Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Zu den Hilfsangeboten muss dann in der letzten Konsequenz logischerweise auch die individuelle geschlossene Unterbringung gehören, wenn sie als Hilfe verstanden wird und wenn die Bemühungen um eine erzieherische Beeinflussung und den Schutz der jungen Menschen mit Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe wirkungslos geblieben sind. Eine solche Unterbringung kann nur das letzte Mittel sein, und sie muss - das ist mir wichtig, und auf diese Debatte sollten wir uns jetzt allmählich einlassen - eingebettet sein in ein erzieherisches und therapeutisches Gesamtkonzept.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer verantwortlichen Arbeit mit den jungen Menschen gehört schlussendlich auch die Bereitschaft, sich mit diesen besonders schwierigen Problemen der Jugendhilfe auseinander zu setzen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das Leben ist hart, Herr McAllister! Nicht wahr?)

- Nein, ich denke nicht, dass man dies mit den Worten „das Leben ist hart“ abtun kann. Die Situation ist hart für diese Kinder.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe eben nicht Sie angesprochen!)

- Gut, dann halten Sie sich in Zukunft zurück mit solchen Zwischenrufen.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Haus ist in der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich ausführlich über die geschlossene Unterbringung gesprochen worden. Ich werde all diese Wortbeiträge jetzt aber nicht wiederholen.

Sehr gerne weise ich aber noch einmal auf die Tatsache hin, Frau Trauernicht, dass mit Kabinettsbeschluss vom 25. September 2002 ein Kriseninterventionsteam gebildet worden ist, in dem Fachkräfte des Landesjugendamtes, der Polizei, der Schulaufsichtsbehörden sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie vertreten sind. Derzeit wertet das KIT 69 Fälle nach Aktenlage aus. Einen Bericht erwarten wir noch vor Ostern. Durch diesen Bericht werden wir Anhaltspunkte erhalten, die uns dazu dienen werden, den Bedarf für die geschlossene Unterbringung in Niedersachsen zu ermitteln.

Wir müssen an dieser Stelle unserer Verantwortung gerecht werden. Diesbezüglich reicht es nicht immer aus, solche kindlichen Intensivtäter in Einrichtungen anderer Bundesländer zu überführen. Wir müssen auch in Niedersachsen über eigene Kapazitäten verfügen. Zu diesem Zweck werden wir die Zusammenarbeit mit den Kommunen und den freien Trägern suchen. Ich bin dankbar dafür, dass einzelne Träger in den vergangenen Tagen ihr Interesse angemeldet haben, eine solche geschlossene Unterbringung als Hilfemaßnahme aufzubauen.

Darüber hinaus bin ich der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter Niedersachsen und Bremen sehr dankbar dafür, dass sie zusammen mit dem Niedersächsischen Sozialministerium in sehr sachlicher Art und Weise festgestellt haben - Zitat -:

„In wenigen Einzelfällen kann es... sinnvoll und erforderlich sein, eine solche intensive Betreuung im Rahmen freiheitsentziehender Maßnahmen vorübergehend durchzuführen.“

Ich bin mir mit der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter darin einig, dass diese Maßnahmen einhergehen müssen mit einem Konzept intensiver, auf die biografische Situation des einzelnen Kindes ausgerichteter Pädagogik, die deutlich über den Zeitraum eines zeitlich begrenzten Freiheitsentzuges hinausgreift.

David McAllister hat das Mädchenheim in Gauting angesprochen, das von der Caritas geführt wird. Die Caritas hat sich nach sorgfältiger Prüfung ethischer und fachlicher Fragen dieser Aufgabe der pädagogischen und therapeutischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen angenommen. Es hat sich gezeigt, dass es für diese Kinder Hoffnung gibt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Kosten durchaus beherrschbar sind. Die Landesregierung erkennt ihre Verantwortung an, den Kommunen nicht neue Lasten aufzubürden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie ist deshalb bereit, sich an den Mehrkosten für die geschlossene Unterbringung zu beteiligen; deutlich spürbarer als es die bisherige Landesregierung vorgesehen hatte.

Meine Damen und Herren, wir müssen handeln. Das heißt, wir müssen zusammen mit den zuständigen Kommuen und den freien Trägern erzieherische Konzepte entwickeln, die eben im Einzelfall die geschlossene Unterbringung einschließen.

Ich bin von Frau Janssen-Kucz gebeten worden, Verteidigerin der Kinder zu sein. Ich übernehme diese Aufgabe gern, dann aber auch die Verteidigerin aller Kinder. Das heißt, sich auch der Verantwortung zu stellen, dass es eine kleine Gruppe von Kindern gibt, die gelegentlich für einen gewissen Zeitraum - wie mir die Fachleute aus der Jugendhilfe und der Jugendgerichtsbarkeit deutlich gesagt haben - aus ihrer Umgebung entfernt werden müssen, damit sie den therapeutischen Maßnahmen nicht mehr entkommen können. Auch das gehört zu einem erzieherischen Konzept. Wir alle wissen von den Fachleuten auf diesem Gebiet inzwischen - auch ich kenne das relativ gut aufgrund meiner früheren Tätigkeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, in der ich viel gearbeitet habe, oder aus der Drogentherapie bei Kindern -, dass wir es inzwischen mit einer Altersgruppe zu tun haben, die das 14. Lebensjahr noch nicht überschritten hat, sondern dass diese Thematik wie schon viele andere Themen in unserer Gesellschaft eine jüngere

Ebene der Bevölkerung erfasst hat, sodass wir hier handeln müssen.

Entscheidend ist, dass die Kinder in den geschlossenen Einrichtungen in der Lage sind, Beziehungen aufzubauen, dass es für ihren Tagesablauf Strukturen gibt, dass erzieherische Konzepte vorgehalten werden und dass für die Zeit danach ebenfalls ein ganzheitliches Konzept entwickelt wird. Daran arbeiten wir jetzt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau von der Leyen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt mehr vor. - Die Fraktionen der CDU und der FDP haben beantragt, diesen Antrag zur federführenden Beratung und zur Berichterstattung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. - Das ist so beschlossen worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Hafenzufahrt Landeshafen Emden optimieren - Seeschifffahrtsstraße Ems vertiefen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/60

Das Wort hat Herr Abgeordneter Ontijd.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch dieser Entschließungsantrag, der von mir jetzt für die Koalition von CDU und FDP eingebracht wird, betrifft ein Thema, das die neue bürgerliche Mehrheit aufgreift

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD)

und das jahrelang von der früheren Landtagsmehrheit nicht aufgegriffen worden ist.

Meine Damen und Herren, als westlichster Seehafen Niedersachsens und auch Deutschlands ist Emden der Eingangshafen unseres Landes.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das Tor zur Welt!)

Emden könnte somit auch der schnellste Hafen sein, allein schon von seiner geografischen Lage her. Er war auch schon der schnellste Hafen; das liegt aber sehr lange zurück. Das war die Zeit, als man noch Massengüter von Emden aus in die Welt schickte oder diese in Emden ankamen. Das ist lange her!

Die Schiffe werden zunehmend größer. Nicht zuletzt wegen dieser anderen Dimensionen wollen wir den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven bauen. Er ist notwendig, um Deutschland als Tiefwasserstandort zu halten.

Das bedeutet aber auch, dass die anderen Seehäfen Niedersachsens wettbewerbsfähig bleiben müssen. Das heißt aber auch, dass sie mit anderen deutschen Seehäfen, mit Bremen, Bremerhaven und Hamburg, und natürlich auch mit den Westhäfen Europas konkurrieren müssen. Darüber haben wir in mehreren Wahlperioden dieses Landtages schon des Öfteren gesprochen. Wenn ich Werner Buß und Dieter Haase sehe - sie wissen das auch.

Deshalb ist der heutige Antrag der Fraktionen von CDU und FDP erneut bemüht, diese Thematik zu lösen, bezogen auf den Seehafen Emden deswegen, weil die Ausbautiefe der Außenems als Bundeswasserstraße nur unzureichend gewährleistet ist und dies, meine Damen und Herren, bereits seit Jahren.

Jetzt kann man sagen: Lasst doch die tiefergehenden Seeschiffe an Emden vorbeiziehen, lasst sie andere Häfen aufsuchen. So könnten vielleicht die Bündnis-Grünen denken - ich hoffe es nicht -, aber wir denken darüber völlig anders, weil einiges dagegen spricht.

Es spricht dagegen, dass das Land das Vorhaben Rysumer Nacken längst beerdigt hat. Das hat der frühere Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler Schröder getan. Dafür hat das Land sich aber bemüht, in Emden zu investieren. Wenn ich es richtig sehe, sind es etwa 150 Millionen DM, die dort verbaut worden sind oder noch verbaut werden. Das ist schon ein ganz gewichtiger Grund, um diese Investitionen in der Zukunft nicht einfach brachliegen zu lassen. Wir haben die Ems-Pier

gebaut, wir haben den VW-Anleger weitestgehend verbessert, wir haben die Große Seeschleuse erneuert - all das mit Millionen- und AbermillionenBeträgen, die Gott sei Dank in Emden investiert worden sind.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das war eine gute Landesregierung!)

- Das war eine gute Leistung, das wollen wir sehr gern attestieren, wenngleich Emden durch den Rysumer Nacken am Tiefwasser hätte liegen können, wenn dort gebaut worden wäre. Dann würden wir uns mit diesem Problem jetzt nicht beschäftigen müssen, mein lieber Kollege Haase.

Aber die Hafenwirtschaft hat daraus auch etwas Gutes gemacht. Sie hat nämlich Eigeninitiative ergriffen und hat auch langfristig akquiriert. Flüssigkreide für die Nordland Papier wird in Emden angelandet, Holz wird in größeren Ausmaßen umgeschlagen, und der VW-Export hat sich Gott sei Dank auch - für die Region sehr zukunftsweisend ausgeweitet. Aber wir stehen dort mit unserem niedersächsischen Landeshafen auch in einem Wettbewerb mit Bremerhaven. Daran müssen wir in Zukunft nicht nur denken, sondern da müssen wir auch handlungsfähig bleiben.

Meine Damen und Herren, der Borkum-Anleger ist zwar noch nicht ganz fertig gestellt, wird aber auch eine gute Kapitalanlage für das Land sein. Ich denke auch an die Schwierigkeiten, die größere Seeschiffe beim Anlaufen des Seehafens Emden in Zukunft - das gilt für die VW-Transporte bereits jetzt - in Bezug auf die Wendemanöver, die vor dem Hafen stattfinden müssen, haben werden. Damit werden wir uns befassen müssen. Deshalb auch dieser Antrag. Es ist deshalb geboten, die Zufahrt nach Emden über die Außenems entscheidend zu verbessern, und das nicht über eine Warteschleife auf Borkum-Reede, sondern über die Zeitschiene, die Kosten spart, die den Hafen schneller macht, verbunden mit der Möglichkeit, neue Linien für Emden zu akquirieren, also den Hafenumschlag zu erhöhen.

Wir wissen, dass Emden in den letzten Jahren zweistellige Zuwächse im Hafenumschlag hatte. Daran sollten wir uns orientieren, und wir sollten versuchen, die Möglichkeiten auf der Außenems in dieser Weise zu verbessern. Die frühere Landesregierung hat zwar die Aufnahme der Bundeswasserstraße Ems bei der Fortschreibung für den Bundesverkehrswegeplan, der jetzt im Referentenentwurf

vorliegt, gefordert. Sie hat aber nicht - das ist das, was ich eingangs sagen wollte - über das Parlament den Druck erhöht, um die Bundeswasserstraße auch in diesen Bundesverkehrswegeplan hineinzubekommen. Das hätten wir erreichen können, wenn wir von der früheren Mehrheit dieses Landtages damit befasst worden wären.

Meine Damen und Herren, der Antrag ist beim Bund vorgelegt worden. Das war im Juni letzten Jahres. Aber der Bund hat gesagt, die Begründung reiche nicht aus, es müsse auch die Nachhaltigkeit - wie das neudeutsche Wort heißt - begründet werden.

(Zuruf von der SPD: Das ist ein ganz altes Wort!)

Trotz eindeutiger Begründung durch das Ministerium des Landes, aber auch durch weitere damit befasste Behörden hat das offenbar nicht ausgereicht. Höhere Wertschöpfung, Erhalt und Vermehrung von Arbeitsplätzen, aber auch die indirekten Wertschöpfungen, wie durch Zulieferer für das VW-Werk und für andere größere Betriebe in Emden, also insgesamt Stärkung der Region, haben für die Bundesregierung von Rot-Grün nicht ausgereicht, um die Wasserstraße in den Plan aufzunehmen, meine Damen und Herren.

Deshalb jetzt von der neuen Mehrheit der parlamentarische Vorstoß mit diesem Entschließungsantrag. Ich hoffe auch, dass sich die SPD-Fraktion unserem Entschließungsantrag anschließen wird, hoffe es auch von der Fraktion der Grünen, denn wir sind alle aufgerufen, die Wirtschaft zu stärken. Der Nordwesten des Flächenlandes Niedersachsen hat es ganz besonders nötig.

Meine Damen und Herren, wir wollen die wirtschaftliche Stabilität, wir wollen, dass die Hafenwirtschaft in Emden für die Region zurechtkommt, und wir wollen, dass die Soll-Tiefe um 1 m ausgebaut wird, das heißt auf SKN 9,50 m kommt, was dann gewährleistet, dass das Anlaufen Emdens unproblematisch ist und dass merklich größere Schiffe diesen Seehafen anlaufen können. Wir wollen auch den dauerhaften Umschlag von VWProdukten erreichen, und wir wollen insgesamt den Hafen Emden für Niedersachsen als einen schnellen Hafen wiederherstellen.

Meine Damen und Herren, die jetzige Praxis des Baggereinsatzes schafft keine Planungssicherheit – weder für die Reedereien noch für die Hafenwirtschaft selbst. Sie verunsichert die Kunden zuneh

mend. Das wissen wir nicht nur von der Hafenwirtschaft, sondern auch von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord-West. Wir wissen das auch von den Lotsen, die damit zu tun haben. Unser Vorschlag ist, zunächst ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die ökologischen Bedingungen, aber auch die Belange der Küsten- und Krabbenfischer mit einbezieht, die auf der Ems ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Landesregierung sollte darüber hinaus auch prüfen, inwieweit die Wassertiefe im Emder Hafen hinreichend ist und was, wie gesagt, Landesaufgabe ist - die Hafeneinfahrt zu vertiefen.