Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004

- Das ist tatsächlich unglaublich; da gebe ich Ihnen ausnahmsweise völlig Recht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für uns steht doch eindeutig fest, dass Hochwasserschutz - jedenfalls geht es uns so; dabei beziehe ich auch die Grünen ein - absoluten Vorrang in unserem Land haben muss und dass nach dem Elbehochwasser 2002 nichts mehr so ist, wie es früher gewesen ist. Die Toten und die Sachschäden in Milliardenhöhe haben bei vielen Menschen zu der Einsicht geführt, dass die herkömmlichen Methoden, mit denen Sie, Herr Ripke, auch wieder argumentiert haben, eben Schnee von gestern sind und den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Ich habe manchmal den Eindruck - auch, als ich Ihre Rede gehört habe -, dass vor jeder Beratung über dieses Thema eigentlich eine Bilderschau stehen müsste, wo Sie sich die Bilder über diese Katastrophe in 2002 noch einmal konkret angucken. Das würde ich Ihnen empfehlen.

(Beifall bei der SPD)

Angesichts der Tatsache, dass sich Flüsse nun einmal nicht an Ländergrenzen halten, ist es überhaupt keine Frage, dass der Bund eine Rahmengesetzgebung auf den Weg bringt. Das war bei uns übrigens 2002 überhaupt nicht strittig, und zwar über das gesamte Haus hinweg.

Sie haben für Ihre Stimmungsmache einen Punkt herausgegriffen. Dazu sage ich immer - wie Sie wissen, komme ich aus dem Bereich Uelzen/Lüchow-Dannenberg; dort gilt das Struck'sche

Gesetz -: Kein Gesetz kommt aus dem Bundestag so heraus, wie es hineingekommen ist. - Ich gehe davon aus, dass es auch bei diesem Teilaspekt so sein wird.

(Bernd Althusmann [CDU]: Dann sor- gen Sie doch dafür!)

Allerdings will ich Ihnen auch den Hinweis geben, dass Ihre eigene Landesregierung doch sagt, dass die ackerbauliche Nutzung zurückgedrängt werden muss. Genau das hat Ihre eigene Landesregierung in die Unterrichtung vom August 2003 hineingeschrieben. Sie hat die inhaltliche Notwendigkeit, sich auch diesen Bereich im Sinne des Hochwasserschutzes anzugucken, bestätigt. Deshalb sage ich Ihnen: Mit welchem Instrumentarium wir vorgehen, das hätte Ihr Haus doch schon längst auf den Tisch legen können. Wie wollen wir es denn konkret machen? Aber da passiert nichts. Untätigkeit.

Zum Abschluss will ich noch auf einen Aspekt hinweisen, den ich besonders befremdlich finde. Es geht darum, wie Sie - gerade Sie, Herr Ripke, als Verantwortlicher der CDU in Niedersachsen - mit den Menschen umgehen. Man muss sich das einmal vorstellen: Da erzählt ein Abgeordneter Ihrer Fraktion in seiner Region, es sei ja ganz schlimm, wenn die Kommunen jetzt womöglich in ihre Bauleitplanungen hineinschreiben müssten, wo denn wohl Überschwemmungsgebiete wären. Das sei ja richtig schlimm; dann würden die Leute überhaupt keine Elementarschadenversicherung mehr abschließen können. - Herr Ripke, für wie dumm halten Sie eigentlich die deutsche Versicherungswirtschaft? Die deutsche Versicherungswirtschaft - das hätten Sie in einer Anhörung lernen können ist bei der Betrachtung dieser ganzen Angelegenheit sehr viel weiter, als es Ihnen offensichtlich bekannt ist. Deshalb will ich es Ihnen noch einmal sagen. Die haben ihre Überschwemmungsgebiete, in denen sie Versicherungsschutz gewähren, längst definiert und haben das auch sehr eindrucksvoll untermauert. Da kann ich Ihnen nur sagen: Mit Ihren Argumentationen wiegen Sie die Leute an unseren Flüssen in einer trügerischen Sicherheit. Das werden wir Ihnen so nicht durchgehen lassen; darauf können Sie sich verlassen. Wir wollen, dass endlich Taten folgen und dass nicht nur Lobbyisten-Politik gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächstem erteile ich Herrn Oetjen von der SPD-Fraktion das Wort.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Der Entwurf des Gesetzes über den vorbeugenden Hochwasserschutz befindet sich derzeit im Abstimmungsverfahren im Bundesrat. In diesem Gesetzentwurf ist ein Ackerbauverbot in den festgesetzten Überschwemmungsgebieten ab dem Jahr 2013 - das hat Frau Steiner schon gesagt - fest vorgesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach meiner Ansicht ist ein solches Ackerbauverbot auf Flächen, die alle 100 Jahre einmal überschwemmt werden, in manchen Regionen wie eine Enteignung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir der rot-grünen Bundesregierung nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich begrüße deswegen ausdrücklich, dass auf Initiative des Landes Niedersachsen und des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesratsausschuss eine Mehrheit von 14 Bundesländern gefunden wurde, die dieses Ackerbauverbot nicht mehr vorsieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr, sehr wichtig, dass wir diesen Beschluss herbeigeführt haben; denn diese Niedersächsische Landesregierung aus CDU und FDP will Hochwasserschutz machen - mit den Landwirten und nicht gegen die Landwirte. Das ist der entscheidende Unterschied!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Klar ist auch, wer weiterhin auf Regelungen statt auf einen Dialog mit der Landwirtschaft und ein Miteinander setzt: Das sind die rot-grün regierten Bundesländer Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen. - Aber wen wundert denn auch das noch?

(Christian Dürr [FDP]: Niemand! Un- glaublich!)

An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Herr Dehde, wenn Sie hier schon sagen, dass das Gesetzgebungsvorhaben in den Bundesrat gelange und ohne das Ackerbauverbot wieder herauskomme,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das hat er doch gar nicht gesagt! Hören Sie ein- mal zu!)

dann sprechen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion und sorgen Sie dafür, dass nicht von Anfang an so ein Quatsch gemacht wird; denn dann haben wir hier auch nicht solche Diskussionen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Wir kommen ja gleich zu einem Gesetz, das Sie ge- ändert haben!)

- Herr Gabriel, für uns Niedersachsen ist die Frage des Hochwasserschutzes

(Sigmar Gabriel [SPD]: Nein, was das Thema Veränderung von Gesetzen angeht!)

doch viel zu wichtig, als dass wir sie Herrn Trittin und seiner ideologischen antilandwirtschaftlichen Politik überlassen können. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aus fachlicher Sicht spricht doch gar nichts dafür, ein Ackerbauverbot in Gebieten, die alle 100 Jahre einmal überschwemmt werden, einzurichten.

(Brigitte Somfleth [SPD]: Von Klima- katastrophe haben Sie noch nie etwas gehört!)

Wenn man sich nämlich den Braunschweiger Raum - den Aller-Leine-Oker-Plan - anguckt, dann sieht man, dass schon heute Hochwasserschutz betrieben wird - auch mit Flächen, die beackert werden. So stellen wir uns Hochwasserschutz vor, liebe Freundinnen und Freunde, und nicht so wie Herr Trittin.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Liebe Kollegin- nen und Kollegen!)

Das geplante Ackerbauverbot bewirkt einen Verlust von über 50 000 ha landwirtschaftlicher Fläche. Das entspricht einer Wertschöpfung nach Schätzungen des Niedersächsischen Landvolks von ungefähr 15 Millionen Euro für die Landwirtschaft. Für viele Betriebe in den Niederungsgebieten der Flüsse wird dieser Entzug von landwirtschaftlicher Fläche den wirtschaftlichen Exitus bedeuten. Sie von der Opposition, von den Fraktio

nen von SPD und Grünen - das ist schon ganz bezeichnend - veranstalten eine Anhörung,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Weil Sie sich im Ausschuss geweigert haben!)

und zur gleichen Zeit, während Sie reden, handeln wir. Zeitgleich ist unser Umweltminister HansHeinrich Sander auf einer Bereisung in Delmenhorst gewesen und hat sich dort ein Rückhaltebecken angeschaut und sich darüber informiert, was dort geschieht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will jetzt gar nicht darauf hinweisen, wie viele Millionen Euro in der letzten Woche für Hochwasserschutzmaßnahmen freigegeben worden sind. Das zeigt ganz eindeutig: Sie reden, während wir handeln. Deswegen: Weiter so!

Aber das, liebe Freundinnen und Freunde, lernen wir: Trittin in Berlin instrumentalisiert den Hochwasserschutz gegen die Landwirtschaft! Lassen Sie uns mit Hans-Heinrich Sander und Heiner Ehlen dafür kämpfen, dass eine solche Politik in diesem Land keine Mehrheit findet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt wird sich Herr Minister Ehlen zu dem Thema äußern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hochwasserschutz geht uns alle an. Ich glaube, dass wir alles daransetzen müssen, Hochwasser auf der einen Seite zu verhindern und auf der anderen Seite die Schäden dann, wenn es kommt, zu minimieren. Wir haben an vielen Stellen über Jahre hinweg sehr viele Aktivitäten entwickelt.

(Brigitte Somfleth [SPD]: Seit wann?)

- Ich habe gesagt: seit Jahren! - Ich glaube, dass das, was seitens des Landes hier in Niedersachsen geschaffen worden ist, unumstritten ist und dass wir das wollen.

Wir haben jetzt den Vorschlag des Bundesumweltministers in Sachen Hochwasserschutz. Ich nehme an, dass wir uns darüber einig sind, dass das, was darin zur Raumordnung und Bauplanung geschrieben ist, in die richtige Richtung weist. Aber der Ansatz, der für ein Ackerbauverbot in den 100jährigen Überschwemmungsgebieten vorgeschlagen wird, ist weit überzogen und geht total an der Realität vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die soeben vom Kollegen Oetjen vorgetragenen volkswirtschaftlichen Schäden pro Jahr von etwa 15 bis 16 Millionen Euro sind nicht nur Schäden, die Bauern haben. Auch der vor- und nachgelagerte Bereich wird davon in Mitleidenschaft gezogen. Das ist nicht so ohne. Hier ist der Einwurf gemacht worden, ob denn die EU-Politik noch hierin eingearbeitet werde. Meine Damen und Herren, wer sich nur ein bisschen mit dem Thema befasst hat, der weiß, dass der Druck insbesondere auf die Betriebe, die hier wirtschaften, noch viel größer wird. Ich meine, dass man deshalb ein bisschen mehr Sensibilität an den Tag legen sollte. Wenn man sich um die Existenz und die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe Gedanken macht, dann gehört es dazu, diesen Sachverhalt im Gesamtzusammenhang zu sehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bei Überschwemmungen bleibt in der Regel mehr liegen als wegschwimmt. Das kann Ihnen das Landesamt für Bodenforschung, dass können Ihnen auch andere Fachleute sagen. Das, was der Bundesumweltminister hier letztlich in Szene gesetzt hat, ist ein Rasenmäherprinzip, das keinen Sinn und keinen Verstand hat. Ich glaube, dass er in seiner ideologischen Art und Weise Landwirtschaft behindern oder unmöglich machen will. Das lassen wir uns nicht gefallen!

Meine Damen und Herren, wir haben im Bundesrat zusammen mit anderen Bundesländern diesen Gegenantrag gestellt, der mit überragender Mehrheit angenommen worden ist.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr gut!)

Ich meine, dass wir mit ihm letzten Endes weiterkommen werden. - Danke schön.