Protokoll der Sitzung vom 27.05.2004

Für die Niedersächsische Landesregierung kommt es darauf an, dass am Ende Lösungsvorschläge vorhanden sind, die den Föderalismus revitalisieren. Sie sollen insbesondere den Ländern das geben, was im Rahmen eines Ideenwettbewerbs und Gestaltungsföderalismus auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips auch sinnvollerweise Sache

dieser Länder ist. Dem Bund soll das belassen bleiben, was im gesamtstaatlichen Interesse Sache des Bundes ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Klar ist: Bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen darf für Niedersachsen keinesfalls eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand eintreten. Wir sind, wo immer das möglich ist, um Verbesserungen bemüht. Basis bei der Neuaustarierung der Finanzbeziehungen wird weiterhin der Solidaritätsgedanke sein, ohne den ein Ideenwettbewerb oder auch ein Gestaltungsförderalismus nicht stattfinden kann.

Wie beurteilt die Landesregierung die Auswirkung der Reformvorschläge für Niedersachsen? - Zur Beantwortung erlaube ich mir zunächst, auf das Gesagte Bezug zu nehmen. Die Föderalismuskommission befindet sich derzeit, dem Zeitplan gemäß, noch mitten in der Erörterung der Frage, welche Stellschrauben im Bereich der Kompetenzordnung, der Mitwirkungsrechte und der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wie verändert werden können, damit der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland vom Beteiligungsföderalismus weg, zum Gestaltungsföderalismus hin in das richtige Lot gebracht wird.

Meine Damen und Herren, es geht um die Länder in dieser Bundesrepublik. Es geht um die Länder in einem neuen erweiterten geeinten Europa. Es geht um ihre Gestaltungsrechte in diesem Land. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin, ich habe es früher schon gesagt, und ich bleibe mir in dieser Beziehung auch treu: Die für Sie vorgesehene Redezeit betrug 3:30 Minuten. Sie haben Ihre Redezeit um das Fünffache überschritten. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Häuser sich künftig etwas mehr an den vom Ältestenrat vorgesehenen Redezeiten orientieren würden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Das galt für Sie damals genauso, da brauchen Sie gar nicht zu klatschen; damals wurden die Redezeiten auch überschritten. Wenn wir den Ablauf einer Plenarsitzung halbwegs verlässlich planen

wollen, müssen wir uns auch ein bisschen an den Zeitvorgaben orientieren, die wir vorher miteinander beschlossen haben.

Frau Kollegin Andretta, Sie haben das Wort. - Sie ist entschwunden; dann hat sie Pech gehabt. Deshalb ist jetzt der Kollege Gabriel dran. Bitte schön!

Herr Präsident! Vielleicht könnte man das Thema - das ist eine Anregung an die Regierung - in einer der nächsten Sitzungen einmal zum Gegenstand einer Regierungserklärung machen. Ich glaube, das Thema ist es wert, und das würde sich auch lohnen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass die Kommission seit ihrer Konstituierung mittlerweile fünfmal getagt hat - Sie haben gesagt achtmal, aber da bin ich mir nicht ganz sicher -, würde ich gern zwei Fragen an Sie stellen:

Erstens. Wie häufig haben Sie denjenigen, der ja eigentlich als Kommissionsmitglied benannt ist - nämlich den Ministerpräsidenten -, dort vertreten?

Zweitens. Wären Sie bereit, uns die Protokollauszüge über Ihre Redebeiträge und über Ihre Initiativen in diesen Sitzungen zur Kenntnis zu geben?

Frau Ministerin, bitte schön!

(Bernd Althusmann [CDU]: Es gibt auch SPD-Mitglieder in dieser Kom- mission! Die können Sie fragen!)

Herr Gabriel, in den Sitzungen der Föderalismuskommission, die im Übrigen nicht öffentlich sind,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir gehen mit dem Thema vertraulich um! - La- chen bei der CDU)

vertrete ich den Ministerpräsidenten. Aber ich darf Ihnen versichern, dass mein Kontakt zum Ministerpräsidenten so eng ist, dass er von mir unmittelbar über die Inhalte unterrichtet wird.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Die Sitzungen sind übrigens öffentlich! Die Protokolle stehen im Internet!)

- Nein, nein.

Ich habe im Übrigen auch schon den Ausschuss für Bundesund Europaangelegenheiten unter dem Vorsitz von Frau Merk informiert, und ich darf Ihnen versichern, Herr Gabriel, dass ich dort auch immer wieder gerne über einzelne Punkte und Inhalte berichten werde. Wenn Sie es wünschen, komme ich gern wieder in den Ausschuss.

Das Thema ist sehr wichtig für die Zukunft, auch für die Zukunft dieses Landes. Deshalb greife ich Ihre Anregung gern auf und werde sie mit Herrn Wulff besprechen. Ansonsten stehe ich Ihnen natürlich persönlich zu Auskünften zur Verfügung.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Und Ihre Initi- ativen? Das war meine zweite Frage!)

Dialoge sind nicht möglich. Gegebenenfalls muss noch einmal jemand von Ihnen fragen. - Frau Kollegin Merk, bitte schön!

Frau Ministerin, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, weil das, was Sie sagen, für unseren Ausschuss, aber auch für den Landtag von Bedeutung ist.

Ich habe Ihre Ausführungen als ein großes Bekenntnis zu der föderativen Fahne, die Sie dort hochhalten, verstanden. Daneben sind noch viele Stichworte allgemeiner Art gefallen. Zum Schluss haben Sie gesagt - deshalb frage ich Sie -, Einzelheiten könnten Sie nicht bekannt geben.

Ich frage Sie nicht nach Einzelheiten, sondern: Welche eigenen Initiativen - außer dem allgemeinen Bekenntnis, das wir hier gehört haben - hat Niedersachsen durch Sie eingebracht? Ich möchte keine Auskünfte im Detail, aber ich möchte wenigstens einige Ihrer Vorschläge hören.

Der Herr Ministerpräsident beantwortet die Frage.

Frau Heister-Neumann, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich Sie zunächst einmal dafür loben, dass Sie das Land Niedersachsen so glänzend in der Kommission vertreten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu der Arbeitsweise der Föderalismuskommission darf ich sagen: Die Ministerpräsidenten sind sich in dem Ziel einig, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Sie sind sich darin einig, dass jede Profilierung einzelner Parteien, einzelner Politiker oder einzelner Regierungen - nach dem Motto, wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht - die Zweidrittelmehrheit in den beiden Verfassungsorganen erschweren würde. Deswegen gibt es bisher auch keine Initiativen einzelner Landesregierungen zu einzelnen Punkten. Das Ganze ist konsensual angelegt, ein bisschen angenähert an den Konvent zur Erarbeitung des Entwurfs für eine europäische Verfassung.

Bisher ist in keinem Punkt abgestimmt worden. Bisher ist vermieden worden, dass sich Fraktionierungen bilden. Weil wir davon überzeugt sind, dass das Ganze keinen Erfolg haben kann, wenn sich die A-Länder, also die SPD-geführten Länder, gegen die B-Länder, also die CDU-geführten Länder, stellen. Im Übrigen kann es gar keine gemeinsame inhaltliche Positionierung der jeweiligen A- und BLänder geben; denn dafür sind die Interessen zu unterschiedlich.

In der jetzigen Phase haben wir das Problem, dass einige sehr viel verändern wollen, während sich andere vor jeglicher Veränderung fürchten, was man vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzlage auch verstehen kann. Gerade die finanzschwachen Länder sagen, jede Veränderung könnte für sie einen Nachteil bedeuten, weil sie dann noch abhängiger vom Länderfinanzausgleich würden. Diesen Länder ihre Sorgen zu nehmen, ist im Augenblick die wichtigste Aufgabe. In dieser Phase hilft es nicht, Vorstöße zu wagen, um sich als Landesregierung zu profilieren.

Ich selbst habe an allen Ministerpräsidentenkonferenzen teilgenommen, die sich diesem Thema gewidmet haben, und denke, dass ihre im Übrigen einstimmig verabschiedete Erklärung - mehr war als Konsens nicht drin - unsere Wünsche ganz wesentlich berücksichtigt. Wenn Sie Änderungsvorschläge haben, dann tragen Sie diese bitte vor,

damit wir abwägen können, ob wir sie in den Entscheidungsprozess mit einbringen wollen.

Sie haben gerade gesagt, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir auf dieser Grundlage weiterarbeiten. Wie gesagt, es geht darum, das entscheidende Ziel im Auge zu behalten, in beiden Verfassungsorganen eine Mehrheit zu erreichen.

Mir ist wichtig gewesen, dass wir die Interessen der norddeutschen Länder zusammenbringen. Deswegen habe ich - ich bin in diesem Jahr Sprecher der norddeutschen Regierungschefs die norddeutschen Regierungschefs in Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz eingeladen. Wir verfolgen dort auch eine einheitliche Linie, beispielsweise bei Fragen des Deichschutzes, der Küstensicherheit und Ähnlichem. Diese Fragen betreffen die süddeutschen Länder naturgemäß nicht, aber dafür haben die Fragen zum Hochwasserschutz bei Binnenwasserwegen und Flussläufen. - Es ist also ein schwieriger Prozess.

Lassen Sie uns in die Phase der Konfrontation, der Abstimmungen und der Initiativen bitte erst dann kommen, wenn sie ausdrücklich aufgerufen worden ist. Im Moment haben wir die Hoffnung, dass es dem Vorsitzenden Franz Müntefering und dem zweiten gleichberechtigten Vorsitzenden Ministerpräsident Stoiber gelingt, einen Vorschlag zu unterbreiten, der Aussicht auf Erfolg hat.

Aus meiner Sicht müssen wir dahin kommen, dass der Bund mehr Entscheidungsfreiheit hat zu sagen, was er machen möchte, ohne dass der Bundesrat überall mitwirken und zustimmen muss, und dass im Gegenzug die Länder mehr Bereiche bekommen, in denen sie die Verantwortung tragen.

Vielleicht können wir dann auch noch einmal mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in eine Debatte eintreten. Schließlich hat die frühere Kollegin Pothmer, jetzt Landesvorsitzende der Grünen, eine Erklärung abgegeben - aus ihrer Sicht sollen die Länder Kompetenzen an den Bund abgeben -, die dem zuwider läuft, was der Landtag bisher einvernehmlich vertreten hat, nämlich dass die Länder - nicht so sehr die Landesregierung, sondern die Länderparlamente dringend gestärkt werden müssen.

Deshalb habe ich es auch begrüßt, dass die Landesregierung aufgefordert wurde, dem Parlament zu berichten. Wir sollten tatsächlich überlegen, dann, wenn es so weit ist, die Anregung des Kolle

gen Gabriel aufzunehmen, eine Regierungserklärung abzugeben und darüber zu debattieren.

Insofern bitte ich den Landtagspräsidenten um Vergebung, dass die Landesregierung ihre Redezeit überschritten hat. Es ist eine komplexe Materie, und vielleicht war die Dringliche Anfrage nicht das richtige Instrument dafür. Aber das mit den 3:30 Minuten war auch mir bislang nicht bekannt. Dringliche Anfragen dieses Umfangs und dieser Thematik müssten auch dem Landtagspräsidenten ein bisschen Gelassenheit abverlangen können.

(Heiterkeit bei der CDU - Dieter Möhrmann [SPD]: Oh! Oh! - Sigmar Gabriel [SPD]: Da müssen Sie auf- passen!)

Dieses Thema ist ein großes Thema der Landtagspräsidenten. Gerade der ausgeschiedene Landtagsdirektor hat eingefordert, dass wir darüber diskutieren.

Das soll jetzt aber keine Diskussion mit dem Präsidenten werden. Zu einer solchen bin ich nicht befugt, und darauf will ich mich auch gar nicht einlassen; denn da hätte ich ohnehin keine Chance. Insofern war das nur eine Randnotiz zu der Frage, wie wir hier miteinander umgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)