Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Vielen Dank. – Der Kollege Bode hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat mich ein wenig an die Phantomdiskussion über Frauenbeauftragte heute Morgen erinnert. Es ist so - Sie können auch darauf wetten, dass das so bleibt -, dass diese Koalition von CDU und FDP das, was sie macht, gründlich vorbereitet und dann aber auch schnell macht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Warten Sie doch mit Ihren Anträgen in aller Ruhe ab – zu welchem Thema auch immer -, bis wir etwas vorgelegt haben oder gesagt haben, in welche konkrete Richtung wir denken, und fangen Sie nicht an, Diskussionen vom Zaun zu brechen, die hier gar nicht erforderlich sind.

Denn eines ist Fakt - darauf möchte ich für die FDP-Fraktion einen Schwerpunkt legen -: Wir haben ein neues Schulgesetz verabschiedet. Dieses Schulgesetz wird die Schulwege verkürzen und nicht verlängern, weil wir nämlich flexible Möglichkeiten eingebaut haben. Das ist in Niedersachsen ein Fortschritt in diesem Schuljahr.

Wenn wir nun aber in allen Bereichen darüber nachdenken, wie wir die Kommunen unterstützen können, so tun wir dies nicht, weil wir Spaß daran haben, Vorschriften zu streichen, sondern weil wir insbesondere durch die Finanzlage dazu gezwungen sind.

Wenn wir einer Kommune eine Vorschrift machen, dann müssen wir auch das Geld dafür zur Verfügung stellen, oder aber wir müssen es der Kommune freistellen, wie sie diese Aufgabe ausführen möchte. Ich kann daran nichts Schlimmes erkennen. Auch Sie sagen ja immer: Das Konnexitätsprinzip muss in allen Bereichen gelten.

Wenn ich dann allerdings die Presseberichte über Äußerungen der SPD-Fraktion oder der Grünen zu den Fragen der Verwaltungsreform lese, wundert es mich doch ein wenig, mit welcher Geisteshaltung Sie trotz der Erklärungen zur Konnexität ein Thema angehen, wenn wir tatsächlich etwas kommunalisieren. Ich hoffe, es stimmt nicht, dass Sie der Meinung sind, dann hielte Korruption Einzug, wie Sie es im Bereich der Sozialverwaltung befürchtet haben, oder Schüler würden in Viehtransporten zur Schule gefahren werden. Wir sind nicht der Meinung, dass unsere kommunalen Mandatsträger und die kommunalen Verwaltungen Vieh

transporte zur Schule einsetzen werden, bloß weil wir die Wahrnehmung von Aufgaben freigeben.

(Zustimmung bei der FDP und von Karl-Heinz Klare [CDU])

In der ganzen Diskussion sollte man vielleicht auch akzeptieren, dass es vor Ort durchaus unterschiedliche Lösungen geben kann, weil es auch unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Nicht überall ist ein Radweg an einer Bundesstraße, aber da, wo wir mit viel Geld einen Radweg gebaut haben, kann man auch verlangen, dass dieser Radweg benutzt wird.

Es gibt die unterschiedlichsten Modelle, etwa generell den kostenlosen Bustransport zu behalten oder kostenloser Bustransport in Ausnahmefällen, sonst Fahrrad oder Fußweg innerhalb gewisser Mindestgrenzen. Möglich wäre durchaus auch der kostenlose Bustransport nur zur nächstgelegenen Schule der jeweiligen Schulform unabhängig von den Bildungsinhalten. Es gibt auch den Vorschlag, Eigenanteile für die Eltern einzuführen. Ich kann Ihnen sagen: Die Eltern diskutieren darüber sehr viel sachlicher, als Sie hier den Anschein erwecken.

Wir haben beispielsweise im Landkreis Celle die Mindestgrenzen der Schülerbeförderung geändert, und sehr viele Eltern - Herr Meyer, Sie werden es bestätigen können - haben sich mit Unterschriftenlisten etc. für eine andere Variante eingesetzt. Sie haben durchaus akzeptiert, dass es Handlungsbedarf gibt, aber sie haben die Frage gestellt: Wo ist eigentlich die Gerechtigkeit, wenn wir, die wir in derselben Straße 50 m näher an der Schule wohnen, den Bustransport voll bezahlen müssen, während die anderen, die 50 m weiter von der Schule entfernt wohnen, gar nichts bezahlen müssen? Diese Frage muss man hierbei auch berücksichtigen.

Deshalb sollten wir in aller Ruhe und Sachlichkeit über die Frage diskutieren, ob wir etwas ändern müssen. Wenn wir etwas ändern müssen, sollten wir darüber sprechen, wie wir es ändern müssen. Wir sollten jetzt aber nicht aufgeregt Phantomdiskussionen führen. Ich empfehle Ihnen bei der Schülerbeförderung genauso wie bei anderen Themen: Diskutieren Sie das zunächst einmal sachlich in Ihrer Fraktion und mit den Betroffenen. Wir machen das auch. Dann, wenn wir zu einem Ergebnis gekommen sind, werden wir Sie informieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. Der Herr Kollege Voigtländer möchte seine Restzeit noch verbrauchen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bode, es geht nicht um eine Phantomdiskussion, sondern letzten Endes um die Frage: Sollen in Zukunft die Eltern im Rahmen der Schülerbeförderung einen Eigenanteil erbringen oder nicht? Mit einer Phantomdiskussion hat das nichts zu tun.

(Ursula Körtner [CDU]: Nein!)

Herr Kollege Klare, es stellt sich hier nicht die Frage, ob wir zuständig sind oder nicht, sondern welche reale Änderung es anschließend gibt. Dass Sie als altgedienter Parlamentarier nun schon die Schwierigkeit haben zu erkennen, ob wir in der ersten oder zweiten Beratung sind, habe ich bei Ihnen auch noch nicht erlebt.

(Ursula Körtner [CDU]: Das ist der hohe Arbeitsanfall!)

Das spricht im Übrigen für die Beratungsqualität bei diesem Thema. Sie wollen sich dazu nicht äußern. Gleichzeitig sagen Sie beide - sowohl der Kultusminister als auch Sie selbst, Herr Klare -: Wir wollen § 114 nicht ändern. - Wenn Sie ihn nicht ändern, dann bleibt es bei der Schülerbeförderung in der Qualität, wie sie ist. Das sollte auch der Fall sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Kultusminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Voigtländer, eigentlich sind wir uns in der Sache im Prinzip einig. Meine Aufgabe ist es auch nicht, die strategische Aufstellung der Opposition in Bezug auf bestimmte Themen zu kommentieren. Aber eines fällt mir schon auf - eben sprach jemand von einem Phantomthema -: Wahrscheinlich

haben Sie keine eigenen Themen oder keine eigene Linie, um Politik zu gestalten.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Nur Phantomthemen!)

Offenbar ist es so: Man hört aus der Gerüchteküche irgendetwas über Kitas, und schon wird daraus eine Riesenaktion gemacht. Man hört etwas von Frauenbeauftragten - das war ja heute Morgen das Thema -: Nichts ist an dem, aber eine Riesenaktion wird dazu im Lande gestartet.

(Zuruf von Silva Seeler [SPD])

Vielleicht ist das ein Versuch, politisch ins Geschäft zu kommen, Frau Kollegin. Bei dem Thema Schülertransport denkt man wahrscheinlich auch: Ein Vorstoß lohnt eventuell, vielleicht kommen wir so ins politische Geschäft. - Das müssen Sie selbst klären.

(Ulrich Biel [SPD]: Wie war das denn vor eineinhalb Jahren, Herr Buse- mann? - Jacques Voigtländer [SPD]: Haben Sie Ihre Zahlenspielerei ver- gessen?)

In der Sache sage ich Ihnen jedenfalls - dann sind auch Sie, meine Damen und Herren Kollegen auf der linken Seite des Hauses, wieder mit mir zufrieden -: Einstweilen bleibt der § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes so, wie er ist.

(Beifall bei der CDU - Jacques Voigt- länder [SPD]: Können Sie eine Zeit nennen?)

- Soll ich mich bis 2085 festlegen, oder was wollen Sie hören?

(Jacques Voigtländer [SPD]: 2010 reicht schon!)

Ich habe jedenfalls diese Erklärung bereits im Schlusssatz meiner Rede im Rahmen der ersten Beratung des heute erneut zu behandelnden Entschließungsantrages abgegeben. Diese Aussage hat auch weiterhin Bestand. Es besteht gegenwärtig nicht die Absicht, die schulgesetzlichen Bestimmungen zur Schülerbeförderung zu ändern.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU] - Jacques Voigtländer [SPD]: Bis 2010?)

Nun sagen Sie „Herr Klare sagt ‚einstweilen‘ und ‚gegenwärtig‘; warum sagen die nicht ‚bis in alle

Ewigkeit‘“ usw.? - Das kann man nie sagen. Betrachten Sie doch einfach einmal die gesetzliche Faktenlage. Zwischen der ersten Beratung und der heutigen zweiten Beratung sind ein paar Monate ins Land gegangen. Herr Kollege Voigtländer und die Oppositionsfraktionen, Sie dürften bemerkt haben, dass wir in diesen Tagen über die Fraktionen ein Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vorgelegt haben. In diesem Gesetz steht etwas zum großen Thema Kopftuch, es steht etwas ganz Wichtiges zum Thema Förderschulen darin, und es steht etwas zum Besoldungsrecht darin. Wenn wir wirklich vorhätten, die Bestimmungen zum Schülertransport, also den § 114 des Schulgesetzes zu ändern, dann hätten wir das getan und dann stünde auch dazu etwas im Gesetzentwurf. Da das nicht der Fall ist, können Sie daraus schließen: Wir haben nicht vor, diesen Paragrafen zu verändern oder zu streichen. Also sollten Sie damit zufrieden sein.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Seeler?

Nein, danke.

(Silva Seeler [SPD]: Er hat Angst, dass er sie nicht beantworten kann!)

Beim Thema Schülerbeförderung ist gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen ein verantwortungsbewusstes Handeln der Politik auf allen Ebenen gefordert, um den Schülerinnen und Schülern vergleichbare Bildungschancen zu geben. Ich bin hier eben völlig korrekt zitiert worden und stehe dazu. Nur wenn die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, die für sie geeignete Schule unter zumutbaren Bedingungen zu erreichen, und nur, wenn die Einkommensverhältnisse der Eltern keine ausschlaggebende Rolle für die Bildungsbeteiligung spielen, wird man dieser Zielsetzung gerecht.

Im Zuge der Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten hat sich das Kultusministerium in den vergangenen Wochen und Monaten immer zum Leitziel gemacht: Eine wohnortnahe Beschulung auch an den weiterführenden Schulen muss nicht nur durch die Sicherung vorhandener Schulstandorte erhalten, sondern zum Wohl der

Kinder auch durch weitere Bildungsangebote in der Fläche gezielt verbessert werden. - Sie dürften diesem höchst flexiblen neuen Schulgesetz und auch der Verordnung zur Schulentwicklung entnommen haben, wie flexibel es ist, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten es gerade auch für die örtlichen Schulträger bietet, sodass wir zum Beispiel durch neue gymnasiale Angebote letztlich auch kürzere Wege für unsere Schülerinnen und Schüler bekommen. Auch hier haben wir gerade für den weiteren Ausbau der Bildungsbeteiligung wichtige Weichen gestellt.

Die Errichtung von Außenstellen, insbesondere von Realschulen und Gymnasien, die Erweiterung vorhandener Hauptschulen um Realschulzweige oder die Erweiterung vorhandener Realschulen um Hauptschulzweige sowie der Neuzuschnitt vieler Schulbezirke tragen nicht nur zu einer möglichst ortsnahen Beschulung bei, sondern in der Folge selbstverständlich auch zur deutlichen Verbesserung bei der Schülerbeförderung. Das alles muss sich jetzt erst einmal einspielen. Das Ergebnis wird aber schon in absehbarer Zeit durchaus kommentierungsfähig sein. Ich sage: Für die Kommunen wird die Struktur in toto etwas kostengünstiger.

(Jacques Voigtländer [SPD]: Da gibt es andere Aussagen!)

Außenstellen, neue Schulen und neu hinzugekommene Schulzweige machen wegen des erweiterten Angebots vor Ort in einigen Kommunen die Schülerbeförderung ein Stück weit kostengünstiger.

Jetzt projiziere ich einmal in die Zukunft: Wir haben das Abitur nach Klasse 12 eingeführt. Das beginnt im nächsten Jahr und wird in acht Jahren umgesetzt sein. Dadurch entfällt, rein technisch gesprochen, ein ganzer Jahrgang Gymnasium. Also reduziert auch dies den Bedarf an Schülertransport. Auch das bedeutet für die Kommunen eine Besserstellung auf der Kostenschiene. Für viele Kommunen - ob als Schulträger, als Träger der Schulentwicklungsplanung oder als Träger der Schülerbeförderung - geht damit eine zum Teil erhebliche finanzielle Entlastung einher. Die ersten Zahlen deuten sich schon an. Wir können uns später noch einmal darüber austauschen.

Hier wird deutlich, dass die Landesregierung alles daran setzt, dass die Bildungschancen der Kinder nicht von den Einkommensverhältnissen der Eltern abhängig sind. Es wird auch deutlich, dass die

Landesregierung ihr Ziel, den ländlichen Raum zu stärken, konsequent umsetzt. Regionale Besonderheiten werden bei der Schulentwicklungsplanung nicht ausgeblendet, sondern durch gezielte schulorganisatorische Maßnahmen zur Standortsicherung berücksichtigt.

Nicht zuletzt wird deutlich, dass die Schaffung einer gesunden schulorganisatorischen Infrastruktur, für die das Land zusammen mit den Kommunen zurzeit die Voraussetzungen gestaltet, in mehrfacher Hinsicht positive Nebeneffekte für die kommunalen Schulträger hat.