Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

Hier ist eine Große Anfrage mit insgesamt 28 Fragen gestellt worden. Diese haben wir nach bestem Wissen - und ich finde - vollständig beantwortet. Herr Wulf, diese Qualifikation, die Sie vornehmen, ist billige Polemik. In vielen Punkten wissen Sie es schlicht und ergreifend besser.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben das Thema Konnexität angesprochen. Für das jetzt beginnende Schuljahr 2004/2005 ist durch das Leihsystem sichergestellt, dass Sozialhilfebedürftige oder Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Bücher kostenfrei gestellt bekommen. Für die Sozialhilfeträger entstehen also gar keine Kosten, sodass wir gar keine entsprechende Regelung vorsehen müssen.

Sie werfen uns vor, wir hätten für die nächsten Jahre keine Festlegung getroffen. Gehen Sie zu Ihrem Parteifreund Schröder nach Berlin, und fra

gen Sie nach, wie Hartz IV ab dem 1. Januar 2005 aussieht, ob es dann überhaupt beginnt. Dann werden wir Ihnen die Antwort geben. Sozialhilfe wird da auch geregelt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Werfen Sie uns hier nicht vor, wir wüssten nicht, was Sache sein wird. Das ist für Ihre Leute in Berlin kompliziert genug. Schieben Sie uns nicht irgendwelche Verantwortlichkeiten zu.

Die Regelung, soweit wir sie jetzt in Aussicht nehmen, wird auch von den Kommunen durchaus begrüßt und mitgetragen. Sie haben Sicherheit, dass sie nicht mit unkalkulierbaren Kosten belastet werden.

Sie lassen sich hier grundsätzlich ein, dass alles falsch sei und Sie gerne das alte System wiederhätten. Wie auch immer, ich bin einfach gespannt. Dann stellen Sie doch durchgerechnete Haushaltsund Finanzierungsanträge. Wir werden dann viel Freude miteinander haben. Ich wage aber die Prognose, dass nichts kommt.

Meine Damen und Herren, ich habe mir in den vergangenen Wochen und Monaten viele Fallbeispiele angesehen. Erst kürzlich wurde ich mit der Situation einer Familie im Großraum Hannover konfrontiert, die vier Töchter hat, von denen die ersten drei am Gymnasium beschult werden und die jüngste die Klasse 4 an der Grundschule besucht. Die Eltern haben einmal ermittelt, was sie im kommenden Sommer für ihre vier Schulkinder ausgeben müssten, wenn sie das, was bisher unter die Lernmittelfreiheit gefallen ist, kaufen müssten. Da kommen 800 Euro zusammen. Mein lieber Mann! Das ist für viele Familien viel Geld. Auch manchen, die ein bisschen mehr verdienen als den Sozialhilfesatz, tut das richtig weh.

Es ist in Ordnung, wenn sich der, der es sich finanziell leisten kann, die Bücher kauft. Das wollen natürlich auch unsere Schulbuchverlage, weil sie insofern eine bestimmte Interessenlage haben. Das kann auch jeder tun, das bleibt den Eltern unbenommen, das wird niemandem verboten. Aber die große Masse der Eltern im Lande sagt, dass sie diese Beträge nicht so einfach aus der Hüfte wuppen können. Deshalb ist es vorteilhaft, ein Leihsystem zu haben, mit dem man sich die Bücher zu einem Drittel der Neubeschaffungskosten beschaffen kann. Da muss man auch ein soziales Empfinden haben, was geht und was nicht geht.

Unsere Lösung dieses Problems ist - das ist bekannt - die Ausleihe von Lernmitteln gegen Entgelt. Aber bitte sehr auf freiwilliger Basis! Das wird rechtzeitig mit den Eltern geklärt.

Für die Eltern bedeutet die Schulbuchleihe - ich sage es noch einmal - eine Entlastung um rund zwei Drittel der Kosten für Lernmittel. Die genaue Kostenebene wird am Ende von der Gesamtkonferenz festgelegt. Wir sagen, es sollten etwa ein Drittel bis 40 % der Neubeschaffungskosten sein.

Dieses Modell trägt der Haushaltslage, nach der sich die völlige Lernmittelfreiheit nicht mehr finanzieren lässt, in hervorragender Weise Rechnung. Hinzu kommt, dass mit der entgeltlichen Ausleihe der an unseren Schulen vorhandene Bücherbestand, der schließlich mit Landesgeld gekauft worden ist, sinnvoll genutzt wird.

Nun ist von einigen Seiten ernsthaft vorgeschlagen worden, diese Bücher insgesamt zu verkaufen und die Verteilung über den Verkauf auf Flohmärkten zu regeln. Hierzu muss ich Ihnen ganz klar sagen: Ein Verramschen von Landesvermögen

(Ursula Körtner [CDU]: Ist mit uns nicht zu machen!)

- ja, Frau Kollegin! - ist mit mir nicht zu machen.

(Isolde Saalmann [SPD]: Herr Möllring macht so etwas aber!)

Sich darauf zu verlassen, dass ein Flohmarkt schon dafür sorgen werde, dass zum Beginn des nächsten oder übernächsten Schuljahrs jedes Kind ein Schulbuch habe: Ich bitte Sie!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer hat das denn vorgeschlagen? - Wolfgang Wulf [SPD]: Das konnte nur die FDP sein! Herr Rösler vielleicht!)

- Dieser Vorschlag kam von vielen Seiten, von den Schulbuchverlagen, aber auch von politischer Seite. Aber wenn das am Schuljahresbeginn schief gehen würde, dann würden Sie hier alle auf die Barrikaden gehen und mir vorwerfen, ich würde die Verteilung von Schulbüchern den Gesetzen des Flohmarktes überlassen. - Ich würde sagen, das machen wir besser nicht.

Wir haben einen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Zum Schuljahresbeginn muss jedes Kind die notwendigen Bücher haben. Das gilt besonders dann, wenn sich die Eltern keine neuen Schulbücher

leisten können, etwa weil sie mehrere Kinder haben. Und mit dem Flohmarkt-Modell geht das eben nicht.

Für die Schulen bedeutet die Schulbuchleihe zunächst einmal, dass sie auch weiterhin alle Aufgaben erledigen, die sie bereits bei der bisherigen Lernmittelfreiheit geleistet haben. Zusätzlich - das will ich hier nicht verschweigen - haben sie im Zusammenhang mit der Schulbuchleihe die erforderlichen Abrechnungen durchzuführen. Diese zusätzliche Aufgabe ist aber durchaus zu leisten. Viele Schulen haben uns das bestätigt.

Herr Wulf, Sie haben vorgebracht, dass das alles nicht geht, welche Schwierigkeiten das alles macht, welche Belastung das alles bedeutet usw. Ich stelle hierzu fest: Entlastungsstunden hatten meine Amtsvorgänger dafür auch nicht vorgesehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist allerdings richtig, dass die Kollegen, die das organisiert haben, da und dort auch schon einmal eine Entlastungsstunde bekommen haben. - So ehrlich sollten wir schon miteinander umgehen.

Meine Wahrnehmung ist, dass unsere Schulleitungen und unsere Lehrerinnen und Lehrer viel leistungsfähiger sind, als Sie sie so einstufen. Wir finden dort viel Kreativität. Zwar sind manche immer so ein bisschen aufs Jammern aus, aber die meisten krempeln die Ärmel hoch, stellen sich den neuen Herausforderungen tatkräftig und kreativ und sagen, wir werden das schon gemeinsam bewältigen. Herr Jüttner, ich kenne da ganz tolle Beispiele, z. B. die Gesamtschule in der List oder das Otto-Hahn-Gymnasium in Göttingen. Die haben beide gesagt, das kriegen wir schon gut hin. - Insofern kann ich sagen, dass wir das gemeinsam mit unserer Schulen schon hinbekommen.

Herr Busemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möhrmann?

Nein, gestatte ich nicht.

Schade.

Hat er einen Finanzierungsvorschlag? - Dann ja!

Er guckt ganz traurig.

Dann soll er sie stellen.

Herr Möhrmann!

Herr Minister, was die Kreativität und die Leistungsfähigkeit der Kollegien und der Schulleitungen angeht, sind wir gar nicht auseinander. Es geht um Ihre schlichte Behauptung, dass dieses Verfahren weniger verwaltungsaufwändig wäre als das alte, obwohl zu dem Leihverfahren ein Geldfluss mit dem ganzen organisatorischen Drumherum hinzukommt, den es vorher nicht gegeben hat. Wie können Sie eine solche Aussage begründen? Dazu haben wir von Ihnen nichts gehört.

(Beifall bei der SPD)

Schade, ich hätte gerne einen Finanzierungsvorschlag gehört.

Ich habe eben gesagt, ich will nicht verschweigen, dass mit der Schulbuchleihe auch die erforderlichen Abrechnungsfragen dazu kommen. Das mag ein gewisses Mehr an Verwaltungsaufwand bedeuten, aber das wird so zu bewältigen sein, dass man das verantworten kann.

Wir diskutieren in diesen Tagen den Weg in die eigenverantwortliche Schule. Bei Ihnen hieß das „Selbstständige Schule“. Ich muss Ihnen sagen: Eine eigenverantwortliche Schule muss ein solches Problem doch bewältigen können. Wer schon an der Ecke scheitert, ist meines Erachtens auf dem Weg zur eigenverantwortlichen Schule nicht ansprechbar. - Aber ich vertraue darauf, dass wir das schon hinbekommen.

Es wurde angesprochen, dass Software nicht vorhanden wäre. Es gibt zwei Typen, die wir hier in den Blick genommen haben. Wir müssen uns nur

noch entscheiden, welches Programm wir nehmen wollen.

Das Thema Entlastungsstunden habe ich angesprochen.

Nun noch zu den verbleibenden Geldern. Es ist richtig, dass an den Schulen noch Geld aus den vergangenen Jahren vorhanden ist. Faktisch ist das zwar Landesgeld, aber es ist an den Schulen erwirtschaftet worden. Nun waren die einen Schulen fleißiger als die anderen, und deshalb meine ich, dass es vernünftig ist, wenn man sagt, 50 % des Geldes verbleiben der jeweiligen Schule, und 50 % werden für das System bereitgestellt; davon können ja auch wieder neue Bücher gekauft werden. Ich meine, das kann man durchaus vertreten.

Meine Damen und Herren, kritisiert wird auch, dass dieses Modell dazu führt, dass einige Schüler mit geliehenen Büchern arbeiten müssen - und insofern stigmatisiert sind - und andere mit eigenen. Ob das tatsächlich alles so schlimm ist, kann man ja gerne diskutieren, und das haben wir in den vielen Fragestunden und Debatten zu diesem Leihverfahren ja auch schon mehrfach gemacht. Ich habe nun einmal in die Annalen des Landtages geschaut und bin auch fündig geworden. Es war mein Amtsvorgänger, Kultusminister Wernstedt, der vor acht Jahren dazu gesagt hat: „Es ist für das Lernen unerheblich, ob das Schulbuch geliehen oder Eigentum ist.“ Also auch er hat sich mit dieser Fragestellung befasst und die Ausleihe für zumutbar und richtig gehalten.

In der Landtagsdebatte am 11. März hat die Kollegin Seeler befürchtend gefragt, ob diese Gewinne eigentlich steuerpflichtig seien. Hier machen sich ja verschiedene Leute über das Urheberrecht oder über das Steuerrecht Gedanken. Die Schulbuchverlage zerreißen sich insofern geradezu, indem Sie fragen, ob das alles so geht. Aber die Interessenlage der Schulbuchverlage ist uns auch klar.

Ich kann Sie beruhigen - auch die hinter mir sitzende Frau Vizepräsidentin -: Im Finanzministerium sieht man die Steuerfrage sehr viel gelassener. Von dort wurde mir eine Auffassung kundgetan, die ich richtig toll finde, nämlich: Wir haben sicherlich edleres Wild zu jagen als unsere Schulen. - Für diese Einstellung möchte ich mich bei dem Kollegen Möllring und beim Finanzministerium ausdrücklich bedanken.

Wir machen dieses Leihmodell schließlich nicht, um irgendwelche Gewinne an den Schulen einzu

fahren, die dann steuerpflichtig wären. Nein, das ist ein revolvierendes System: Aus eingehenden Leihgebühren sollen neue Bücher angeschafft werden. Das ist auch gut, weil der Zustand der Bücher - darin sind wir uns sicherlich einig - es nicht zulässt, sie noch jahrelang weiter zu nutzen.

Meine Damen und Herren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Kultusministerium und ich selbst haben in den vergangenen Wochen mit vielen Schulen, Eltern, Lehrkräften und Verbänden über das Ausleihverfahren gesprochen. Wir haben uns viel Zeit für die Gespräche genommen, und wir haben dabei wichtige Anregungen erhalten und aufgenommen. Wir haben auch mit den Schulbuchverlagen gesprochen. Das nächste Gespräch ist meines Wissens für nächste Woche angesetzt.

Was nun die urheberrechtlichen Fragen angeht: Hier sagt der eine, das sei rechtswidrig, und der andere, das sei rechtmäßig. Ich sage Ihnen: Diese Fragen können Sie über noch so viele Gesprächsrunden nicht klären. Insofern kommen wir so nicht weiter.