Protokoll der Sitzung vom 23.01.2004

Deshalb halten wir es für falsch, die Planungen für die A 22 wieder voranzutreiben. Die A 22 ist im Bundesverkehrswegeplan zu Recht erst unter „weiterer Bedarf“ vorgesehen. Dort steht sie, bei sinkenden Mitteln für den Neubau insgesamt, in Konkurrenz zu den vielen Erhaltungsbedarfsmaßnahmen der Zukunft und zu vielen verträglicheren Projekten, deren Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich besser ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr McAllister, bitte! Da Herr Hirche zum Schluss sprechen will, rufe ich zunächst Herrn Wolfkühler auf, der sich auch noch gemeldet hatte.

(Zuruf von der SPD: Ist die Redeord- nung jetzt variabel?)

Herr Wolfkühler, bitte!

Ich hoffe, das ist jetzt kein taktisches Geplänkel. Ich möchte einfach nur noch einmal darauf hinweisen, dass sich der Antrag mit unserer schriftlichen Anfrage vom 13. Januar deckt; ich hatte vergessen, das zu erwähnen. Wir sind von diesem Antrag also nicht überrascht, und die SPD-Fraktion spricht sich insofern auch entschieden dafür aus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Hirche, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die breite Übereinstimmung in diesem Hause außerordentlich. Dass Herr Hagenah eine abweichende Position vertritt, war zu erwarten. Schließlich bringen Sie immer, wenn Verkehrsprojekte anstehen, Einwände vor. Das allerdings ist auch legitim, und mit den Einwänden muss man sich auch auseinandersetzen. Es ist auch legitim,

auf Umweltprobleme hinzuweisen, die im Zusammenhang mit Trassenplanungen oder Infrastrukturmaßnahmen anstehen.

Aber unbestreitbar ist, dass es bei den Planungen für die A 22 um die großräumige Erschließung einer bisher nicht erschlossenen Region des Landes Niedersachsen geht. Die Landesregierung ist sehr wohl der Auffassung, dass es sinnvoll ist, die beiden in Norddeutschland noch fehlenden Flussquerungen, die Elbquerung und die Weserquerung, miteinander zu verbinden.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auch, dass sich die Region einig ist. Ich nehme auf, was der Kollege Wolfkühler gesagt hat: Es ist nicht nur ein regionales Projekt, sondern es betrifft Niedersachsen insgesamt, Deutschland und Europa. Ich glaube, das können auch die Sprecher der anderen Fraktionen ohne weiteres unterstützen.

Niedersachsen wird mit der A 22 ein Stück mehr in die Wirtschaftsräume Europas integriert. Herr Hagenah, eine solche Integration ist der Arbeitsplatzentwicklung in den jeweiligen Orten noch immer zugute gekommen. Das konnte man zuletzt bei der Entwicklung Ostdeutschlands festgestellt. Von daher sehe ich überhaupt keinen Anlass, daran Abstriche vorzunehmen.

Wir haben eine Untersuchung zur Raumbedeutsamkeit der A 22 veranlasst, an der sich auch die Länder Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie der Bund beteiligen. Wir rechnen damit, dass die Ergebnisse Anfang März vorliegen. Dann sind wir auf gleicher Augenhöhe mit den Vorarbeiten zu der Anbindung an die A 1, und dann kann auch das erfolgen, was der Bundestag wohl noch vom Land Niedersachsen erwartet, nämlich die Präferierung einer Trasse.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass angesichts der neuen Argumente - der Jade-Weser-Port ist ein ganz wesentliches Thema - ein ganz anderes Ergebnis als noch vor einigen Jahren dabei herauskommt. Das dürfte aber bei jeder Neubewertung von Trassen der Fall sein. Von daher sind wir hier sehr optimistisch.

Die norddeutschen Regierungschefs haben in einem Punkt eine Verständigung erreicht, nämlich darüber, dass die Elbquerung mit Vorrang betrieben werden soll. Niedersachsen unternimmt dabei den Versuch - wenngleich es damit an Haushaltsgrenzen stößt -, die Mittel, die für die Planung des

kleinen Stücks Elbquerung an die K 28 im Stader Bereich notwendig sind, bereitzustellen.

Ich glaube, Sie unterliegen einem Irrtum, Herr Hagenah, wenn Sie behaupten, Ministerpräsident Wulff habe sich in dem Zusammenhang gegenüber den Regierungschefs für eine Anbindung an die A 1 bei Sittensen ausgesprochen. Das ist nicht der Fall. Im Übrigen können Sie das gemeinsame Protokoll noch gar nicht kennen, weil es erst in diesen Tagen erstellt wird.

Ich gehe also davon aus, dass der vorgelegte Entschließungsantrag eine breite Unterstützung in diesem Hause findet. Eine zeitnahe Befassung ist sicherlich nicht von Schaden, sondern würde unsere Position in Berlin stützen.

Die Landesregierung vertritt hier eine klare Position. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen, dass die A 22 neu bewertet und geprüft wird, weil wir ihre raumwirtschaftliche Bedeutung für überragend halten. Damit, meine Damen und Herren, holen wir ein Versäumnis der alten Regierung nach, die solche Untersuchungen nämlich gerade nicht angestellt hatte.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist falsch!)

Aber ich will das nicht als Vorwurf formulieren, denn das ist Vergangenheit.

Herr Wolfkühler, Sie haben außerordentlich eindrucksvoll deutlich gemacht, dass es eine gemeinsame Position von CDU, SPD und FDP gibt; ich nenne die Fraktionen jetzt bewusst in der Reihenfolge ihrer Größe. Ich freue mich auch darüber, denn ich empfinde es als wertvoll, dass es bei allem Streit, den wir in Sachfragen haben und der sich in den Landtagssitzungen immer wieder zeigt, in existentiellen Fragen, die die Weiterentwicklung der Arbeitsplätze und der Chancen des Landes Niedersachsen betreffen, eine Übereinstimmung zwischen den großen Fraktionen im Landtag gibt.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Herr McAllister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Redebeiträgen von Frau Vo

ckert, Herrn Oetjen und Herrn Wolfkühler sowie von Minister Hirche stelle ich fest, dass es bei diesem Thema in der Tat eine volle Übereinstimmung der drei großen Fraktionen CDU, SPD und FDP gibt.

(Beifall bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Zwei große Fraktionen und eine kleine!)

Das ist ein klares Bekenntnis zur Küstenautobahn. Es ist gut, dass wir trotz aller Streitigkeiten - Walter Hirche hat es angesprochen - zu einer Meinung gekommen sind. Deshalb nehmen wir gerne die freundliche Anregung von Erhard Wolfkühler auf und beantragen die sofortige Abstimmung über diesen Antrag.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung beantragt, den Antrag in der Drucksache 708 nicht an die Ausschüsse zu überweisen, sondern die zweite Beratung unmittelbar auf die erste folgen zu lassen und damit sofort über den Antrag zu entscheiden.

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Wo ist Karsten Behr?)

Ich frage entsprechend unserer Geschäftsordnung zunächst, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. - Das ist nicht der Fall.

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit wurde dem Antrag zugestimmt.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Umorganisation der Landesaufnahmestellen für Asylbewerber, Spätaussiedler und jüdische Emigranten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/709

Frau Langhans hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus dem Migrationsbericht der Ausländerbeauftragten des Bundes, Marie-Luise Beck, geht hervor, dass immer weniger Menschen nach Deutschland einwandern. Nicht nur die Zahl der Asylanträge sank im Vergleich zu den Vorjahren um ca. 29 %, auch der Zuzug von Aussiedlern und jüdischen Immigranten hat sich in den letzten Jahren deutlich verringert.

In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die Prognosen aller Fachleute aufgrund der Drittstaatenregelung und der Abschottungspolitik der EU einen weiteren Rückgang der Zahlen signalisieren. Diese Entwicklung zu ignorieren und nicht zu handeln, wäre nach unserer Auffassung kurzsichtig und haushaltspolitisch geradezu unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, neue Realitäten erfordern Konsequenzen. Nach unserer Auffassung ist eine Neukonzeption und damit verbunden ein Rückbau von Landesaufnahmestellen für Asylsuchende, Spätaussiedler und jüdische Emigranten unabdingbar.

Auch der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht über die Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung der Aufnahmestellen auf erhebliche Mängel in den jeweiligen Einrichtungen hingewiesen. Die Reaktion auf diesen Mängelbericht - die Zahl der Plätze für Asylbewerber im Lager Bramsche auf 550 zu erhöhen und die Spätaussiedler und jüdischen Emigranten in Friedland unterzubringen - zeigt allerdings einmal mehr, dass es der Landesregierung nicht um das Schicksal von Menschen auf der Flucht, sondern nur um Zahlen geht: Zahlen von Plätzen, die belegt werden müssen, damit die großen Einrichtungen rentabel sind.

Die enorme Kapazität der Einrichtungen im Land beizubehalten, ist angesichts des stark zurückgehenden Einwanderungsbedürfnisses nicht nur finanzpolitischer Unsinn, sondern, wenn es, wie hier, um Schicksale von Menschen geht, auch abzulehnen. Mit der Beibehaltung wäre zwangsläufig verbunden, dass Flüchtlinge mehr noch, als dies bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Fall ist, zentral kaserniert würden. Aus flüchtlingspolitischer Sicht und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen führt die Unterbringung von Menschen auf engstem Raum zu Auffälligkeiten und zu Isolation.

Meine Damen und Herren, die Sorgen und Bedenken, die die Bevölkerung von Bramsche-Hesepe angesichts der zukünftigen Belegung des Lagers hat, sind sehr ernst zu nehmen. Ihnen ist sicherlich nicht mit flankierenden Maßnahmen wie einer erhöhten Polizeipräsenz zu begegnen. Das kann und muss anders gelöst werden.

Der Landesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die zentrale Unterbringung von Asylsuchenden ca. dreimal so teuer ist wie die Pauschale, die das Land für die Aufnahme Asylbegehrender noch an die Kommunen zahlt. Das neue Landesaufnahmegesetz sieht hier bereits Kürzungen vor. Es lässt auch eine weitere Verschärfung im Umgang mit Flüchtlingen befürchten, denn menschenunwürdige Gemeinschaftsunterkünfte werden zukünftig eher die Regel als die Ausnahme sein.

Meine Damen und Herren, Menschen, die nach Flucht und Verfolgung Zuflucht in Niedersachsen suchen, haben Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Betreuung. Die Unterbringung in Lagern ist diskriminierend und inhuman. Sie ist falsch, weil sie kaserniert und nicht integriert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verringerung der Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen von derzeit vier Wochen auf zehn Tage - wie es auch der Landesrechnungshof angeraten hat - und die daran anschließende Unterbringung der Flüchtlinge in den Städten und Gemeinden öffnet den Weg für eine humane und dennoch kostensparende Unterbringung. Als Folge davon müssen die schon jetzt bestehenden Überkapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen abgebaut werden. Wir fordern daher auch die Schließung der Landesaufnahmestelle Bramsche. Die Last Bramsche sollte nicht weiter zur Last des Haushalts werden. Asylsuchende sollen dezentral in den Kommunen untergebracht werden. Wir wollen diese dezentrale Unterbringung unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus. Abschiebungen erfolgen schließlich auch aus der Kommune heraus; das erleben wir häufig genug.

Meine Damen und Herren, gerade die frühzeitige Integration erleichtert die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, denn die Dauer des Aufenthalts korrespondiert in vielen Fällen - in Niedersachsen trifft das auf 20 000 Menschen zu - nicht mit dem Aufenthaltsstatus. Ich bleibe dabei: Der Übergang von der Duldung in ein Aufenthaltsrecht

ist und bleibt dringend reformbedürftig. Darin sind wir uns mit vielen Verbänden und Vereinen und in zunehmendem Maße auch mit großen Teilen der Bevölkerung einig. Es kann nicht angehen, dass Menschen, die auf Dauer hier leben und Teil dieser Gesellschaft sind, keinen umfassenden Schutz vor Ausweisung genießen.