Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

dass sie die Landwirte einteilt in vermeintlich gute, nämlich ökologisch produzierende, und vermeintlich böse, nämlich klassisch-herkömmlich produzierende Landwirte.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das ha- ben wir nie gemacht!)

Nein, wir sind uns einig, dass die klassische Aufgabe der Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion, gestärkt werden soll,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Es ist nur die Frage, was ein Lebensmittel ist!)

und wir sind uns genauso einig darin, dass die Qualitätssicherung als Element des Verbraucherschutzes gestärkt werden soll.

Bei uns, in unserem Land, werden künftig die wichtigen großen bedeutenden Städte genauso fair behandelt werden wie der ländliche Raum, und der ländliche Raum wird genauso fair behandelt werden wie die städtischen Ballungszentren.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden die Strukturpolitik für den ländlichen Raum ausweiten, und wir werden auch mit gutem Beispiel bei Standortentscheidungen vorangehen. Behörden, Teile von Behörden oder Funktionsbereiche sollen künftig vorrangig im strukturschwachen ländlichen Raum angesiedelt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, viele von uns aus dem ländlichen Raum haben gestern mit Begeisterung zur Kenntnis genommen, dass Sie wieder den Radwegebau an Landesstraßen realisieren wollen.

(Starker Beifall und Bravo-Rufe bei der CDU - Lachen bei der SPD - Sig- mar Gabriel [SPD]: Ich lache mich kaputt!)

Die Union steht zusammen mit der FDP auch für eine neue Umweltpolitik in Niedersachsen. Wir wollen eine Umweltpolitik mit und nicht gegen die Menschen machen. Wir wollen Natur- und Landschaftsschutz gemeinsam mit den Bürgern verwirklichen, und wir wollen vor allem die besondere Rolle des Vertragsnaturschutzes wieder vorantreiben. Wir werden die rechtlichen Möglichkeiten dafür schaffen, dass die erforderlichen Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen für Baumaßnahmen auch durch finanzielle Beiträge zugunsten von Naturund Umweltschutz realisiert werden können. Wir wollen zusammen mit Sachsen-Anhalt den Nationalpark Harz auf den Weg bringen,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist eine gute Idee!)

erneuerbare Energien weiterentwickeln und fördern, Küstenschutz und Hochwasserschutz deutlich verbessern und Nordsee sowie Küstenbereiche effektiver vor den Auswirkungen von Schiffsunfällen schützen.

Schließlich wollen wir eine Sozialpolitik machen, eine echte Sozialpolitik mit Weitblick. In der Landespolitik gehört unsere Solidarität den wirklich Schwachen in der Gesellschaft; die haben es nämlich am dringendsten nötig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen mit Frau Dr. Ursula von der Leyen gemeinsam den Medizinstandort Niedersachsen unter dem Motto „Gesundheitsland Niedersachsen“ stärken, auch im Hinblick auf die darin liegenden Wachstums- und Arbeitsplatzpotenziale, und wir wollen im Bereich der Pflege unnötige Bürokratie abbauen, um wieder mehr Zeit für Zuwendung zu schaffen. Verehrte Frau Trauernicht, es tut mir Leid: Ihr Landespflegegesetz ist und bleibt ein bürokratisches Monstrum.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: David, das musste mal gesagt wer- den!)

- Das musste einmal gesagt werden. Aber das soll auch meine einzige Kritik an ihrer Politik sein. Das habe ich versprochen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen eine Imagecampagne für die Pflege ins Leben rufen, und wir wollen uns vor allem der Krankenhausversorgung, der Akutversorgung in der Fläche widmen.

Schließlich - das wird uns von der Politik unter Sigmar Gabriel unterscheiden - werden wir im Bundesrat die Interessen des Landes Niedersachsen vor die Interessen der Partei stellen. Wir nehmen den Wählerauftrag ernst, nicht nur auf der Landes-, sondern auch auf der Bundesebene.

(Heinrich Aller [SPD]: Gehen Sie da lieber nicht hin! Sie werden da nicht ernst genommen!)

Niedersachsen wird mit seinen sechs Stimmen im Bundesrat eine kraftvolle Rolle spielen, und wir werden uns in viele Bereiche engagiert einbringen.

Aber eine Entscheidung steht schon jetzt fest. Wie man angesichts der dramatischen Lage der Wirtschaft, wie man angesichts der dramatischen Lage der Konjunktur in Deutschland als Rot-Grün in Berlin eine Liste mit 48 Steuer- und Abgabenerhöhungen vorlegen kann, ist mir unbegreiflich. Wir werden alle Steuererhöhungen im Bundesrat konsequent ablehnen. Sie sind das völlig falsche Signal in dieser Zeit!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heinrich Aller [SPD]: Sa- gen Sie das noch einmal für das Pro- tokoll! Das haben Sie nämlich vorher nicht gesagt!)

Wir als Niedersachsen werden im Bundesrat Werbung für einen dringend notwendigen grundlegenden Richtungsentscheid in Deutschland machen für mehr Wettbewerb, für mehr Wachstum, für eine Öffnung des Arbeitsmarktes und für den Umbau des Sozialstaates. Viele niedersächsische Bundesratsinitiativen werden von der Regierung Christian Wulff auf den Weg gebracht werden. Ich erinnere hier an unsere Überlegungen zur Schaffung betrieblicher Bündnisse für Arbeit. Wir wollen das Arbeitsrecht so flexibilisieren, dass es kein Hemmschuh für die Einstellung zusätzlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Wir wollen die Rolle der Kommunen bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt stärken. Wir wollen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe voranbringen. Ich erinnere an den Vorstoß von Christian Wulff, den Lohnanteil von Handwerkerrechnungen mit dem halben Mehrwertsteuersatz zu belegen. Außerdem werden wir Druck machen bei der Reform der Krankenversicherung, die u. a. auf mehr Eigenverantwortung, mehr Wahlmöglichkeiten für die Patienten und mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen setzt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Das Ziel dieser neuen bürgerlichen Mehrheit hier im Leineschloss ist es, Niedersachsen wieder voranzubringen. Wir wollen damit einen Beitrag dazu leisten, Deutschland innovativ und konstruktiv zu modernisieren. Wir stehen für ein modernes, ein wirtschaftlich starkes und sozial gerechtes Land. Diese CDU-Landtagsfraktion mit 91 direkt gewählten Abgeordneten wird stets an der Seite der Landesregierung Tempo machen - Tempo machen, wenn es um die Sanierung des Haushaltes geht, Tempo machen, wenn es um die Ankurbelung der Wirtschaft durch weniger Auflagen und weniger Bürokratie geht, wenn es um die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen geht, wenn es um mehr und besseren Unterricht an den Schulen geht und wenn es um mehr Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung in diesem Land geht.

Ja, wir wollen weniger Staat in diesem Land! Wir wollen den Niedersachsen, den Bürgerinnen und Bürgern ein Stück ihres Landes wieder zurückge

ben. Wir wollen Freiräume schaffen für Eigenverantwortung, für ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Außerdem wollen wir das Ansehen Niedersachsens durch eine kluge Politik im Bundesrat stärken - national, aber auch international.

(Heinrich Aller [SPD]: Auch noch?)

Die Marke Niedersachsen, die Marke Lower Saxony, die Marke Bas-Saxe soll auch über die Grenzen Deutschlands hinaus als interessanter Standort zur Geltung kommen. Jeder hat dazu seinen Beitrag zu leisten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Meinst du, die Schotten kommen zu Besuch? Das sind doch alles Geizhälse!)

- Ich habe in den letzten Tagen für ein wenig Werbung für unser schönes Bundesland in Schottland gesorgt. Andere können mir das gerne nachmachen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen gemeinsam mit der neuen Landesregierung das Niedersachsen-Bewusstsein schärfen. Wir werden die regionalen Besonderheiten, die lokalen Besonderheiten in unserem Land pflegen, aber gleichzeitig auch an einem Niedersachsen-Bewusstsein arbeiten, so wie es Wilfried Hasselmann in den 70er- und 80er-Jahren maßgeblich gemacht hat - Wilfried Hasselmann, der Erfinder der erfolgreichen Tage der Niedersachsen.

Wir werden unsere Politik mit großem Sachverstand gestalten und dabei in einen fruchtbaren Gedankenaustausch mit den Bürgern eintreten. Aber wir wollen vor allen Dingen schnell und präzise handeln. Wir haben in diesem Land kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb machen wir als die Mehrheit in diesem Hause - 106 Abgeordnete - den 77 anderen Abgeordneten hier im Hause das Angebot zu einer konstruktiven Zusammenarbeit. Für konstruktive Vorschläge sind wir auch aus den Reihen der Opposition dankbar. Wir werden sie nicht von vornherein

ablehnen, nur weil sie von der SPD oder von den Grünen kommen.

Ich schließe mit bekannten Worten der letzten Monate: An die Arbeit, damit es wieder besser wird! Viel Erfolg, Christian Wulff! Viel Erfolg, Walter Hirche! Viel Erfolg allen anderen Mitgliedern der Landesregierung! - Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender, nicht enden wol- lender Beifall bei der CDU und bei der FDP – Die Abgeordneten von CDU und FDP erheben sich)

Ich erteile nunmehr das Wort der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Frau Harms.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, an dieser Stelle noch einmal alle Achtung. Ihr Ergebnis von vor gut vier Wochen ist wirklich ein furioses Ergebnis gewesen. Ich muss Ihnen sagen, ich habe seit dem 2. Februar, seit dem Wahltag, dieser fälligen Regierungserklärung mit ausgesprochen gemischten Gefühlen entgegengesehen.

Da ich Sie seit neun Jahren kenne und Ihren Enthusiasmus nach dem 2. Februar auch beobachten konnte, habe ich eine inhaltlich starke Rede erwartet, eine Stunde der großen neuen Ansagen einer vom Erfolg beflügelten Regierung. Erlebt habe ich etwas ganz anderes. Ihre gestrige Regierungserklärung, die vom Kollegen McAllister jetzt so unglaublich gelobt wurde,

(Friedrich Kethorn [CDU]: Zu Recht!)

war für mich in vielen Teilen eher von gestern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)