- Frau Körtner, dass Sie jetzt nicht zuhören, finde ich so etwas von schlimm, weil Sie nämlich nachher diese Entscheidung treffen. Sie müssen einmal zuhören, was in unseren Schulen eigentlich los ist!
(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Sie sind Vizepräsidentin! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie haben vor einem Jahr genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie jetzt sagen! - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Ihr macht sie doch kaputt!)
ren - ein Baustein, um zu verhindern, dass Jugendliche andere quälen müssen, um sich stark zu fühlen. Es nützt nämlich gar nichts - wie das Frau Dr. von der Leyen im Landtag getan hat -, ein liebevolleres Elternhaus zu fordern, das den Alltag strukturiert, wenn wir doch ganz genau wissen, dass die Eltern das diesen Jugendlichen nicht geben können, weil sie selbst so viele Probleme haben. Es klingt wie Hohn, wenn Herr Wulff hier feststellt: Die Gesellschaft hat manchen aufgegeben. Manche haben sich aber selbst aufgegeben. - So ist das. Manche dieser Jugendlichen haben sich selbst aufgegeben - aber nach welcher familiären und schulischen Vorgeschichte? Nach welcher Serie von Misserfolgen und Missachtung?
Herr Busemann hat doch Recht, wenn er sagt: Wir haben andere Waffen als Videokameras. Wir haben Sozialarbeit und Pädagogik. - Herr Busemann, lassen Sie dieser Erkenntnis doch aber auch Taten folgen. Lassen Sie die Stunden für Pädagogik in den Schulen, und hören Sie auf zu kürzen, kürzen, kürzen. Sie kürzen die Pädagogik für solche schwierigen Jugendlichen aus den Schulen weg. Videokameras, Sicherheitskonzepte und mehr Sozialarbeiter an berufsbildenden Schulen - all das sind möglicherweise richtige Maßnahmen, um gewaltbereite Jugendliche zu kontrollieren. Aber wirklich helfen oder gar Entwicklungen bei Jugendlichen verhindern, das können diese Maßnahmen nicht. Dazu bräuchten wir neben liebevolleren Elternhäusern vor allem Schulen, die jedes Kind dort abholen, wo es sich befindet, Schulen, die unterstützen und Kinder stärken, Schulen, die Chancen und Schullaufbahnen öffnen und nicht verschließen. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, nehmen unseren Schulen mit Ihren Erlassen viele dieser Möglichkeiten. Wir machen da nicht mit. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Meine Damen und Herren, verzweifelte Blicke machen deutlich, dass die Tonanlage doch noch nicht so optimal arbeitet, wie wir alle in diesem Raum uns dies wünschen. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis dafür, dass wir in dieser Sitzungsperiode keine Verbesserungen vornehmen können. Wenn Sie alle sehr still sind, werden wir es mit der vorhandenen Technik dennoch schaffen, dass jeder Redner zu verstehen ist. - Der nächste Redner ist Herr Schwarz. Ich gehe davon aus, dass wir ihm jetzt ganz interessiert zuhören werden. Herr Schwarz, bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die hier geführt wird, ist schon eigenwillig. Ausgerechnet diejenigen, die über eineinhalb Jahrzehnte hinweg eine Bildungspolitik betrieben haben, mit der die Karre gegen die Wand gefahren ist, wollen uns jetzt vorschreiben, wo es langgehen soll. Das kann nicht wahr sein!
Frau Seeler, welche Jugendlichen haben sich eigentlich aufgegeben? - Das sind doch genau diejenigen, die zu der Zeit in die Schule gegangen sind, als Sie für das Bildungssystem verantwortlich waren. Das sind diejenigen Jugendlichen, die sich heute aufgegeben haben. Damit haben wir im Moment weiß Gott nichts zu tun.
Gebrochene Versprechen in der Schulpolitik: Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob diesen Antrag jeder gelesen hat. Den muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. In der Tat bringt uns dieser Antrag kein Stück weiter. Er fordert regelrecht zum Widerspruch auf. Ich will das auch belegen. In Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, behaupten Sie, dass Sie bereits wenige Monate nach Verabschiedung des Schulgesetzes Verwerfungen in der niedersächsischen Schullandschaft erkennen können. Sie aber haben selbst nach 13 Jahren Regierungsverantwortung noch nicht erkannt, dass Ihre Bildungspolitik nichts getaugt hat. Das ist ausgesprochen enttäuschend.
Sie bemängeln ein überzogenes Tempo unsererseits. Ich sage Ihnen: Als der Wähler entschieden hat, war es bereits fünf Minuten nach Zwölf und nicht fünf Minuten vor Zwölf. Er hat uns die Möglichkeit gegeben, eine grundlegende Veränderung der Bildungslandschaft herbeizuführen. Wir haben aufgrund desolater Ergebnisse, die uns allen bekannt sind, handeln müssen.
Auch den Vorwurf von zu geringer Sorgfalt muss ich zurückweisen. Immerhin haben wir schon eineinhalb Jahre vor der Wahl ein Konzept entwickelt
und der Öffentlichkeit vorgestellt. Dass im Hinblick auf Reformen natürlich unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, ist völlig normal. Dass es auch welche gibt, die Warnungen aussprechen, ist ebenfalls völlig normal, und das will ich gar nicht in Abrede stellen. Sie müssen aber auch zulassen, dass es Experten gibt, die unserer Schulpolitik komplett die Rückendeckung geben.
Sie formulieren in Ihrem Antrag, man möge die Schüler vor der Beeinträchtigung ihrer Bildungschancen bewahren. Wenn Sie uns dazu auffordern, dann frage ich Sie vor dem Hintergrund dieser miserablen Ergebnisse: Auf welche Art und Weise haben Sie denn eigentlich den niedersächsischen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit eröffnet, die Chancen wahrzunehmen? - Zielsetzung ist nach wie vor, so wohnortnah wie möglich zu beschulen. Wenn aber zum Teil dramatisch rückläufige Schülerzahlen festzustellen sind, muss dem auch Rechnung getragen werden, und zwar auch vor dem Hintergrund nicht endlos zur Verfügung stehender Haushaltsmittel.
Durchlässigkeit ist ein arg strapazierter Begriff. Ihm kommt wirklich hohe Bedeutung zu. Er darf aus meiner Sicht aber auch nicht überbewertet werden. Aus unserer Sicht ist die Versetzungs- und Durchlässigkeitsverordnung dazu geeignet, alle schwierigen Fälle - auf die kommt es eigentlich an, um die geht es - sachgerecht zu lösen. Im Übrigen bin auch ich der Meinung, dass in diesem Land jeder, der leistungswillig ist, hinreichend Möglichkeiten hat, einen Schulabschluss zu erwerben, der ihn auch zufrieden stellt.
Unterrichtsversorgungserlass korrigieren, Gesamtschule und Volle Halbtagsschule nicht ausbluten: Meine Damen und Herren von den Grünen, in Ihrem Antrag fordern Sie uns auf, dass wir feststellen sollen, dass sich die Unterrichtsversorgung an der Mehrzahl der Schulen in Niedersachsen deutlich verschlechtern wird. Das ist aber nicht so. Von daher können wir das auch nicht feststellen.
Richtig ist, dass die Vertretungsreserve in den Vollen Halbtagsschulen gestrichen wird. Daraus zwingend zu folgern, dass ein pädagogischer Auftrag nicht erfüllt werden könnte, ist blanker Unsinn. Richtig ist vielmehr, dass durch das neue Niedersächsische Schulgesetz Schulen, die bisher ohne
die Privilegien einer Gesamtschule oder einer Vollen Halbtagsschule auskommen mussten, endlich Chancengleichheit genießen und in eine komfortablere Lage versetzt werden. Die freuen sich sogar öffentlich darüber, dass sie nicht mehr benachteiligt sind. Von einem Ausbluten dieser Schulformen zu reden, verehrte Frau Korter, ist billige Polemik und hat mit seriöser Behandlung dieses Themenfeldes nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Zur Erinnerung: An den Hauptschulzweigen der Kooperativen Gesamtschulen werden zur sozialpädagogischen Unterstützung je Klasse eine Stunde als Zusatzbedarf gewährt, an den Integrierten Gesamtschulen analog 0,5 Stunden. Beim Schwimmunterricht wurde nachgebessert. Ebenso wurde bei der Zuweisung von Lehrerstunden an Förderschulen nachgebessert. Entscheidend ist, dass wir festgeschrieben haben, dass eine Gleichbehandlung der Gesamtschulen gegenüber den Schulen des gegliederten Schulwesens klar ist.
Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen: Das, was Sie da fordern, Frau Korter, ist alles ganz prima. Noch besser aber wäre es gewesen, wenn Sie einen Finanzierungsvorschlag beigefügt hätten. Sie schreiben in Ihrer Begründung, in Deutschland sei es jahrzehntelang versäumt worden, die Schulen zu Ganztagsschulen auszubauen. In der Tat, da ist etwas dran. Wir halten Ganztagsschulen für absolut unverzichtbare Angebote. Ich stimme Ihnen sogar darin zu, dass die PISAErgebnisse auch mit dem geringen Angebot auf diesem Feld zu tun haben könnten. Wenn man es allerdings jahrzehntelang, wie Sie es beschrieben haben, versäumt hat, einen Missstand zu beheben, dann ist es nicht seriös, in dem Moment, in dem man nicht in der Verantwortung steht, zu fordern, dass man diese Versäumnisse bitte schön von heute auf morgen löst. Das kann niemand.
Der Schritt in die richtige Richtung wird ohne Zweifel gemacht. Es muss aber auch erlaubt sein, darauf zu verweisen, dass die Einrichtung von Ganztagsschulen nicht das Allheilmittel für die Unterrichtsqualität sein kann.
Mit den durch den Bund zur Verfügung gestellten Mitteln für den Bau und die Ausstattung von Ganztagsschulen ist längst noch nicht die Frage
geklärt, wie die Landkreise und Kommunen - auch die, die Anträge gestellt haben - mit den Folgekosten klarkommen. Diesbezüglich rate ich zu einer sorgfältigen Abwägung. Wir müssen aufpassen, dass hier die Zukunft nicht zulasten der Zukunft finanziert wird.
Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre aussetzen: In diesen Tagen haben wir von interessanten Prognosezahlen zur Wahl der Schulform gehört. Das von vielen Teilen, insbesondere auch Ihrer Couleur, vorhergesagte Chaos ist bisher ausgeblieben. Das Gymnasium hat einen mit 35 % veranschlagten Anteil neuer Schüler zu erwarten. Das hat mich in der Tat positiv überrascht. Aber offensichtlich wird das Angebot, nach zwölf Jahren das Abitur ablegen zu können, angenommen, und es erscheint attraktiv. Ich frage mich jetzt, wie die Menschen reagieren würden, wenn wir jetzt einem solchen von Ihnen formulierten Ansinnen folgen würden. Die Menschen würden doch zu Recht fragen: Haben die eigentlich noch einen nassen Helm auf?
- Ja, das ist doch so. - Ich glaube aber, dass Sie Ihren Antrag, verehrte Damen und Herren von den Grünen, doch mehr als öffentlichkeitswirksame Aktion verstanden wissen wollten. Wir haben jedenfalls zur Kenntnis genommen, dass Sie unseren niedersächsischen Schülerinnen und Schülern erst irgendwann die Möglichkeit eröffnen wollen, früher in das Studium einzusteigen, und dass sie erst irgendwann mit den jungen Schulabgängern anderer europäischer Länder konkurrieren können sollen. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass Sie „entschleunigen“ wollen. Wir nennen das bremsen. Sie wollen bremsen. Das ist Klartext, und genau das unterscheidet uns von Ihnen. Die Menschen sind es leid, Probleme vor sich herzuschieben, sie wollen einen klar erkennbaren Weg aufgezeigt bekommen. Wir sind beileibe nicht fehlerlos, aber wir haben den Mut, Entscheidungen zu treffen, den Sie offensichtlich nicht haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Irgendwie habe ich schon den ganzen Morgen über den Eindruck, dass die Opposition nicht so gut drauf ist.
Jedenfalls danke ich den Antragstellern für die Gelegenheit, an dieser Stelle einmal mehr über die Fortschritte in der niedersächsischen Schul- und Bildungspolitik berichten zu können, Bilanz zu ziehen und nach vorn zu sehen. Wir stehen auf den Tag genau ein halbes Jahr vor dem Schuljahresbeginn, an dem die wohl umfassendste Schulreform in der Geschichte des Landes in konkretes schulisches Handeln umgesetzt wird. Wenn es vorhin aus Oppositionsmund mal hieß, wir seien die Spitze der Reformbewegung, dann nehmen wir dieses Kompliment sehr gern an.
Das war und ist aber, meine Damen und Herren, nicht Selbstzweck, sondern das wird Investition in die Zukunft sein müssen. Wir mussten umsteuern, damit niedersächsische Schülerinnen und Schüler nicht länger zu den Verlierern nationaler und internationaler Leistungsvergleiche gehören. Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler zu den Siegern von morgen zählen. Dafür muss man aber einiges tun. Ich will Ihnen sagen, was wir bereits auf den Weg gebracht haben.
In einer doch beachtlichen Zeit von drei Monaten haben wir im Juni des letzten Jahres unser Schulgesetz beschlossen und damit die Rahmenbedingungen für ein modernisiertes und zukunftsfähiges gegliedertes Schulwesen gesetzt: begabungsgerecht, durchlässig und wohnortnah. Darauf werde ich im Einzelnen noch eingehen.
Wir haben im Herbst alle Verordnungen in die Anhörung gegeben und dann beschlossen und vorgelegt. Damit wussten die Schulen, die Schulträger, wie sie Schule zu organisieren haben.
Die Grundsatzerlasse für die allgemein bildenden Schulen sind in diesen Tagen mit ausdrücklicher Billigung und Unterstützung des Landeselternrates - das will ich hier auch mal sagen - in Kraft gesetzt worden. Erhöhung der Pflichtstunden, Stärkung der Kernfächer, neues Fremdsprachenkonzept, Abitur nach zwölf Jahren, das sind nur einige wesentliche der inhaltlichen Schwerpunkte.
Entwurfsfassung in vielerlei Hinsicht geändert, etwa mit einem flexiblen Handlungsrahmen für die berufliche Orientierung in der Hauptschule und im neuen Fach Politik/Wirtschaft, und haben damit für mehr ökonomische Bildung auch am Gymnasium gesorgt. Wir hätten bei all dem, was sich jetzt ändert, die nächste Ausgabe des Schulverwaltungsblattes eigentlich als Buch herausbringen können. Wir haben jetzt auch die inhaltlichen Vorgaben für den Unterricht in den fünften und sechsten Schuljahrgängen veröffentlicht. Damit greifen wir schon jetzt die neuen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz auf. Auch damit kann sich unser Bundesland einmal mehr bundesweit sehen lassen, weil die anderen oft noch nicht so weit sind.
Auch den neuen Erlass zur Unterrichtsversorgung haben wir umgesetzt. Wir sorgen damit endlich dafür, wofür nicht nur der Landesrechnungshof, sondern auch viele Eltern bisher vergeblich gekämpft haben: für mehr Transparenz und nachvollziehbare Planung in der Unterrichtsversorgung. Die Stundentafel plus ein Stundenpool von zwei Stunden pro Klasse zur Profilierung und individuellen Förderung für die weiterführenden Schulformen entsprechen in aller Regel einer 100prozentigen Unterrichtsversorgung. Das haben übrigens auch Sozialdemokraten vor anderthalb Jahren im Haushaltsausschuss gefordert und beschlossen. Ich weiß nicht, warum man das jetzt kritisiert.
Wir haben auch konstruktive Änderungsvorschläge aufgegriffen: eine deutlich verbesserte Stundenzuweisung der Förderschulen, eine Flexibilisierung im Rahmen der Aufsichtsführung im Schwimmunterricht. Auch die Gesamtschulen haben durchaus berechtigte Ansprüche geltend machen können. Darauf werde ich noch eingehen.
Den Gymnasien sind jetzt die fachbezogenen thematischen Schwerpunkte für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe mitgeteilt worden, aus denen heraus die landesweit einheitlichen Aufgabenstellungen für das erste Zentralabitur im Jahr 2006 erwachsen werden.
Wir sind mit diesen Maßnahmen unserem Ziel, in einem gemeinsamen Kraftakt unser niedersächsisches Schulwesen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen umzugestalten und zu verbessern, einen großen Schritt näher gekommen. Ich darf mich an dieser Stelle ausdrücklich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium bedanken. Sie haben im vergangenen Jahr Außergewöhnliches geleistet und haben gezeigt, welche