Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

sorgen Sie dafür, dass die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden, und kümmern Sie sich um eine Entbürokratisierung auch in unserem Arbeitsrecht!

Das wären sinnvolle Maßnahmen, um die Schwarzarbeit wirklich zu bekämpfen. Warum sollte es nicht möglich sein, dass Privathaushalte die Beschäftigung von Angestellten in ihrem Bereich auch als Kosten absetzen könnten? Das würde letztlich dazu führen, dass die Einnahmen derjenigen, die arbeiten, tatsächlich steigen. Nur so können Sie Schwarzarbeit bekämpfen - nicht durch Verbote. Das zeigt aber Ihre Geisteshaltung an dieser Stelle.

Ich kann Ihnen nur sagen: In der heutigen Zeit, bei Ihrer Bundesregierung, bei dieser Steuer- und Abgabenlast ist Schwarzarbeit - auch wenn ich das nicht bagatellisieren will - fast schon so etwas wie Notwehr.

(Walter Meinhold [SPD]: Unglaublich, was Sie da sagen!)

Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, diese Menschen zu kriminalisieren, und fangen Sie endlich an mit einer vernünftigen Deregulierung! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Oppermann, bitte schön!

Schwarzarbeit als Notwehr gegen diese Bundesregierung, Herr Präsident, meine Damen und Herren, das hat Herr Rösler eben gesagt. Die FDP als Schutzpatronin der Schwarzarbeiter und Steuerhinterzieher!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Rösler, mal im Ernst: Gibt es Ihnen nicht zu denken, dass das ganz erhebliche Privatvermögen in Millionenhöhe Ihres verstorbenen stellvertretenden Bundesvorsitzenden laut einer Zeitungsmeldung vor wenigen Tagen fast komplett an den Fiskus gegangen ist? Haben Sie darüber einmal ein bisschen nachgedacht, bevor Sie hier davon gesprochen haben, dass es Notwehr sei, Beschäftigungsverhältnisse nicht anzumelden und Schwarzarbeitverhältnisse zuzulassen? Ist das, bei einer solchen Vergangenheit der FDP, Ihr Rechtsstaatsverständnis? Ich bitte Sie, darüber mal ein bisschen nachzudenken.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Erklären Sie uns doch einmal den Zusammen- hang!)

Meine Damen und Herren, Schwarzarbeit ist ein Problem in Deutschland. Wir brauchen Sozialreformen - darüber sind wir uns einig -, damit Arbeit wieder attraktiver und bezahlbar wird. Wir haben eine Schattenwirtschaft, die in der Tat boomt; da gebe ich Ihnen Recht, Herr Rösler. Aber in keiner Zeit ist die Schwarzarbeit, ist die Schattenwirtschaft in Deutschland so rasant angestiegen wie in der Regierungszeit von Helmut Kohl und der FDP:

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

von 10,5 % des Bruttoinlandsproduktes auf 14 %. Wissen Sie, warum das passiert ist? Weil Sie und Helmut Kohl damals die Finanzierung der deut

schen Einheit durch Plünderung der Sozialkassen realisiert haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Helmut und ich ganz persönlich!)

Deshalb haben wir eine Schattenwirtschaft!

Trotzdem, meine Damen und Herren, sind auch wir der Meinung: Das Kriminalstrafrecht ist ein zu scharfes Schwert. Wir sollten nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Gleichwohl denke ich, dass es für jeden Haushalt zumutbar ist, einen Haushaltsjob als Minijob anzumelden. Dazu braucht man ein Formular, das man bei der Bundesknappschaft einreicht. 13 % der Bezahlung werden pauschal abgeführt. Herr Rösler, dieses Formular kann man, wenn man will, auch auf die Größe eines Bierdeckels formatieren.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da kennen Sie sich aus!)

Sie können das Beschäftigungsverhältnis der Bundesknappschaft also im Prinzip auf einem Bierdeckel melden. Sie müssen auf 100 Euro, die Sie einer Haushaltshilfe zahlen, 13 Euro abführen. Das ist ein Minimum an Bürokratie, meine Damen und Herren; einfacher geht es wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn diese Debatte vielleicht auch etwas zugespitzt war, aber in einer Hinsicht hat sie geholfen: Sie hat nämlich aufklärende Wirkung gehabt. Ich habe erfahren, dass bei der Bundesknappschaft in den letzten Tagen das Telefon ohne Pause geklingelt hat, dass täglich 25 000 Anrufe von Leuten eingegangen sind, die sich informieren wollen. Das Formular für die Anmeldung von Minijobs bis 400 Euro ist in den ersten zehn Tagen dieses Jahres 67 000-mal aus dem Computer heruntergeladen worden - früher waren es nur 11 000-mal im Monat.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Aber Ihre Belehrungen, Herr Rösler, brauchen wir dabei nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Sie haben die Leute verunsichert! Das ist der Punkt!)

Frau Kollegin Mundlos hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Rot-grüne Widersprüche zur Schwarzarbeit“, so hat gestern die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Thema überschrieben. Das Ganze gipfelte dann in der Zuspitzung:

„Eine Regierung, die nicht weiß, ob und wie sie die Rechtslage ändern will, hat ein Problem. Eine Regierung aber, die nicht einmal weiß, welche Gesetze gegenwärtig gelten, ist nur schwer zu ertragen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das ist das, was wir in den letzten Wochen hier erlebt haben: ein unglaubliches Verwirrspiel, eine unglaubliche Verunsicherung - mal zwei Schläge vorgerudert, dann wieder drei zurück.

Das Ganze gipfelt darin, dass plötzlich seit zwei Tagen gesagt wird, die Haushaltshilfen seien ja gar nicht gemeint gewesen, man habe nur einmal sehen wollen, wie das mit der Schwarzarbeit im Taxi- und Reisegewerbe aussehe. Da wird also differenziert. Aber Schwarzarbeit ist Schwarzarbeit, und Steuerhinterziehung schadet uns allen. Dagegen muss man in der Tat etwas tun.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Thomas Oppermann [SPD]: Bei Herrn Rösler klang das anders! Da war das „Notwehr“!)

Aber wo liegt denn das Problem? Das Problem, Herr Oppermann, liegt doch darin, dass am Ende bei den Leuten, die versuchen, etwas zu leisten, immer weniger im Portmonee ist. Ich will Ihnen einmal ein ganz konkretes Beispiel nennen. Wenn eine Kraft 500 Euro brutto hat und zu Weihnachten 100 Euro netto Weihnachtsgeld bekommen soll, muss der Arbeitgeber dafür 260 Euro einsetzen. Und weil das Ganze ja aus zu versteuerndem Geld bezahlt wird, muss der private Haushalt dafür zuvor ca. 400 Euro verdient haben. Das heißt, von 400 Euro bleiben am Ende 100 Euro übrig.

Und das ist auch das Problem, das wir hier haben: Es versackt zu viel Geld zwischendurch, und das wiederum führt dazu, dass die Leute darüber nachdenken, wie sie das anders regeln können. Die Unfallversicherung für eine Haushaltshilfe - in Braunschweig zurzeit 25 Euro für ein Jahr - ist dabei weiß Gott nicht das Problem.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: 2,9 Millio- nen Haushalte!)

Es sind drei Probleme, die gelöst werden müssen:

Erstens. Die Steuer- und Abgabenlasten sind zu hoch. Das muss in Deregulierung münden.

Zweitens. Die Möglichkeiten für Sozialhilfe- und Arbeitslosengeldempfänger, dazu zu verdienen, sind immer noch nicht hinreichend gegeben.

Drittens. Private Haushalte müssen anders gestellt werden. Wenn dort Arbeitsplätze mit regulären Lohnzahlungen geschaffen werden und wenn man auch noch die Steuern und die Abgaben entrichtet, dann muss das alles auch steuerlich geltend gemacht werden können. Das muss auf eine andere Basis gestellt werden,

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das kann man doch!)

sonst bleibt am Ende nämlich nur das übrig, was die Braunschweiger Zeitung sagt:

„Solange sich hier nichts tut, wird das illegale Putzen trotz aller Drohungen wohl bleiben, was es jetzt schon ist: ein unsauberes Geschäft.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hoffe nur, dass der Bundeskanzler diese Thematik nicht auch noch zur Chefsache macht, denn sonst wird es mir um die armen Haushaltshilfen Angst und Bange.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Briese hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten gehofft, dass die FDP dieses Thema hochzieht, und wir sind auch nicht ent

täuscht worden. Ich finde, es ist schon ein starkes Stück, was uns die FDP hier heute präsentiert.

Sie sehen die Gefahr der Privatsphäre bedroht, und Sie bekunden auf einmal Ihre Sorge um die Kriminalisierung niedersächsischer Putzfrauen und das, nachdem Sie gemeinsam mit der CDU hier eine ganze Batterie von Sicherheitsgesetzen durch den Landtag gebracht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zur Erinnerung, meine liebe liberale Partei: ein sehr repressives Polizeigesetz mit ausufernder Telekommunikationsüberwachung, eine nachträgliche Sicherungsverwahrung hart am Rande der Verfassungskonformität, heute die Verabschiedung eines Verfassungsschutzgesetzes, das wahrscheinlich auch die Verwanzung weiterer Wohnräume ermöglicht, und eine ausufernde Videoüberwachung.

Ihre Sorge um Privatsphäre und Kriminalisierung von niedersächsischen Bürgerinnen und Bürgern kommt also reichlich spät, und ehrlich gesagt: Ganz lauter wirkt sie auch nicht.