Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Die Landesregierung hat selbstverständlich alle Fragen beantwortet, nämlich dass bei dem Grenzwert von 10 000 Euro etwa 20 % der Vergaben unter dieses Gesetz fallen würden und bei 50 000 Euro etwa 8 %. Da die Bundesregierung eine EU-Richtlinie umsetzen will, wonach zum 1. Januar 2006 die Grenzwerte deutlich nach oben gezogen werden, gehe ich davon aus, dass sich das Landesvergabegesetz im Baubereich dadurch erledigt hat, und wir es diese 15 Monate noch so lassen können, wie es ist.

Aber es ist selbstverständlich die Hoheit der einbringenden Fraktionen, in diesen Gesetzentwurf hineinzuschreiben, was sie wollen. Bei uns läuft das nämlich so, dass wir hohe Achtung vor unseren Fraktionen haben und von ihnen nicht erwarten, dass sie nur das nachvollziehen, was wir ihnen vorgeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Korter, bitte!

Ich frage die Landesregierung: Sind nach dem Skandal von Rosdorf auch auf weiteren niedersächsischen Baustellen der Firma Wilbers Kontrollen durchgeführt worden und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Herr Minister, bitte!

Verehrte Frau Kollegin, nach dem Landesvergabegesetz können wir diese Kontrollen natürlich nur auf den Baustellen durchführen, bei denen wir selbst Auftraggeber sind. Ich gehe davon aus, dass die Firma Wilbers auch andere Auftraggeber als das Land Niedersachsen hat. Dort, wo Private Auftraggeber sind, können wir natürlich nicht kontrollieren. Es kontrolliert aber - das habe ich vorhin gesagt - die Bundeszollverwaltung. Seit dem 1. August 2004 gibt es das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Dafür hat der Bund 7 000 Zöllner ausgebildet, die inzwischen auch tätig sind, übrigens auch bei uns erfolgreich. Diese wären dann auf anderen Baustellen die richtigen Ansprechpartner.

Nach unserer Kenntnis gibt es im Moment keine andere Baustelle des Landes, auf der die Firma Wilbers tätig ist.

Herr Meihsies!

Ich frage die Landesregierung: Herr Minister, wie werden Sie sicherstellen, dass die Kommunen das Landesvergabegesetz korrekt einhalten, und wie werden Sie dies überprüfen können?

Frau Ministerin Heister-Neumann, welche Konsequenzen ziehen Sie für die Zukunft aus diesem Vorfall für die PPP-Projekte, die Sie in Ihrem Ministerium andenken?

Herr Meihsies, das waren zwei Fragen. - Zuerst antwortet Herr Möllring.

Die bei den Kommunen tätigen Beamtinnen und Beamten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind genauso wie Landesbeamte an Recht und Gesetz gebunden. Im Moment gibt es keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass die Gesetze in den Kommunen genauso korrekt angewendet werden wie im Land. Ich als Kommunalpolitiker, der 29 Jahre lang Erfahrung hat, nehme jedenfalls für mich in Anspruch, dass wir in den Kommunen die Gesetze genauso richtig eingehalten haben, wie das im Land und im Bund zu geschehen hat. Deshalb gibt

es im Moment keine Veranlassung, die Kommunen hier gesondert zu kontrollieren.

Frau Ministerin Heister-Neumann!

Ich möchte das wie folgt ergänzen: Das, was in Rosdorf geschehen ist, ist natürlich auch insofern sehr bedauerlich, als es eine Verzögerung bewirkt, die - wie Sie nachvollziehen können - nicht in unserem Interesse ist.

Was das PPP-Projekt angeht, muss ich zuallererst sagen, dass darüber noch keine Entscheidung getroffen worden ist. Für den Fall, dass es positiv entschieden wird, werden wir selbstverständlich genau darauf achten, dass die Richtlinien eingehalten werden.

Frau Merk, bitte!

Herr Minister, Sie haben bei der Sachverhaltsschilderung gesagt, dass die Firma Wilbers den zweiten Teil in zwei Bauabschnitte unterteilt hat und dabei in Form einer ARGE, also einer Arbeitsgemeinschaft, eine niedersächsischen Firma einbezogen hat. Sie haben auch Ihre Vermutung geschildert, warum die das gemacht hat. Das mag ja nicht unberechtigt sein.

Deshalb die Frage: Ist diese Firma eine der Firmen gewesen, die sich auch für dieses Projekt beworben haben? Ist diese Firma - können Sie eigentlich ihren Namen nennen? - ansonsten mit Bauten des Landes Niedersachsen betraut?

Dann habe ich noch eine Frage an die Frau Justizministerin. Nachdem wir wissen, dass es durchaus gefährlich sein kann, einen Rohbau unbewacht stehen zu lassen, möchte ich wissen: Wie wird der Rohbau denn jetzt bewacht?

Das waren zwei Fragen. Es antwortet Herr Möllring.

Die zweite Firma ist eine in Niedersachsen ansässige Firma, die sich nicht um diesen Bau beworben hat und die nach unserer Kenntnis im Moment auch nicht für uns tätig ist. Es handelt sich um eine große Firma, aber ich habe keine Veranlassung, jetzt und hier ihren Namen zu nennen. Die einzige Erklärung, warum man so etwas macht, ist für uns, dass man zusätzliche Kontingentgenehmigungen für ausländische Arbeitskräfte erhalten möchte. Die Firma ist nicht tätig geworden. Es handelt sich um eine große, angesehene Firma in Niedersachsen.

Was die Bewachung angeht: Die Baustelle wird durch eine große Mauer umschlossen, die ja noch die alte Landesregierung für 3 Millionen Euro hat errichten lassen - wobei sie dann allerdings kein Geld mehr für die Gebäude innerhalb dieser Mauer in den Landeshaushalt eingestellt hat, sodass wir da nachfinanzieren mussten. Die Mauer hat inzwischen ein Tor, an dem die Justizvollzugsbeamten Einlasskontrollen durchführen. Sie machen das sehr erfolgreich; denn es hat Beschwerden gegeben, dass man nicht so einfach rein oder raus konnte. Damit sind wir auch sehr zufrieden. Insgesamt ist die Sicherheit im Rahmen dessen, was Menschen möglich machen können, also gewährleistet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Briese, bitte!

Sinn und Zweck der Freiheitsentziehung ist u. a. ja auch die Normverdeutlichung. Nach § 1 des Strafvollzugsgesetzes soll der Gefangene zu einem straffreien Leben in sozialer Verantwortung veranlasst werden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Wie soll es gelingen, Gefangenen die Normen zu verdeutlichen, wenn auf der Baustelle einer Justizvollzugsanstalt so stark gegen Gesetze verstoßen wird?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister!

Gerade in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf können wir jedem Gefangenen deutlich machen, was passiert, wenn man gegen die Normen verstößt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dort zeigt sich nämlich, dass ohne jedes Wackeln und Zucken die Gesetze angewendet werden. Einen Tag nach Bekanntwerden sind sämtliche Unterlagen - waschkörbeweise! - beschlagnahmt worden. Wir haben 23 polnische Arbeiter vernommen. Bei zwei Arbeitern erfolgte - das habe ich vorhin ausgeführt - eine richterliche Vernehmung, die wir jederzeit im Strafprozess einsetzen können. Außerdem haben wir die Verträge mit der Firma gekündigt mit der Folge, dass sie möglicherweise riesige Schadenersatzleistungen an uns zahlen muss.

Wir können also wunderbar darstellen, dass es in diesem Lande nur derjenige gut hat, der sich an Recht und Gesetz hält. Vielleicht könnte man das ja einmal im Eingangsbereich dokumentarisch darstellen, damit die Gefangenen sowohl beim Betreten der Justizvollzugsanstalt als auch bei der Entlassung in die Freiheit daran erinnert werden, dass es besser ist, sich an Recht und Gesetz zu halten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Janßen!

Vor dem Hintergrund, dass das Bauvolumen sehr umfangreich war, frage ich die Landesregierung, ob sie beabsichtigt, Baumaßnahmen in ihren Gebäuden künftig in kleineren Losen auszuschreiben, damit in verstärktem Umfang regionale mittelständische Unternehmen zum Zuge kommen können.

Herr Minister!

Ich hatte vorhin mitgeteilt, dass sich im Wesentlichen mittelständische Firmen beworben haben, davon neun aus Niedersachsen und auch einige aus der Region Göttingen. Nach dem Vergabegesetz, der VOB und den anderen Vorschriften müssen wir allerdings der Firma den Auftrag erteilen,

deren Angebot am günstigsten ist und die von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit her dazu in der Lage ist. Deshalb ist hier die Firma Wilbers, die aus Aurich kommt und eine mittelständische Firma in Ostfriesland ist, zum Zuge gekommen.

Wir können ja auch schlecht sagen, dass dann, wenn in Ostfriesland gebaut wird, nur Firmen nördlich des Mittellandkanals, und dann, wenn wir in Göttingen bauen, nur Firmen südlich des Mittellandkanals in Betracht kommen, sondern wir müssen unseren Firmen selbstverständlich ermöglichen, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch anderswo anzubieten. Wir stoßen schließlich an neun andere Länder an. Damit bestehen zahlreiche Möglichkeiten, grenzüberschreitend tätig zu werden. Es wäre völlig falsch zu versuchen, das nach Regionen, Kreisen oder Landesgrenzen abzuschotten.

In diesem Fall haben wir mit der niedersächsischen Firma Pech gehabt. Aber ich hatte in der Antwort auf eine vorangegangene Frage schon gesagt: Wir werden alles tun, um Recht und Gesetz in diesem Lande durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Hagenah, bitte!

Nach Darstellung der Landesregierung ist auf der Baustelle Rosdorf von ihrer Seite aus alles korrekt verlaufen: Das Vergabegesetz wurde korrekt angewendet, und die Kontrollen wurden korrekt durchgeführt. Erstaunlicherweise ist dieser Sumpf nur durch das Engagement eines einzelnen Gewerkschafters aufgedeckt worden.

Ich frage die Landesregierung: Welche Konsequenzen zieht sie aus der Erkenntnis, dass aufgrund der geltenden Gesetze und dem bisher vom Land ausgeübten Vollzug offensichtlich keine Chance besteht, dem kriminellen Unterlaufen der gesetzlichen Vorgaben irgendetwas entgegenzusetzen? Was will die Landesregierung ändern? Inwieweit will sie aufgrund dessen ihr eigenes Verhalten ändern?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Hagenah, die Vorgängerregierung hatte ja versucht, durch eine beim Staatlichen Baumanagement angesiedelte Gruppe, die auf die Baustellen geht, prüfen zu lassen, ob Tariflohn gezahlt wird. Das ist vom Landesrechnungshof, aber auch von unseren Fachleute als nicht sinnvoll, weil nicht zum Erfolg führend, bewertet worden. Deshalb haben wir das auch wieder eingestellt.

Schließlich befinden sich die Lohnunterlagen meistens nicht auf der Baustelle, sondern in den Geschäftsräumen der Firma, in denen die Lohnbuchhaltung gemacht wird. Außerdem haben die Befragungen der polnischen Arbeitnehmer durch den Zoll, durch die Arbeitsverwaltung und durch unser Staatliches Baumanagement sowie die Gespräche mit den Bediensteten des Justizvollzugsdienstes gerade nicht die erforderlichen Informationen ergeben. Vielleicht hatten sie nicht ausreichend Vertrauen zu den Deutschen, vielleicht wollten sie ihren Arbeitsplatz nicht gefährden - darüber können wir nur spekulieren. Deshalb bin ich Herrn Schminke ja auch dankbar, dass er mit einem polnischen Gewerkschaftsmitarbeiter die Sache aufgedeckt hat. Und dann haben wir ja auch nun wirklich auf den Tag genau reagiert.

Wir werden das in Zukunft verschärfen, indem wir uns noch öfter die Unterlagen vorlegen lassen. Das ist nämlich eine Bringpflicht. Nach § 7 Abs. 2 Landesvergabegesetz hat der Unternehmer die Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass er Tariflöhne zahlt. Wenn er das nicht nachweist, dann ist nach § 8 Landesvergabegesetz bereits die Vertragsstrafe fällig. Die Höhe der Vertragsstrafe beträgt für jeden Fall mindestens 1 % der Auftragssumme und kann sich auf bis zu 10 % der Auftragssumme belaufen. Da in diesem Fall mehr als zehn Verstöße vorliegen - weil knapp 30 polnische Arbeiter dort beschäftigt waren -, haben wir eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 % geltend gemacht. Ich bin auch willens, sie durchzusetzen. Das kann natürlich zu schmerzlichen Einschnitten bei dieser Firma führen.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)