„Das Kreuz ist ein Symbol aufgeklärter Menschen. Es steht für Nächstenliebe, Freiheit, Menschlichkeit und Gleichheit.“
Meine Damen und Herren, dann geht es richtig los. Ich sage Ihnen, was Sie machen: Sie enthistorisieren, Sie heroisieren das Christentum und degradieren den islamischen Glauben in seiner Gänze zu einer Unterabteilung des politischen Fundamentalismus.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Lothar Koch [CDU]: Pfui!)
Nein, ich möchte zu Ende vortragen. - Meine Damen und Herren, wir lehnen politischen und religiösen Fundamentalismus strikt ab, egal, ob er, was es geben soll, im christlichen oder islamischen Gewande daherkommt.
Wir begreifen Ihre Argumentationen als Polarisierungs- und Ausgrenzungsstrategie. Dass Sie bei der Gelegenheit auch noch das Abendland bemühen, lässt für Gesinnungsschnüffeleien jedweder Art Tür und Tor offen. Damit dokumentieren Sie Ihre Geisteshaltung. Für mich drängt sich der Eindruck auf, dass Sie die Kopftuchdiskussion als willkommenes Vehikel nutzen wollen, um eine Neuauflage der unsäglichen Leitkulturdiskussion voranzutreiben.
Ihr Versuch, die Niedersächsische Verfassung als Aufhänger für die Privilegierung christlicher und jüdischer Religionsgemeinschaften zu missbrauchen, ist leicht zu durchschauen. Er ist gefährlich und falsch. Als Kronzeugen empfehle ich Ihnen Herrn Wulff. Er hat hier in einer Debatte zur Verfassung im Jahre 1995 gesagt:
„Eine Verfassung, ebenso wie politisches Handeln, kann sich berufen auf die Verantwortung vor Gott und Menschen, wenn Gott hierbei nicht nur verstanden wird als christlicher Gott, sondern als der Begriff für die letzte Bindung des Menschen an Werte, die über ihn und sein konkretes Leben hinausweisen.“
„Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein.“
Ich will Ihnen im Übrigen sagen: In meinem Wahlkreis haben die Christen keine Mehrheit in der Bevölkerung. Nur damit wir wissen, worüber wir hier reden.
Daraus resultierende Einschränkungen der Religionsfreiheit können - so meinen wir - einen konkreten Beitrag zum Schulfrieden leisten. Wir sind bereit, eine landesgesetzliche Regelung mitzutragen, wenn die Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften dabei gewährleistet ist. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege McAllister, als ich Ihnen zugehört habe, habe ich mich an die Zeit erinnert, in der ich noch 20 oder 25 Jahre alt war.
(Bernd Althusmann [CDU]: Ist das jetzt lange her oder nicht? - Karl- Heinz Klare [CDU]: Das ist noch nicht so lange her!)
Das ist schon lange her, aber damals war die Welt für mich ähnlich einfach wie für Sie heute. Gut und Böse, Links und Rechts - das war alles sehr leicht zu unterscheiden, so wie Sie heute Christentum und Islam in Gut und Böse unterscheiden. Ich finde, man kann es Ihnen nachsehen, da das viel
Meine Damen und Herren, die Landtagsfraktion der Grünen lehnt die Regelungen, wie Sie sie zum Kopftuch ins Gesetz hineinschreiben wollen, ausdrücklich auch wegen der Ungleichbehandlung der Religionen, ab. Wir halten dieses Gesetz für nicht verfassungskonform und befürchten, dass Sie mit genau diesen Regelungen nichts anderes erreichen als die Fortsetzung des gerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Streites um diese Frage.
Es gibt überhaupt keinen Druck in Niedersachsen, so etwas zu regeln. Wir haben in Niedersachsen bisher eine Frau, die gewünscht hat, mit einem Kopftuch zu unterrichten. Diese Frau ist in Soltau Lehrerin gewesen. Ihre Kollegen und die Elternschaft ihrer Schüler haben damals zu Protesten aufgerufen, als sie wegen ihres Kopftuches aus der Schule scheiden musste. Das zur Meinung derjenigen, die bisher mit Lehrerinnen, die in Niedersachsen mit Kopftuch unterrichtet haben, zu tun hatten. Es gibt mangels Fällen keinen Bedarf für eine gesetzliche Regelung. Das sollte Ihnen die Zeit und die Gelassenheit für einen ausführlichen Beratungsgang und eine Anhörung mindestens in Niedersachsen geben.
Die Debatte - das ist öffentlich bekannt - wird in meiner Fraktion durchaus kontrovers geführt. Ich bin aber der Meinung, dass das eine Kontroverse ist, die man zulassen sollte. Ich muss Sie nicht darauf aufmerksam machen, dass der Aufruf gegen ein Verbot, den die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marie-Luise Beck geschrieben hat, zuerst u. a. von Barbara John aus Berlin und Rita Süssmuth aus Niedersachsen unterzeichnet worden ist und dass sich auch Herr Remmers gegen Ihre Regelung ausgesprochen hat. Das rettet ein bisschen das Emsland, was Toleranz angeht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte diese Kontroverse für notwendig. Ich erneuere deshalb noch einmal die Forderung aus der Geschäftsordnungsdebatte von heute Morgen: Führen Sie eine Anhörung durch. Geben Sie denjenigen, die sich mit Ihren Regelungen oder mit dem
Kopftuch oder mit religiösen Symbolen auseinandergesetzt haben, eine Chance, dazu vorzutragen. Das Verbot ist durchaus auch in den Kirchen sehr umstritten. Kardinal Ratzinger ist nicht gerade ein Linker in der Republik. Er hat ähnliche Bedenken angemeldet wie Maria Jepsen. Ich meine, wir sollten nicht allein auf Frau Käßmann schauen; wir sollten auch andere hören.
Meine Damen und Herren, noch eine Einlassung in der Sache, die mir am Herzen liegt. Ich halte es für ausgesprochen notwendig, dass man sich mit den Gefahren des Islamismus auseinandersetzt. Man kommt in der Sache aber nicht weiter, wenn man so schlicht wie Sie, Herr McAllister, den Islam und den Islamismus gleichsetzt. Ich meine sogar, dass man durch diese Gleichsetzung die Konfrontation und die Gefahren verschärft.
Ich glaube auch, dass es in der Bundesrepublik ein Problem für Mädchen gibt, die zum Islam gehören und bei uns zur Schule gehen. Wir können aber den Problemen, die diese Mädchen in ihrer Familie oder unter den Mitschülerinnen haben, überhaupt nicht gerecht werden, indem wir das Symbol auf dem Kopf einer Lehrerin angehen. Die ganzen Probleme, die in den letzten Monaten in der Kopftuchdebatte angesprochen worden sind, müssen anders bearbeitet werden. Die Politik darf sich nicht hinter einer symbolisch geführten Auseinandersetzung verstecken. Da gebe ich Herrn Jüttner ausdrücklich Recht. Alles das, was hierzu von den beiden Regierungsfraktionen und aus der Regierung verlautbart worden ist, ist ganz schlichter mieser Populismus.
Gute Nacht Abendland! Wenn wir tatsächlich Demokratie, Verfassung und die darin verankerten Rechte verteidigen wollen - ich bin ausdrücklich dafür -, dann tun wir das am besten, indem wir diese Verfassung respektieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jüttner, es ist in der Tat so. Wir unterhalten uns wirklich nicht nur über ein Stück Stoff. Ich halte das für eine Unverschämtheit, wenn Sie unsere ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema zum Stammtischgerede degradieren.
Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist schlicht und einfach der, dass wir die Signale aus der Bevölkerung, von den Menschen dieses Landes einfach sensibler und ernsthafter aufnehmen, als Sie das tun.