Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Buß. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier keine hafenpolitische Debatte führen, sondern zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung dient im Wesentlichen der Umsetzung des internationalen und europäischen Rechts. Die neue Fassung des internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See, der Internationale Code für Gefahrenabwehr auf Schiffen und Hafenanlagen sowie die EU-Verordnung zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und Hafenanlagen werden mit diesem Gesetzentwurf in Landesrecht transformiert. Der Gesetzentwurf ist insofern richtig und auch notwendig. Was die Umsetzung von internationalem Recht betrifft, werden wir dem Gesetzentwurf selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen.

Die Bezeichnung der beiden völkerrechtlichen Verträge und der EU-Verordnung bringt bereits zum Ausdruck, dass es sich bei dem Gesetz um ein Gefahrenabwehrgesetz handelt, d. h. um ein

Polizeigesetz, wie es die Landtagsmehrheit im Stil der 50er-Jahre gerne auszudrücken pflegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetz erhält das Fachministerium gemäß § 8 die Befugnis, den Schiffsführern das Einlaufen in einen niedersächsischen Hafen zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Schiff gegen verbindliche Abschnitte des ISPSCodes verstößt und damit eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, von Fahrzeugen oder der Hafenanlagen darstellt. Dies ist eine richtige Vorschrift, die zur Stärkung der Sicherheit in unseren Häfen führt.

Meine Damen und Herren, von besonderer Bedeutung ist, dass sich die fünf Küstenländer auf einen abgestimmten Gesetzentwurf verständigt haben, der verhindert, dass es im Detail zu einer Rechtszersplitterung kommt, die nicht im Interesse der weltweiten Sicherheit der Schifffahrt und in den Häfen liegt. Damit werden erfreulicherweise Wettbewerbsverzerrungen verhindert. Ich kann nur hoffen, dass das internationale Recht von unseren europäischen Nachbarn konsequent umgesetzt wird.

Ebenso wichtig finde ich, dass dieses Gesetz sowohl in den öffentlichen als auch in den privaten Häfen Anwendung finden soll. Richtig und notwendig ist darüber hinaus, dass die Beauftragten für Gefahrenabwehr nach § 9 geschult werden müssen und sich gemäß § 11 einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen müssen.

Meine Damen und Herren, in unseren niedersächsischen Häfen ist unter dem Begriff „Security Ports“ bereits einiges umgesetzt worden, was die Einzäunung und Kontrollen betrifft.

Wir werden diesem Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Fassung allerdings in keinem Fall zustimmen können. Mit diesem Gesetzentwurf hat das Wirtschaftsministerium die geplante vollständige Privatisierung faktisch bereits vollzogen, obwohl wir noch über die Hafenämter reden. Bedenklich ist insbesondere, dass das MW nach § 14 alle ihm obliegenden hoheitlichen Aufgaben vorbehaltlos auf Private übertragen kann, obgleich es diese Aufgaben bisher nicht einmal seinen eigenen Ämtern zugesteht. Nicht alle hoheitlichen Aufgaben werden heute von den Hafenämtern vollzogen.

In § 15 geht der Gesetzentwurf sogar noch weiter. Alle weiteren Maßnahmen der Gefahrenabwehr in Hafen-, Schifffahrts- und Fährangelegenheiten, die

nicht bereits durch § 14 auf Private übertragen werden können, dürfen durch Rechtsverordnung auf juristische Personen des Privatrechts, also auf eine GmbH, übertragen werden. Herr Hirche, das werden wir auf keinen Fall mitmachen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wolfgang Ontijd [CDU]: Seien Sie doch vernünftig!)

- Gerade von Ihnen als Polizeibeamter hätte ich anderes erwartet, Herr Ontijd. Wir kommen aber noch dazu.

Ich habe eingangs die Regelung des § 8 angesprochen, mit der das Fachministerium, also das Ministerium von Herrn Hirche, ein Einlaufverbot für Schiffe aussprechen kann. Dies ist eine klassische Aufgabe der Gefahrenabwehr. Das ist typisches Polizeirecht, ein Aufgabenkreis, der gemäß Artikel 33 des Grundgesetzes hoheitlicher Art ist und von Angehörigen des öffentlichen Dienstes wahrzunehmen ist. Wenn Sie diese Aufgabe nicht mehr von Beamten erledigen lassen wollen, welche dann? Kommt als Nächstes die Privatisierung der Wasserschutzpolizei?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben größte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von Ihnen vorgelegten Pläne zur Privatisierung der Gefahrenabwehr. Wir müssen dies noch umfassend in den Ausschüssen beraten. Auf die Stellungnahme des GBD bin ich schon jetzt gespannt. Herr Ontijd, Sie haben einige Gesetze angesprochen. Alle diese Gesetze haben aber nichts mit Gefahrenabwehr zu tun. Das sollten Sie vielleicht auch einmal berücksichtigen.

Nicht nur aus juristischen Gründen habe ich größte Zweifel gegenüber dieser Regelung, sondern auch aus hafenpolitische Sicht leuchtet es mir nicht ein, weshalb bei einer Privatisierung der Hafenverwaltung auch die hoheitlichen Aufgaben, die bisher im Fachministerium angesiedelt sind, privatisiert werden sollen. Was passiert eigentlich, wenn diese GmbH insolvent wird? - Dann wird ein Insolvenzverwalter eingeschaltet. Ist der Insolvenzverwalter dann auch für die hoheitlichen Aufgaben zuständig? Das möchte ich gerne einmal von Ihnen hören.

Bei der Übertragung von staatlichen Aufgaben auf Private ist es notwendig, gleichzeitig die staatliche Überwachung der privaten Ausgestaltung zu stärken. Sie planen aber, Aufgaben, die bisher nicht einmal von Beamten in staatlichen Hafenämtern

erledigt werden dürfen, nun auf eine privatrechtliche Gesellschaft zu übertragen. Ich habe den üblen Verdacht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, dass hier nicht die niedersächsische Hafenwirtschaft gestärkt werden soll, sondern dass einzig und allein Stellen gestrichen werden sollen, damit sich das Trauerspiel der Verwaltungsreform von Herrn Meyerding zumindest auf dem Papier noch rechnet.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Riese.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das war ja gerade ein recht unterhaltsamer Beitrag aus der SPD-Fraktion, der einen Nebengegenstand, den wir gar nicht weit genug rühmen können, in das Kreuzfeuer der Kritik gestellt hat.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Die in den Übertragungs-Paragrafen 14 und 15 versteckte Hafenprivatisierung hat in einem Gesetz zur Hafensicherheit nichts zu suchen! - Zuruf von der SPD: Raus damit, dann machen wir es sofort! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Eben, dann können wir sofort zustim- men!)

Fahren Sie bitte fort, Herr Kollege!

Wir sollten uns zunächst einmal darüber klar werden, dass wir hier ein technisches Gesetz haben, an dem wir gar nicht vorbeikommen. Das haben auch die Vorredner schon ausgeführt. Wir führen hier internationale Vereinbarungen aus, allerdings mit der Folge - das müssen wir auch bedenken -, dass hier ein Beispiel vorliegt, wie die Freiheit zugunsten der Sicherheit eingeschränkt wird. Dazu haben wir einige Ausführungen von Herrn Kollegen Ontijd gehört.

Seit dem 1. Juli ist in niedersächsischen Häfen zu beobachten, dass die Bürger, die sonntags gerne an der Küste spazieren gehen, dies jetzt nicht mehr können, weil sie vor einem Zaun stehen. In einzelnen dieser Häfen gibt es auch Beispiele dafür, wie ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nur noch über einen Umweg von mehreren Kilometern erreichen kann, weil die Torkontrollen dementsprechend eingerichtet sind. Diesen Dingen müssen wir ins Auge sehen. Das ist ein Konflikt von Freiheit und Sicherheit, abgeleitet vom 11. September 2001. Dazu hat der Herr Minister schon einige Ausführungen gemacht.

Ich muss Ihnen mitteilen, meine Damen und Herren, dass es mich schon überrascht hat, wie viel kriminelle Phantasie bei sehr ehrbaren Leuten vorzufinden ist. In den Vorgesprächen zu dieser Diskussion haben mich viele Persönlichkeiten, die ihr Geld als Unternehmer in niedersächsischen Häfen verdienen, darüber aufgeklärt, dass sie trotz der Zäune, der Kameras, der Kontrollen und der Sicherheitsbeauftragten in den Hafenanlagen, die wir jetzt haben, doch noch Wege wüssten, um explosives Material in diese Häfen hineinzubringen. Also ob das angestrebte Ziel, die Sicherheit, durch die Maßnahmen erreicht wird, steht auf einem anderen Blatt. Gott möge es wollen, darf ich hier einmal so sagen.

(Haase [SPD]: Starker Tobak!)

Am Anfang stehen allerdings die internationalen Vereinbarungen. Sie sind relativ schnell getroffen worden. Vom 11. September bis zu der Vereinbarung der IMO im Dezember 2002 hat es ein Jahr und drei Monate gedauert. Die EU hat sich dann noch knapp anderthalb Jahre bis zur entsprechenden Verordnung Zeit gelassen; sie ist erst am 29. April dieses Jahres veröffentlicht worden. Vor diesem Hintergrund können wir unsere Landesregierung eigentlich nicht genug loben, dass sie bereits wenige Monate später einen mit den Küstenländern abgestimmten Gesetzentwurf vorlegt, der allerdings auch die niedersächsischen Einzelheiten in besonderer Weise enthält.

(Beifall bei der FDP)

Schneller als wir waren nur Schleswig-Holstein und Bremen. In Hamburg läuft das Verfahren noch. Mecklenburg-Vorpommern hält nach meinen Recherchen vor der Öffentlichkeit erfolgreich geheim, wie dort das Verfahren läuft. Ich hoffe, dass die Ministerialen dort etwas mehr wissen als das Par

lament. Veröffentlicht wurde dort noch kein Buchstabe.

Wenn wir in diesem Gesetz das vorbereitet finden, was zum Wohle unserer Hafenwirtschaft kommen wird, nämlich die private Rechtsform im Hafenbetrieb, dann bewahrt uns dies im Parlament davor, jetzt ein Gesetz zu verabschieden, das wir in knapp vier Monaten wieder ändern müssen. Das wäre eine Gesetzgebungshektik, die andere Fraktionen dieses Hauses für wünschenswert halten mögen. Die Koalitionsfraktionen, die die Regierung tragen, setzen aber auf solide Gesetzgebung. Wir hoffen doch sehr, lieber Herr Kollege Buß und liebe andere Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition, dass wir Sie in den Ausschussberatungen noch davon überzeugen können, dass diese Regelung natürlich die Richtige ist. Sie greift einfach einer Privatisierung voraus, die kommen wird. Natürlich hat das Ministerium als Behörde jederzeit die Möglichkeit, Aufgaben wieder zurückzuholen, wenn der beliehene Unternehmer nicht in der Lage sein sollte, diese Aufgaben auszuführen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Insofern hoffe ich auf schnelle und gedeihliche Beratungen. Wir sollten das Gesetz in der letzten Beratung hier möglichst bald verabschieden können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Janßen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Niedersächsische Hafensicherheitsgesetz - das haben wir jetzt schon einige Male gehört - dient seinem Wesen nach der Umsetzung der vorangegangenen internationalen Vereinbarungen zu Erhöhung der Sicherheit im Schiffsverkehr und in den Häfen. Insoweit - darüber sind wir uns hier auch alle einig - ist das Gesetz unstrittig. Es ist eine Pflichtaufgabe des Landes. Wir müssen es umsetzen, um weiterhin am internationalen Seeschiffsverkehr teilnehmen zu können.

Die Form der Umsetzung in Niedersachsen ist jedoch maßgeblich durch die beabsichtigte Scheinprivatisierung der niedersächsischen Häfen bestimmt.

(Björn Thümler [CDU]: Rechtsformän- derung, Herr Kollege!)

- Es ist die Umwandlung in eine GmbH. Das ist schon eine privatrechtliche Form, Herr Kollege. - In diesem Zusammenhang kommt den §§ 14 und 15 des Gesetzentwurfes besondere Bedeutung zu. Darauf wurde bereits hingewiesen. Nach § 14 des Gesetzes kann das zuständige Ministerium für Wirtschaft sämtliche ihm obliegenden Aufgaben im Zusammenhang mit den neuen Sicherheitsvorschriften auf juristische Personen des Privatrechts übertragen - mit den Ausnahmen, die Herr Hirche gerade genannt hat; diese stehen allerdings noch nicht im Gesetzentwurf. Bekundete Absicht der Landesregierung ist überdies die Übertragung der Aufgaben an die Hafen-GmbH. § 15 ermöglicht darüber hinaus, dieser Gesellschaft auch die sonstigen Aufgaben der Gefahrenabwehr zu übertragen.

Beides sehen wir ausgesprochen kritisch. Nach derzeitiger Lesart heißt das etwa im Bereich der Hafensicherheit, dass z. B. die Risikobewertung einer Hafenanlage nach § 5 das die Anlage bewirtschaftende Unternehmen, nämlich die GmbH, selbst durchführt. Risikobewertungen ziehen bisweilen auch investive Folgekosten nach sich. Wir sehen hier einen Interessenwiderstreit zwischen den verschiedenen Aufgaben, die die GmbH dann erfüllen muss, nämlich einerseits den Hafen wirtschaftlich zu betreiben und andererseits die Sicherheit neutral zu gewährleisten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gerade diese Neutralität halten wir aber in diesem sensiblen Bereich als Teil der inneren Sicherheit für zwingend notwendig.

Selbst dann, wenn Sie, Herr Hirche, hoheitliche Aufgaben im Bereich der Hafensicherheit nicht der Hafen-GmbH übertragen und damit den direkten Interessenkonflikt umgehen, stellt die Möglichkeit, hoheitliche Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit privatrechtlichen Organisationen zu übertragen, nach unserer Auffassung einen politischen Paradigmenwechsel dieser Landesregierung dar. Meine Damen und Herren von der CDU, ein solcher Systemwechsel in einem sensiblen Teilbereich der inneren Sicherheit - dies kann man nicht mit Schornsteinfegerbeleihung oder Ähnlichem vergleichen - kann Ihnen eigentlich nicht recht sein. Genießt nicht gerade bei Ihnen die innere Sicherheit höchste Priorität? So habe ich das hier

jedenfalls immer vernommen. Ist nicht gerade auch bei Ihnen die Gewährleistung der inneren Sicherheit als Ganzes die Kernaufgabe staatlichen Handelns? Das wollen Sie einer Privatfirma übertragen, und zwar auch noch per Verordnung, ohne dass sich das Parlament damit noch einmal zu befassen hat?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist nicht in unserem Sinne. Ich hoffe inständig, dass Sie bei ernsthaftem Nachdenken zu der Auffassung kommen, dass es auch nicht in Ihrem Sinne ist.