseren Bauern keine Knüppel zwischen die Beine werfen, sondern europäisches Recht 1 : 1 umsetzen,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Rebecca Harms [GRÜNE]: Das sind doch keine Bauern! Beleidigen Sie nicht die Bauern!)

damit wir in der Konkurrenzsituation zu unseren europäischen Mitbewerbern mithalten können. Das gilt, meine Damen und Herren, auch für die Hennenhaltung. Wenn diese Kurskorrektur nicht geschieht, Frau Harms, dann wird die ohnehin

schlechte Selbstversorgungsquote bei der Eierproduktion noch weiter heruntergehen, und dann werden wir in Zukunft auf Eierimporte aus Osteuropa angewiesen sein. Das ist doch die Tatsache, Frau Harms.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie wollen, dass Ihr Frühstücksei demnächst aus der Ukraine kommt, dann müssen Sie das sagen. Wir, meine Damen und Herren, wollen das nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Rebecca Harms [GRÜNE]: Wo kom- men denn die Knickeier her?)

Daher begrüße ich es, wenn sich die meisten Bundesländer - außer den rot-grün regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein; aber wen wundert das! - im Kern der Forderung nach einer weiteren Erforschung des ausgestalteten Käfigs angeschlossen haben. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Und der Geflügelindustrie! Warum sagen Sie das nicht? - Gegenruf von Friedhelm Biestmann [CDU]: Tierärztliche Hoch- schule!)

haben gezeigt: Die so genannten Appartements oder auch ausgestalteten Käfige verknüpfen Tierschutz, Frau Harms, und Wirtschaftlichkeit besser, als die alternativen Haltungsformen, insbesondere vorrangig unter Tierschutzgründen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin fest davon überzeugt, dass in den alternativen Haltungsformen, also in Freiland- und in Bodenhaltung, eben nicht die glücklicheren Hühner sitzen als in den Käfigen.

(Rebecca Harms [GRÜNE] lacht - Friedhelm Biestmann [CDU]: Das ist doch bewiesen! Das ist doch eindeu- tig!)

Das lässt sich auch sehr, sehr eindeutig festmachen. Gucken Sie sich das Federpicken an, den Kannibalismus und die Mortalitätsquoten in den alternativen Haltungsformen. Das sagt wohl alles, das spricht Bände.

Ein Wort zum Verbraucherverhalten: Wenn die Verbraucher in Niedersachsen tatsächlich Eier aus alternativen Haltungsformen wünschen, dann sollen sie diese kaufen. Ich bin fest davon überzeugt, wenn die Verbraucher dann tatsächlich diese Eier auch kaufen, werden sich die Bauern - das sind nämlich Unternehmer - auch auf dieses Verbraucherverhalten einstellen, und dann werden sich auch die alternativen Haltungsformen durchsetzen.

Aber ich sage hier: Lassen Sie uns den ausgestalteten Käfig weiterentwickeln und damit eine zukunftsfähige Hühnerhaltung und viele tausende Arbeitsplätze in Niedersachsen für die Zukunft sichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Herr Kollege Kethorn, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Harms - sie ist im Moment weg -,

(Oh! bei der CDU)

Politiker sind gewählt worden, sachgerechte Entscheidungen zu treffen.

(Zurufe von der CDU: Genau! - Re- becca Harms [GRÜNE] - auf ihren Platz zurückgekehrt -: Ich höre zu!)

„Sachgerechte Entscheidungen“ heißt für uns, heißt für mich,