2. Ist die Landesregierung bereit, eindeutig zu garantieren, dass der Elternwille beim Übergang von der Grundschule auf eine Schule des gegliederten Schulwesens maßgeblich bleibt?
3. In welcher Weise und in welcher Frist will die Landesregierung dem Wunsch vieler Eltern entsprechen, dass ihr Kind an einer Ganztagsschule unterrichtet wird?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Dringlichen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist zu lesen:
„Zum kommenden Schuljahr wurden 5 927 Kinder für die Integrierten Gesamtschulen angemeldet. Davon mussten 1 820 Kinder wegen Platzmangels abgelehnt werden. Das sind 39 % der angemeldeten Kinder.“
Unabhängig davon, dass die Zahlenangaben nicht stimmen: Man muss nicht lange nachrechnen, um festzustellen, dass sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verrechnet hat, denn 1 820 von 5 927 sind nicht 39 %, sondern 30,7 %.
Nach den derzeitig von den Integrierten Gesamtschulen gemeldeten Zahlen wurden 4 017 Schülerinnen und Schüler aufgenommen und 1 914 nicht aufgenommen. Der Anteil der nicht aufgenommenen Schülerinnen und Schüler liegt damit bei 32,3 %. Das sind fast 7 Prozentpunkte weniger, als die Fragesteller berechnet haben. Und es sind 1,5 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr.
Bestehende Gesamtschulen können sich qualitativ und organisatorisch weiterentwickeln. Das bedeutet, dass sich eine Gesamtschule bei nachgewiesenem Bedarf und ohne Gefährdung bestehender Schulen auch erweitern kann, wenn sie z. B. die nach der Schulentwicklungsplanungsverordnung mögliche Höchstzügigkeit im Sekundarbereich I bisher nicht ausgeschöpft hat. Auch die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe oder einer Außenstelle ist zulässig, soweit mit Letzterer nicht das Errichtungsverbot umgangen wird. So sind in Tarmstedt und Osterholz jetzt gymnasiale Oberstufen genehmigt worden. Wir werden dieses Thema heute Abend ja auf Ihren Wunsch nochmals diskutieren.
Die Prognose von Bündnis 90/Die Grünen zum Hauptschulbesuch ist nicht nachvollziehbar. Es liegen derzeitig noch keine landesweiten verlässlichen Zahlen über die Hauptschulanmeldungen vor. Die pauschale Behauptung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass an Hauptschulen so wenig Kinder angemeldet worden sind, dass „an etlichen Standorten die Weiterexistenz dieser Schulform infrage stehen wird“, sind daher rein spekulativ und dem Ansehen der Hauptschulen nicht förderlich. Lassen Sie uns also erst einmal gemeinsam abwarten, wie die konkreten Zahlen aussehen. Wir werden sie wahrscheinlich schon in der nächsten Woche haben.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wirft in ihrer Anfrage der Landesregierung vor, dass sie dem Wunsch nach Ganztagsschulen mit der Verwendung der Mittel aus dem Investitionsprogramm
Die Landesregierung hat wiederholt erklärt, dass sie gerade auch im Sinne der Vereinbarung von Familie und Beruf ein bedarfsorientiertes und offenes Angebot von Ganztagsschulen und freiwilligen Nachmittagsprogrammen an Schulen anstrebt und schrittweise realisiert. Zum Schuljahresbeginn 2003/2004 sind insgesamt 86 Ganztagsschulen genehmigt worden. Gegenüber dem Vorjahr hat sich allein im Sekundarbereich I die Zahl der Ganztagsschülerinnen und -schüler um 10 481 - das sind 22,7 % - erhöht. Insgesamt ist der Anteil der ganztägig betreuten Schülerinnen und Schüler an der Gesamtschülerzahl von 6,1 auf 7,2 % gestiegen.
Zum 1. August 2004 werden erneut 93 zusätzliche Ganztagsschulen ihren Betrieb aufnehmen. Im Vergleich zu den vor Regierungsantritt bestehenden 156 Ganztagsschulen wird sich nur eineinhalb Jahre nach dem Regierungswechsel deren Anzahl mehr als verdoppelt haben.
Weitere Ganztagsschulplätze entstehen außerdem an den etwa 80 Ganztagshauptschulen, realschulen und -gymnasien, die ab dem nächsten Schuljahr zusätzlich die Schuljahrgänge 5 und 6 erhalten.
Die Einrichtung weiterer Ganztagsschulen wird nicht allein durch das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ finanziert. Für den Landeshaushalt entstehen mit der Einrichtung einer Ganztagsschule dauerhafte Personalkosten von jährlich durchschnittlich über 200 000 Euro.
Die Landesregierung setzt mit ihrer Schulpolitik den Wählerwillen und damit auch den Elternwillen um. Und sie steht auch zum Elternwillen beim Übergang von der Grundschule auf eine Schule des gegliederten Schulwesens. Ich habe dazu in den letzten Tagen nochmals eindeutig Stellung genommen.
Zu Frage 2: Der Elternwille bleibt beim Übergang von der Grundschule auf eine Schule des gegliederten Schulwesens maßgeblich.
Zu Frage 3: Die Landesregierung wird das Ganztagsschulangebot im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten schrittweise erweitern. Die aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ zur Verfügung stehenden Mittel werden ordnungsgemäß bewirtschaftet und entsprechend der zwischen dem Bund und den Bundesländern geschlossenen Verwaltungsvereinbarung verwendet.
Ich frage die Landesregierung, ob sie mir einmal erklären kann, wie diese außerordentliche Spreizung bei den Empfehlungen der Grundschulen im Lande zustande kommt. So haben z. B. in Wilhelmshaven die Grundschulen zu 47 % die Schülerinnen und Schüler für Hauptschulen empfohlen, aber nur zu 22 % für Gymnasien. In Wolfsburg war es genau umgekehrt: Dort gab es 18 % Hauptschulempfehlungen und 43 % Gymnasialempfehlungen. Ist nicht vor diesem Hintergrund die Frage negativ zu beantworten, ob die Grundschulen bei Kindern im Alter von zehn bzw. elf Jahren Empfehlungen aussprechen sollten? Ist das nicht willkürlich, Herr Busemann?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wulf, diese Spreizung gibt es offenbar seit Jahr und Tag, auch mit unterschiedlichen Tendenzen in städtischen und ländlichen Standorten. Im Landesschnitt, würde ich sagen, ist das Empfehlungsverhalten meiner Meinung nach durchaus stabil. An manchen Standorten wundert sich auch
ein Kultusminister, wie dort eine bestimmte Tendenz zustande kommt. Das hat manchmal offenbar auch etwas mit örtlichen, standortpolitischen Situationen zu tun, die dann wohl Einfluss auf das Empfehlungsverhalten haben. Aber landesweit, glaube ich, haben wir ein korrektes und fachkundiges Empfehlungsverhalten zur Kenntnis zu nehmen.
Nach der Vorabfrage von Januar/Februar wird die Empfehlungsquote für die Hauptschulen schätzungsweise zwischen 25 % und 30 % - nageln Sie mich nicht auf ein Prozent fest -, aber die Anwählquote im Landesschnitt letztlich ca. 20 % betragen. Für die Realschulen wird die Empfehlungsquote bei etwa 40 % liegen, und auch die Anwählquote wird vermutlich knapp 40 % betragen. Für das Gymnasium wird die Empfehlungsquote - das ist mein persönlicher Tipp - zwischen 27 % und 29 % liegen, und die Anwählquote wird 35 % bis 36 % betragen. Wobei ich ausdrücklich sage: Eine Steigerung der gymnasialen Bildungsbeteiligung ist auch Ziel unserer Landespolitik. Das hat ja auch etwas mit unserer Standortpolitik zu tun, weil wir insbesondere in die Fläche mehr Angebote hineingeben.
Entgegen den Aussagen von Minister Busemann ist die Flucht der Eltern aus der Schulform Hauptschule nicht Theorie, sondern offensichtlich Praxis. Während zumindest eine Umfrage des Dortmunder Instituts für Sozialforschung belegt, dass nur noch 9 % der Eltern in Niedersachsen für ihre Kinder einen Hauptschulabschluss für erstrebenswert halten, meint Minister Busemann ja immer noch, dass es 20 % wären. Heute waren der Presse konkrete Zahlen aus Hannover zu entnehmen - ich zitiere -: Im neuen 6. Jahrgang werden 15 % der Kinder die Hauptschule besuchen. Empfehlung: 29 %. Das heißt, nur die Hälfte der Eltern folgt der Empfehlung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich habe ich eben schon alles beantwortet. Wir sehen in städtischen Lagen durchaus - das hat möglicherweise auch etwas mit dem Gesamtschulangebot zu tun -, dass insbesondere die Hauptschulempfehlung nicht befolgt wird und man sehr stark in die jeweils nächsthöhere Schulform geht. Aber dahinter steht die Grundsatzdiskussion, die wir im Lande geführt haben: Können wir die Hauptschulen auffangen?
Ich darf Ihnen sagen: Wir haben einen, wie ich meine, außerordentlich intelligenten und modernen Hauptschulerlass gemacht. Wir machen in der Hauptschule mehr Unterricht, wir machen kleinere Klassen - obwohl das alles schwer fällt -, wir machen Berufsvorbereitung, wir machen Sozialarbeit ein tolles Angebot!
Wenn man sieht, dass es dort eine durchaus schwierige Schülerschaft gibt, dann werden die Probleme der Hauptschule nicht dadurch erledigt - wie es vielleicht die Vorgängerregierung gedacht hat -, dass wir in eine andere Schulform fusionieren und das Schild abhängen. Nein, wir stärken die Hauptschule, wir machen ein klasse Angebot und können das den Eltern auch anempfehlen.
Auch in ländlichen Bereichen gibt es hervorragende Hauptschulangebote mit einer Anwählquote von 30 % bis 40 %. Dort sehen wir den Hauptschulbetrieb überhaupt nicht gefährdet. - Sie können das rauf und runter beten. Es mag ja auch durchaus ein Stadt-Land-Gefälle geben.
Jetzt noch zu den Zeitungsmeldungen, die in den letzten Tagen gelaufen sind: Am 11. Juni habe ich noch in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gelesen: „Hauptschulen atmen auf. Schülerzahlen bei Neuanmeldungen nicht rückläufig.“ Heute hören wir aus der städtischen Schulverwaltung etwas andere Zahlen. Da würde ich einfach einmal sagen - weil wir die Dinge historisch auch so kennen -: Da ist etwas Gelassenheit angesagt. Wir werden erleben - das ist meine persönliche Prognose -, dass wir im Landesschnitt bei der Hauptschule eine tat
sächliche Anwählquote um die 20 % haben. Da können wir nach dem Trend der letzten Jahre sagen: Die Hauptschule ist stabilisiert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sie dem Elternwillen anscheinend nicht stattgeben will - Stichwort Gesamtschulen einrichten und die Kinder dort auch unterbringen -: Warum wollen Sie diesem Elternwillen nicht nachkommen? Wo in Niedersachsen gibt es auf der Landkarte der IGSen noch weiße Flecken, wo müssen noch Standorte eingerichtet werden?