wie wir auf dieser Baustelle - auch ich persönlich sofort veranlasst haben, dass kein Meranti-Holz mehr eingebaut wird, nachdem ich festgestellt hatte, dass zwar die vorherige Landesregierung Meranti-Holz verbauen ließ, aber die jeweiligen Zertifikate zum Teil so oft kopiert waren, dass sie überhaupt nicht mehr leserlich waren. Darüber hinaus waren sie in einer Schrift abgefasst, die si
cherlich in Singapur lesbar sein mag, aber die nicht für einen deutschen Beamten lesbar ist. Weder das Außenministerium noch das Bundesumweltministerium waren in der Lage, diese Zertifikate als echt einzustufen.
Sie sehen also: Wenn wir auf Missstände hingewiesen werden, wird sofort gehandelt. Deshalb ist auch diese Ausschreibung neu gefasst worden. Es wird kein Meranti-Holz mehr verbaut, sondern eine andere Holzart, die nicht aus entsprechenden Beständen kommt. Sollte das Gegenteil nachgewiesen werden, würden wir es wieder anders machen. Aber solange es diese Zertifikate nicht gibt, wird es nicht gemacht.
Wenn Herr Schminke uns sofort informiert hätte, dann hätten wir sofort reagiert. Aber er hat zunächst anderes getan. Aufgrund der Aktivitäten der IG BAU, die uns selbstverständlich bekannt geworden sind, nahmen die Staatsanwaltschaft und die Zollverwaltung sofort die Ermittlungen auf und beschlagnahmten am 27. Juli umfangreiche Unterlagen. Am 26. Juli fand eine Demonstration der IG Bauen-Agrar-Umwelt vor der Baustelle statt. Am nächsten Tag, am 27. Juli, hat die Staatsanwaltschaft unter Zuhilfenahme der Zollabteilung die Beschlagnahme durchgeführt. Mit Schreiben vom 2. August hat die Fachaufsichtsbehörde des Staatlichen Baumanagements Göttingen, die Landesbauabteilung der Oberfinanzdirektion Hannover, die Staatsanwaltschaft Hannover schriftlich um Akteneinsicht gebeten. Ebenfalls am 2. August hat die OFD ein Schreiben an die Firma Wilbers mit der Androhung der Geltendmachung der Vertragsstrafe und der sofortigen Kündigung für den Fall gerichtet, dass sich der Verdacht der nicht tarifgerechten Entlohnung bestätigen würde. Diese Androhung war mit der Aufforderung zur Vorlage der prüfungsrelevanten Geschäftsunterlagen verbunden. Das ergibt sich aus § 7 Abs. 2 des Tariftreuegesetzes.
Am 4. August drohte die Firma Wilbers mit Einstellung der Rohbauarbeiten wegen fehlender Türzargen. Gleichzeitig forderte sie das Niedersächsische Finanzministerium auf, eine Presseerklärung abzugeben, in der der Vorwurf des Verstoßes gegen die vertraglich vereinbarte Tariftreue als haltlos dargestellt werden sollte. Sie hat uns also aufgefordert, eine Ehrenerklärung abzugeben. Eine dahin gehende Presseinformation konnte und hat
das Niedersächsische Finanzministerium selbstverständlich nicht abgeben. Am 6. August erfolgte die Einstellung der Rohbauarbeiten durch die Firma Wilbers wegen bauseitig nicht bereitgestellter Türzargen und der Tatsache, dass das Land keine Presseerklärung zur Entlastung der Firma Wilbers abgegeben hatte. Ob das Letzte ein Kündigungsgrund im Sinne des Baurechts ist, bezweifle ich, aber Sie sehen, mit welchen Mitteln da gefochten wird. Am 12. August meldete die Firma Wilbers entsprechend VOB/B Behinderung an und kündigte Schadenersatzforderungen an.
Am 19. August 2004 legte die Firma Wilbers der OFD einige Geschäftsunterlagen vor. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um die mit der Firma PKZ geschlossenen Nachunternehmerverträge. Das waren aber nicht die von uns geforderten; denn die Firma Wilbers legte keine Unterlagen darüber vor, ob und wie sie die Einhaltung der Tariftreueerklärung durch ihren Nachunternehmer kontrolliert hat, geschweige denn, wie sie uns das nachzuweisen gedachte.
Am 23. August erhielt die OFD von der Staatsanwaltschaft die erbetenen Unterlagen, d. h. Kopien der Ermittlungsakten und der Vernehmungsprotokolle. Darüber hinaus erfolgte am 26. August eine Einsichtnahme durch die Justiziarin der OFD in die beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der Firmen Wilbers und PKZ im Hauptzollamt Braunschweig. Nach meinen Informationen soll es sich dabei um waschkörbeweise Akten handeln. „Waschkörbeweise“ ist natürlich nur ein Synonym für die Menge. Die Akten werden selbstverständlich nicht in Waschkörben gelagert.
Die Einsichtnahme in diese Unterlagen bestätigte den Verdacht des Lohndumpings. An die Arbeitnehmer der polnischen Firma PKZ wurde nach Zeugenaussagen ein deutlich geringerer Stundenlohn als der Tariflohn - nicht der gesetzliche Lohn; gesetzliche Löhne gibt es in Deutschland nicht; es gibt Tariflöhne - gezahlt. Der tarifliche Stundenlohn liegt brutto bei 14,78 Euro, das entspricht netto etwa 7,60 Euro; ausgezahlt wurden an die polnischen Arbeitnehmer durchschnittlich 4,65 Euro netto. Es liegen entsprechende Vernehmungsprotokolle von 23 polnischen Arbeitnehmern vor. Der Zoll hat u. a. in Polen Befragungen durchgeführt. Zwei der Arbeitnehmer wurden von einem Richter des Amtsgerichts Göttingen vernommen, sodass diese Aussagen auch vor Gericht verwertbar wären. Sie wissen, dass wir gerichtliche Vernehmungen auch dann verwerten können, wenn
der Zeuge später nicht mehr erscheint, nicht mehr greifbar ist oder die Aussage verweigert. Deshalb ist es wichtig, dass es uns gelungen ist, zwei gerichtliche Vernehmungen durchführen zu lassen.
Im Rahmen der Einsichtnahme in die o. g. Unterlagen haben wir außerdem festgestellt, dass aufgrund der zwischen der Firma Wilbers und ihrem Nachunternehmer PKZ geschlossenen Verträge von einer Unterteilung der Baumaßnahme durch die Firma Wilbers in zwei Bauabschnitte auszugehen ist. Nicht der Auftraggeber Land hat die Baumaßnahme in zwei Bauabschnitte geteilt, die Teilung in zwei Bauabschnitte erfolgte ausschließlich durch die Firma Wilbers. Für den zweiten Bauabschnitt bildete die Firma Wilbers eine Arbeitsgemeinschaft mit einer weiteren niedersächsischen Firma. Unter anderem aufgrund des Landesvergabegesetzes bedarf die nachträgliche Einschaltung oder der Wechsel eines Nachunternehmers der Zustimmung des Auftraggebers. Diese Zustimmung wurde von der Firma Wilbers bei uns nicht beantragt und nicht eingeholt, sie wurde also auch nicht erteilt.
Warum ist das so geschehen? Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse ist nicht auszuschließen, dass die Bildung der Arbeitsgemeinschaft der Firma Wilbers mit einer weiteren niedersächsischen Firma für die Beauftragung des Nachunternehmers PKZ nicht der Leistungserbringung durch die zweite niedersächsische Firma diente, sondern der Möglichkeit, ein größeres Kontingent ausländischer Arbeitnehmer nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz beschäftigen zu können. Das können wir nicht beweisen, aber das unterstelle ich. Das ist uns gegenüber auch nicht so geäußert worden, aber ansonsten macht es keinen Sinn, weil die andere Firma keine Leistung erbracht hat. Die zweite Firma ist gegenüber dem Auftraggeber, also uns, nie in Erscheinung getreten.
Mit Schreiben vom 23. August drohte die Firma Wilbers dem Auftraggeber Land mit Kündigung, sofern nicht bis zum 27. August 2004 ausreichend Zargen auf der Baustelle bereitstehen würden. Diese Kündigungsandrohung wurde mit Schreiben vom 25. August durch die OFD zurückgewiesen, und die Firma Wilbers wurde noch einmal zur Wiederaufnahme der Arbeiten und zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Die Firma Wilbers wurde außerdem aufgefordert zu erklären, wie sie ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Überprüfung der Tariftreue ihres Nachunternehmers nachgekommen ist.
Am 30. August erfolgten die Kündigung des Vertrages und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Firma Wilbers.
Mit Schreiben vom gleichen Tage, also vom 30. August, wies der Auftraggeber, das Land, vertreten durch das Staatliche Baumanagement Göttingen, die Kündigung als unberechtigt zurück und kündigte nun seinerseits fristlos den Vertrag. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Vertragsstrafe in Höhe von 849 000 Euro geltend gemacht - unter Fristsetzung bis zum 17. September 2004. Falls Ihnen die Differenz zwischen 10 % der Auftragssumme in Höhe von 9,6 Millionen Euro, also 960 000 Euro, und den 849 000 Euro auffällt: Die Vertragsstrafe ist nur auf die Nettosumme fällig, nicht auf die 16 % Mehrwertsteuer.
Die Kündigung haben wir wie folgt begründet: Erstens. Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Tariftreue. Die Firma Wilbers hat bisher keinen Nachweis erbracht und auch noch keinen angeboten, dass sie die Beachtung der Tariftreue durch den Nachunternehmer PKZ überwacht hat und beweisen kann.
Zweitens. Aufgrund der Teilung der Baumaßnahme in zwei Bauabschnitte und der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, die erfolgte, ohne das Land hiervon in Kenntnis zu setzen, geschweige denn, unsere Zustimmung einzuholen, ist eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses gegeben. Selbstverständlich haben wir der Firma Wilbers mitgeteilt, dass Mehrkosten, die dem Land aus der Kündigung entstehen, der Firma Wilbers in Rechnung gestellt werden. Wir haben auch aus der letzten Teilrechnung 400 000 Euro zurückbehalten, und wir haben eine Vertragserfüllungsbürgschaft in ähnlicher Höhe, sodass wir hier auf der sicheren Seite sind.
Drittens haben wir die Verletzung der Pflicht zur Kooperation durch die zu Unrecht erfolgte Kündigung der Firma Wilbers geltend gemacht.
Meine Damen und Herren, ich meine, diese Ausführungen haben deutlich gemacht, dass wir alles Erforderliche getan haben. Allerdings ist der Auftraggeber Land bei der Durchführung von Projekten an Recht und Gesetz gebunden und darf nicht - wie das andere im Rahmen der freien Meinungsäußerung tun dürfen - aufgrund von Vermutungen Entscheidungen treffen. Wir müssen das beweisen. Sie müssen auch bedenken: Wenn wir eine Kündigung durchsetzen, ist nicht nur die Firma da
von betroffen, sondern natürlich auch die Arbeitnehmer. Wir müssen gerichtsfest beweisen können, dass wir Kündigungsgründe hätten, sonst machen wir uns unsererseits wieder schadenersatzpflichtig. Dann hätte das Land einen doppelten Schaden, und das kann ja nicht sein.
Die Chronologie der Ereignisse zeigt, dass immer umgehend - beim geringsten Verdacht - gehandelt wurde und Entscheidungen getroffen wurden, sobald belastbare Grundlagen vorlagen.
Zu Frage 1: Die Landesregierung beabsichtigt nicht, für das Landesvergabegesetz höheren Grenzwerten vorzuschlagen.
Zu Frage 2: Es ist gegenwärtig nicht abzusehen, ob und in welcher Höhe Mehrkosten entstehen. Das Staatliche Baumanagement wird aber selbstverständlich etwaige Mehrkosten gegenüber dem Bauunternehmen Wilbers als Schadensersatz geltend machen.
Zu Frage 3: Unter Hinweis auf die umfangreichen Vorbemerkungen ist von einer Verantwortlichkeit nicht auszugehen.
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass es zunächst keine Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten in dem ganzen Verfahren gegeben hat. Es war aber mehr als augenscheinlich, dass die polnischen Bauarbeiter täglich, auch am Wochenende, massive Überstunden geschoben haben. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wenn Sie schon extra Justizmitarbeiter vor Ort haben, warum haben diese Mitarbeiter diese Tatsache dann nicht ihrem Arbeitgeber gemeldet und ihn darüber informiert?
Es haben Gespräche zwischen Bediensteten des Justizvollzugs, die dort die Eingangsbewachung machen, und den polnischen Arbeitnehmern stattgefunden, aus denen deutlich wurde, dass die polnischen Arbeitnehmer mehr als acht Stunden am Tag arbeiten. Die polnischen Arbeitnehmer haben daraufhin den Justizvollzugsbediensteten nachvollziehbar erklärt, sie würden lieber etwas länger arbeiten und mehr Geld verdienen, als in der Baubude herumzusitzen; denn sie sind ja gerade nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen und einen entsprechenden Freizeitausgleich in Polen zu bekommen. Es ist doch ganz normal, dass im Sommer, wenn es länger hell ist, auf Baustellen länger gearbeitet wird und dass im Winter abgefeiert wird. Entsprechende Tarifverträge gibt es auch in der Bauwirtschaft in Deutschland. Deshalb ist das bei polnischen Arbeitnehmern nicht anders zu sehen als bei deutschen Arbeitnehmern.
Wir haben selbstverständlich auch nach diesem Vorfall, genauso wie vor diesem Vorfall, anlassbezogene und nicht anlassbezogene Baustellenkontrollen durchgeführt. Wir haben in der Zwischenzeit z. B. auch an der Baustelle, in der wir uns hier gerade befinden - Sie wissen ja, dass wir die Platten an dem Landtagsgebäude neu befestigen lassen; das ist eine sehr sensible Baustelle - Kontrollen durchgeführt, aber keine Beanstandungen festgestellt.
Herr Minister, ich habe eben mit Erstaunen von Ihnen gehört, dass die Landesregierung nicht beabsichtigt, den Grenzwert des Vergabegesetzes anzuheben bzw. einen solchen Vorschlag zu machen. Wie bewertet die Landesregierung den Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion, der dem Wirtschaftsausschuss seit Dezember vorliegt, den Schwellenwert von 10 000 Euro auf 50 000 Euro anzuheben, angesichts der Tatsache, dass nur 7,3 % der Aufträge des Landes im Baubereich über 50 000 Euro liegen?
Herr Oppermann, wir beide haben an der Niedersächsischen Verfassung mitgearbeitet. Sie wollten damals „wahrheitsgemäß“ rein haben, ich habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ durchgesetzt. - Ich habe mich in der gesamten Landesregierung erkundigt: Es gibt keinen Vorschlag der Landesregierung, diese Grenzwerte anzuheben.
Herr Oppermann, Sie sind doch Jurist. Sie sind im Examen sogar noch ein bisschen besser gewesen als ich.
Ich bin nicht gefragt worden, ob es im Wirtschaftsausschuss eine Diskussion über einen Gesetzentwurf oder Antrag, den die FDP-Fraktion und die CDU-Fraktion eingebracht haben, gegeben hat, in dem die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP vorgeschlagen haben, den ÖPNV wieder aus dem Landesvergabegesetz herauszunehmen. Sie können das alles nachlesen. Sie als Mitglied des Wirtschaftsausschusses wissen das zwar alles, aber ich sage Ihnen noch einmal, was da diskutiert worden ist, weil ich es im Protokoll nachgelesen habe. Dann hat es eine Anhörung gegeben, in der die kommunalen Spitzenverbände gesagt haben: Wir hätten die Grenzwerte gerne auf 200 000 Euro hochgesetzt. Laut Protokoll wurde dann im Ausschuss die Überlegung angestellt, ob man das auf 50 000 Euro hochsetzt.
Die Landesregierung hat selbstverständlich alle Fragen beantwortet, nämlich dass bei dem Grenzwert von 10 000 Euro etwa 20 % der Vergaben unter dieses Gesetz fallen würden und bei 50 000 Euro etwa 8 %. Da die Bundesregierung eine EU-Richtlinie umsetzen will, wonach zum 1. Januar 2006 die Grenzwerte deutlich nach oben gezogen werden, gehe ich davon aus, dass sich das Landesvergabegesetz im Baubereich dadurch erledigt hat, und wir es diese 15 Monate noch so lassen können, wie es ist.