Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Ansonsten werden wir uns verschärft anlassbezogen, stichprobenartig und unregelmäßig die Nach

weise darüber vorlegen lassen, dass Tariflöhne gezahlt werden. Das scheint mir der beste Weg zu sein. Wir sind gerade dabei, das noch einmal zusammenzustellen. Aber Sie können sicher sein, dass die Kontrollen immer effektiver werden, um insbesondere solchen schwarzen Schafen keine Chance zu geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Wenzel, bitte schön!

Herr Minister Möllring, nachdem die polnischen Bauarbeiter Aussagen zu diesem kriminellen Vorgang gemacht haben, haben sie ihren Arbeitsplatz verloren und sind sie bedroht worden. Das ging bis zu der Androhung, dass ihren Familien etwas passiert. Außerdem hat man sie mit 2 000 Euro zu bestechen versucht, damit sie ihre Aussagen zurückziehen.

Vor dem Hintergrund dieser massiven kriminellen Energie frage ich Sie: Was wollen Sie in Zukunft tun, um Zeugenschutz zu gewährleisten und um Arbeitnehmer vor solchen massiven Drohungen zu schützen?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Die Bedrohungen, die Sie zuletzt angeführt haben - sowohl die gegenüber den Arbeitern als auch die gegenüber ihren Familien -, sind mir nur aus Ihren Presseerklärungen, Herr Wenzel, bekannt. Um so etwas zu unterbinden, dafür haben wir Staatsanwaltschaft, Gerichte und Polizei.

Der erste Punkt, den Sie ansprechen, ist die logische, wenn auch bittere Konsequenz aus dem Landesvergabegesetz. Wenn wir feststellen, dass keine Tariflöhne gezahlt werden und die Verstöße schwer wiegend sind - so würde ich das in diesem Fall bewerten -, haben wir die Möglichkeit, der Firma zu kündigen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das haben Sie aber erst nach vier Wochen getan! Die haben schon am nächsten Tag ih- ren Arbeitsplatz verloren! Darauf ha- ben Sie nicht reagiert!)

- Herr Wenzel, das wollte ich gerade ausführen. Ich kann erst kündigen - mit den ganzen Folgen: dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und Firmen in die Insolvenz gehen, wenn sie dadurch solche große Aufträge verlieren -, wenn ich das gerichtsfest nachweisen kann. Sie als Oppositionspolitiker hingegen können sich vor die Kamera und vor die Mauer der Justizvollzugsanstalt stellen und sagen: Verrat! Hier wird Schwarzarbeit geleistet!

Weil Sie behauptet haben, dass dort Schwarzarbeit geleistet werde, habe ich das Finanzamt Oranienburg in Brandenburg, das für polnische Lohnsteuerzahlungen zuständig ist, gebeten, den Sachverhalt nachzuprüfen. Wir sind aber sicher, dass keine Schwarzarbeit stattgefunden hat, weil alle Arbeiter sozialversicherungspflichtig und bei der Arbeitsverwaltung angemeldet waren. Sie haben nur nicht den korrekten Lohn bekommen haben. Es ist aber etwas anderes, ob ich nur nicht den Tariflohn bekomme oder ob ich schwarzarbeite. Nach unseren jetzigen Erkenntnissen hat die Firma keine Schwarzarbeit gehabt.

Deshalb kann ein Minister - anders als ein Fraktionsvorsitzender - nicht einfach behaupten, dass hier kein Tariflohn gezahlt wird. Er braucht vielmehr den Beweis dafür, dass kein Tariflohn gezahlt wird. Denn wenn ein Minister behauptet, dass die Firma, die für das Land arbeite, keinen Tariflohn zahlt, würden Sie ihn zu Recht vor das Parlament zitieren und ihn fragen: Wie kannst du so etwas behaupten und nichts tun? - Sie müssten doch sagen: Entweder kannst du es beweisen, und dann musst du handeln, oder du kannst es nicht beweisen, aber dann darfst du die andere Firma, mit der du immerhin einen Vertrag hast, nicht beschimpfen.

Die Firma hat ja auch versucht, von uns in der Presse eine Ehrenerklärung zu bekommen. Das ist natürlich Blödsinn; denn wir machen keine Presseerklärungen für irgendwelche Firmen. Wir untersuchen lediglich, ob sie sich an das Landesvergabegesetz, an die VOB und an die weiteren Vorschriften halten und ob sie uns die Nachweise erbringen, die nach § 7 und § 8 Landesvergabegesetz notwendig sind. Wenn nicht, gehen wir in aller Klarheit und Schärfe vor. Mit der Folge - das ist vom Gesetzgeber zwar nicht gewollt, aber hingenommen worden -, dass die Firma den Auftrag verliert, dass die Arbeitnehmer für diesen Auftrag

nicht mehr tätig werden können und dass wir mit einer anderen Firma, nämlich dem Zweit- und Drittbietenden, verhandeln müssen, ob sie bereit ist, die Arbeiten zu Ende zu führen. Dass das Zeit kostet - mit Baustellenabbau und -wiedereinrichtung -, war dem Gesetzgeber sicherlich bekannt, als er das Landesvergabegesetz in der geltenden Fassung beschlossen hat.

§ 7 ist ein schwarzes Schwert - nein, kein schwarzes, sondern ein scharfes Schwert.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Es sollte ein rotes sein!)

- Herr Gabriel, reizen Sie mich nicht. Sonst lese ich noch die Verordnung vor, die Sie dazu erlassen haben und in der einiges wieder zurückgenommen worden ist, was uns das Leben etwas schwerer macht. Der Gesetzestext, die §§ 7 und 8, waren wunderbar; die Verordnung, die dazu erlassen worden ist, macht uns die Anwendung allerdings wieder etwas schwieriger. Aber die Verordnung hat auch nicht der Landtag erlassen, sondern die ist im Nachgang erarbeitet worden. Aber darüber können wir uns gerne unterhalten.

Herr Wenzel, das heißt: Wir müssen uns jedes Mal - das gilt im Steuerrecht und für alle Maßnahmen, die wir als Land ergreifen, übrigens genauso - genau überlegen, ob wir die Folgen verantworten können oder nicht. Da wird mir ja sogar manchmal das Wort im Munde umgedreht, indem man sagt: Bis zu wie viel Arbeitsplätzen guckst du denn weg? - Es wird nicht weggeguckt! Nur, ich muss einen Beweis haben, der vor Gericht standhält. Sonst würden Sie man zu Recht behaupten, dass ich willkürlich gehandelt hätte, und willkürlich darf ein Minister nun einmal nicht handeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bevor ich dem Kollegen Oppermann das Wort erteile, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. - Bitte schön, Herr Kollege!

Die erfreulichste Nachricht dieser Fragestunde ist ohne Zweifel, dass die Landesregierung nicht mehr beabsichtigt, das Vergabegesetz zu ändern.

Herr Möllring, man kann Ihnen auch nicht vorwerfen, dass Sie es nicht konsequent anwenden. Die

Härte, mit der Sie gegen die Firma Wilbers vorgehen, erinnert fast schon an Ihren Umgang mit Fachministern bei Haushaltsverhandlungen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist eine Unterstellung!)

Eine Vertragsstrafe von 850 000 Euro ist beachtlich.

Meine Frage richtet sich an den Ministerpräsidenten. Herr Wulff, hatten Sie bei den gelegentlichen Besuchen in Polen, die Sie erfreulicherweise machen, schon einmal Gelegenheit, sich an geeigneter Stelle dafür zu entschuldigen, dass polnische Arbeitnehmer auf Baustellen des Landes Niedersachsen mit Dumpinglöhnen ausgebeutet werden?

(Unruhe bei der CDU)

Herr Kollege Oppermann, Sie wissen als ehemaliges Regierungsmitglied sehr genau, dass Sie nicht den Ministerpräsidenten oder einzelne Minister fragen können, sondern nur die Landesregierung. Wer für die Landesregierung antwortet, bestimmt die Landesregierung.

Herr Finanzminister, ich entnehme der Tatsache, dass Sie schon am Rednerpult stehen, obwohl ich Sie gar nicht aufgerufen habe, dass Sie antworten wollen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der einen Frage waren drei Fragen versteckt.

Erstens haben Sie gefragt, ob es richtig ist, dass die Landesregierung das Vergabegesetz nicht ändern will. Das ist richtig: Eine Landesregierung kann keine Gesetze ändern; das kann nur das Parlament machen. Eine Landesregierung kann nur Vorschläge unterbreiten.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin immer wieder überrascht, dass Sie mich in der Examensnote haben schlagen können.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens habe ich bisher keinem der Minister in den sehr harmonisch verlaufenden Haushaltsgesprächen jemals eine Vertragsstrafe angedroht.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat die Kollegin Frau Heiligenstadt ums Wort gebeten. Bitte schön!

Vor dem Hintergrund, dass wir gerade gehört haben, dass in erster Linie die polnischen Bauarbeiter, die bereit waren auszusagen, die Opfer dieser kündigungsbedingten Folgen sind, frage ich die Landesregierung, ob sie Möglichkeiten sieht, in den Verhandlungen mit den anderen Firmen, die mitgeboten haben, darauf hinzuwirken, dass diese polnischen Bauarbeiter weiterhin auf der Gefängnisbaustelle beschäftigt werden.

Ich schließe meine zweite Frage gleich an: Wenn es schon nicht gelingt, auf den eigenen Baustellen die Kontrollen so wie gewünscht durchzuführen bzw. diese Missstände nur mit gewerkschaftlicher Hilfe aufgedeckt werden konnten -: Wie stellt die Landesregierung dann die Kontrollen auf den privaten Baustellen im Lande Niedersachsen sicher?

Herr Minister, bitte schön!

Wir verhandeln - das hatte ich gesagt - mit den Firmen, die das zweit-, dritt- und viertbeste Angebot abgegeben haben. Es wäre natürlich sehr schön, wenn diese Firmen deutsche Bauarbeiter beschäftigen würden. Selbstverständlich ist es nach unserem Recht auch möglich, dass sie entsprechend der Kontingente, die ich vorhin schon einmal kurz erläutert habe, auch ausländische Bauarbeiter beschäftigen. Ich weiß aber nicht, wie wir als Land es schaffen sollen, die Baufirmen auch noch zu verpflichten, die bei der anderen Firma beschäftigen Bauarbeiter sozusagen zu übernehmen; denn die versuchen natürlich zunächst einmal, ihre eigenen Angestellten in Lohn und Brot zu bringen. Da sehe ich also keine großen Möglichkeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu Ihrer zweiten Frage, Frau Kollegin. Ich habe vorhin erläutert, dass seit dem 1. August 2004 das Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz in Kraft ist und dass die Bundeszollverwaltung mit 7 000 Beamtinnen und Beamten, die mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet sind, unterwegs ist. Nach unseren ersten Feststellungen - das haben wir auch in Rosdorf gesehen - haben die sehr schnell agiert und sehr erfolgreich und kooperativ mit uns zusammengearbeitet.

Wir haben da keine gesetzliche Möglichkeit. Der Zoll aber hat die. Wir sollten nicht immer sagen, dass der Bund das nicht kann, weil dort die falsche Partei regiert, und dass wir das besser könnten: Wir unterstellen einfach, dass die Bundeszollverwaltung das sehr effektiv und gut macht.

Der Bundesfinanzminister hat für dieses und nächstes Jahr bereits Mehreinnahmen von 1 Milliarde Euro veranschlagt, allein aufgrund des Inkrafttretens dieses Gesetzes. Damit unterstellt er ja, dass er einen Riesenerfolg haben wird.

Vielen Dank. - Herr Kollege Hagenah hat das Wort. Bitte schön!

Herr Minister Möllring hatte uns dargestellt, dass im Vorfeld der Aufdeckung durch die Gewerkschaft sowohl die Landesverwaltung als auch der Zoll die Firma vor Ort aufgesucht, alles überprüft und festgestellt hatten, dass das von der Schriftform her alles korrekt war. Auf meine Frage hin, was man denn nun besser machen wolle, damit es zukünftig nicht mehr passieren kann, dass so etwas nur von dritter Seite aufgedeckt wird, hat er ausgeführt, man wolle nun das Gesetz entsprechend scharf anwenden und wolle sich in regelmäßigen Abständen schriftlich darlegen lassen, ob alles korrekt sei. Nach Ihren Darstellungen wäre der Fall in Rosdorf also offensichtlich nicht aufgeflogen.

Was gedenkt die Landesregierung zu tun und zukünftig besser zu machen, damit solche kriminellen Machenschaften, die mafiose Strukturen haben, weil die Bauarbeiter, die minderen Lohn erhalten, anschließend durch die Androhung von Kündigung und weiteren Folgen unter die Knute und auch zu Falschaussagen gezwungen werden, aufhören?

Was will die Landesregierung als Auftraggeber tun, damit so etwas nicht wieder passiert?